Rekurse der Clubs wurden abgelehnt
Nordstern und Heimat wollten die Clubförderungs-Entscheide des Musikbüros und der verantwortlichen Jury anfechten. Das ist rechtlich allerdings gar nicht vorgesehen.
Im Juli gab das Musikbüro bekannt, welche Clubs die heissbegehrte Programmförderung bekommen. Daraufhin ging ein Aufschrei durch die Basler Clubszene. 30 Betriebe hatten sich auf die Gelder beworben – 14 von ihnen haben bis zu 40’000 Franken erhalten. Diejenigen, die leer ausgingen, beschwerten sich. Allen voran der Nordstern und die Heimat. Sie reichten Rekurs ein. Dieser wurde von der externen Rekursstelle geprüft und abgelehnt.
Das sorgte nicht gerade für mehr Harmonie im Nachtleben. Dan Keller vom Nordstern sieht nicht ein, warum der Rekurs abgelehnt wurde. Vor allem nicht, weil in dem Antwortschreiben steht, dass die Rekursstelle den Juryentscheid nicht überprüfen kann, weil kein «formeller Ablehnungsentscheid» vorliegt.
Um diese Begründung zu verstehen, muss man wissen, dass es bei der Programmförderung zwei Stufen der Beurteilung gibt.
Zunächst wird geprüft, ob das Gesuch den formellen Kriterien entspricht, also aufgrund der Vorgaben überhaupt zugelassen ist, an dem Wettbewerb um die Fördergelder teilzunehmen. Dieser Entscheid fiel sowohl beim Nordstern als auch bei der Heimat positiv aus.
Während einige Lokale aus der Alternativkultur von den Clubfördergeldern profitierten, gingen andere Betriebe leer aus. Der Unmut war gross.
Als zweites findet die qualitative Prüfung statt, in der die Jury die Gesuche inhaltlich bewertet und miteinander vergleicht. Dieser zweite Entscheid kann gemäss den Statuten des Musikbüros gar nicht von der Rekursstelle geprüft werden, sie analysiert nur die formellen Kriterien. Claudia Jogschies, Verantwortliche für die Programmförderung beim Musikbüro, sagt dazu: «Es ist die gängige Praxis, dass qualitative Beurteilungen in der Kulturförderung durch Fachkommissionen vorgenommen werden.»
«Es ist gut und richtig, dass die Rekursstelle nur die formellen Kriterien prüfen kann.»Claudia Jogschies, Musikbüro
Die Kriterien, nach denen die Jury beurteilt, seien transparent in den Förderbestimmungen einsehbar. Würde man zulassen, dass der qualitative Juryentscheid durch einen Rekurs angefochten werden kann, dann müsste die Rekursstelle eine Zweitbeurteilung vornehmen, so Jogschies.
Dafür müsste sie mindestens mit der gleichen Fachkompetenz wie die Jury ausgestattet sein. Und dann stelle sich die Frage, warum die Zweitbeurteilung besser sein sollte als die Erstbeurteilung oder wer das wiederum entscheidet. Es sei «gut und richtig», dass die Rekursstelle nur die formellen Kriterien prüfen kann, «weil es die Fachjury in ihrer Unabhängigkeit schützt», sagt sie.
Olivier Müller von der Heimat kann die Ablehnung des Gesuchs auch nach der Erklärung durch die Rekursstelle nicht nachvollziehen.
«Es wurde uns immer wieder gesagt, dass die soziokulturelle Relevanz ein massgebliches Kriterium sei für die Förderbeiträge. Die Heimat hat sich einen sehr diversen Mitarbeiter*innen-Kern und ein Standig in der Afro-, der Queer- und der Jugendkulturszene aufgebaut. Das wurde in der Absage sogar anerkannt.»
«Die Programmförderung hinterlässt den Eindruck, schlecht organisiert und mangelhaft geführt zu sein.»Olivier Müller, Heimat
Entsprechend sei das Musikprogramm vielfältig und diese Vielfältigkeit mache die Existenz des Clubs anspruchsvoll. Es sei viel einfacher zu existieren, wenn man sich auf ein Metier konzentrieren würde, so Müller. «Aber das ist die soziokulturelle Komponente, die die Heimat ausmacht. Zu sagen, dieses vielfältige Musikprogramm hat der Jury nicht gefallen, ist einfach unbegreiflich.»
Es ist Müller wichtig zu betonen, dass er trotz mehrfacher Anfragen bislang keine Antwort darauf erhalten habe, was konkret am Musikprogramm nicht förderungswürdig sei. Das ärgert ihn: «Die Last der Unklarheiten und die damit verbundene Arbeit sollten nicht einseitig auf uns abgewälzt werden. Stattdessen hätten wir erwartet, dass die Prozesse transparenter und die Kommunikation konstruktiver gestaltet werden.» Deshalb kritisiert Müller die Verantwortlichen hinter der Programmförderung. Sie scheine «schlecht organisiert und mangelhaft geführt zu sein», so Müller. Er stellt die Frage, ob ein alternatives Fördermodell nicht sinnvoller werde.
Das liebe Geld
Liest man die Antwortschreiben der Rekursstelle, fällt auf: Auch wenn sie den qualitativen Entscheid der Jury nicht prüfen kann, so geht sie dennoch darauf ein. Die Begründung der Jury für die Abweisung des Gesuchs lautet beim Nordstern und bei der Heimat gleich:
Die Ablehnung des Gesuchs basiere im Wesentlichen auf der Beurteilung der Kriterien «künstlerischer Anspruch des eingereichten Live-Programms» sowie «Kosten- und Finanzierungssituation, realistisches und plausibles Budget». Angesichts der begrenzten Fördermittel wolle man in dieser Ausschreibung Gesuchsteller*innen priorisieren, bei denen die Mittel eine grössere Wirkung und einen nachhaltigen Nutzen im Sinne der Ziele der Programmförderung entfalten können, heisst es weiter.
Neben der Beurteilung des Musikprogramms geht es also bei beiden Clubs auch um die finanzielle Lage – wenn auch aufgrund gegensätzlicher Tatsachen.
Nach der Krtik aus der Szene nahmen der Fachleiter Kommunikation Sebastian Schlegel und der Geschäftsleiter Alain Schnetz vom Musikbüro Stellung zu den Vorwürfen.
Im Bajour-Interview vom August sagten Alain Schnetz und Sebastian Schlegel vom Musikbüro bereits, dass der finanzielle Hilferuf der Heimat eher ein K.-o.-Kriterium sei. «Wenn die Heimat sagt, wir müssen zu machen, weil wir keine Fördergelder bekommen, müssen wir sagen, ja, das tut weh. Aber die Fördergelder sind nicht dafür da, so etwas zu verhindern, sondern dafür, dort, wo es finanziell unter gewissen Umständen funktioniert, zur Entspannung bei zu tragen», so Schlegel.
Dividenden sind ausschlaggebend
Beim Nordstern ist die Ausgangslage eine andere. Hier sind dem Vernehmen nach eher zu viele finanzielle Mittel vorhanden. Um weitere Enttäuschungen im Vorhinein abzuwenden, wurden die formellen Kriterien expliziter formuliert. Neu steht eindeutig geschrieben, dass nur Betriebe eingeben dürfen, die in den drei Jahren vor Gesuchstellung keine Dividenden ausgeschüttet haben.
Der Nordstern ist durch die neue Dividenden-Regelung ausgeschlossen. Er darf an der neuen – aktuell laufenden – Ausschreibung nicht mehr teilnehmen.
Für Dan Keller geht es ums Prinzip und nicht ums Geld: «Wir sind nicht von den Geldern aus der Clubförderung abhängig, aber die erste Vergabe hat Fragen aufgeworfen, die nun mit der neuen Regelung im Keim erstickt wurden», sagt er.
Die Unterstützung wäre wichtig gewesen, um die regelmässigen lokalen Formate zumindest kostendeckend weiterzuverfolgen. Diese seien zwar Minusgeschäft, aber die Förderung lokaler DJs liege dem Nordstern seit eh und je am Herzen, was sich auch in der Menge von lokalen Bookings niederschlage.
Auch wenn die Frage nach den massgeblichen künstlerischen Kriterien in diesem Prozess nicht beantwortet wurde, zeigt sich also, dass die finanzielle Lage – wenn nicht ausschlaggebend – zumindest richtungsweisend ist.