Einflussreicher als mancher Regierungsrat – Nachruf auf Hans Rudolf Gysin

Der frühere Baselbieter FDP-Nationalrat und Direktor der Wirtschaftskammer Baselland Hans Rudolf Gysin ist nach kurzer, intensiver Krankheit verstorben. Er wurde 82 Jahre alt.

Portrait von Hans-Rudolf Gysin, Direktor Wirtschaftskammer Baselland aus Basel, FDP Nationalrat des Kantons Basel-Landschaft, aufgenommen am 18. Dezember 2007 im Bundeshaus in Bern.
(Bild: KEYSTONE/Gaetan Bally)

Es gibt mächtige Menschen, welche qua ihres Amtes Einfluss haben. Etwa weil sie den Thron erben wie einst Queen Victoria oder gewählt werden wie die ehemalige Bundesrätin Simonetta Sommaruga.

Und dann gibt es Mächtige, welche es werden, weil sie andere Menschen mitreissen. Der Soziologe Max Weber beschrieb diese Art von Einfluss 1919 als «charismatische Herrschaft». 

Nach allem, was ich über Hans Rudolf Gysin weiss, gehörte er zu letzteren. Der grosse Gewerbevertreter ist mit 82 Jahren nach «kurzer, intensiver Krankheit gestorben», wie «Onlinereports» am Samstag aus Gysins Freundeskreis erfahren hat

Hans Rudolf Gysins Wirken wäre eine Biografie wert. In Bern, wo er das Baselbiet 24 Jahre als FDP-Nationalrat vertrat, galt sein Einfluss als gering. Doch als langjähriger Wirtschaftskammer-Präsident bestimmte Gysin die Baselbieter Politik stärker mit «als jeder amtierende Regierungsrat der letzten dreissig Jahre», wie Online-Reports-Gründer Peter Knechtli 2012 schrieb.

Er machte aus dem Gewerbeverband, den er 1968 «übernahm», die Wirtschaftskammer. Und verwandelte diese in eine regelrechte PR-Zentrale, von der aus er Initiative nach Initiative lancierte: «Eine Regierungspolitik gegen Gysin ist nicht denkbar, weil er mit seinen 10'000 Verbandsmitgliedern und gegen 20'000 Mitgliedern des Hauseigentümerverbandes die stärkere Mobilisierungsmacht auf sich vereinigt als alle bürgerlichen Parteien zusammen», so Knechtli

Gysin war massgeblich daran beteiligt, dass Grossprojekte wie die H 2 (A 22) zwischen Liestal und Pratteln oder die dritte Belchenröhre realisiert wurden. Er gründete eine verbandseigene AHV- und Familienausgleichskasse ebenso wie die kantonale Berufsschau und den Lehrlingsverbund. Angestellten gegenüber galt er als Patron, der sich für sie einsetzte. Der frühere Gewerkschaftsboss Daniel Münger nannte Gysin «einen der wenigen bürgerlichen Politiker, die noch wissen, was Sozialpartnerschaft ist».

Wer so mächtig ist, hat natürlich auch Kritiker*innen. Diese Stimmen lassen wir im heutigen Briefing aus Respekt schweigen. 

2012 übergab Gysin den Direktorenposten der Wirtschaftskammer an Christoph Buser, der einen ganz neuen Führungsstil pflegt. Aber das ist ein anderes Kapitel.

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Hier weil: Das Hobby meines Mannes finanziert sich nicht von alleine.

Davor: Chefredaktorin im Lokalmedium meines ❤️-ens (Bajour), TagesWoche (selig), Gesundheitstipp und Basler Zeitung

Kann: alles in Frage stellen

Kann nicht: es bleiben lassen

Liebt an Basel: Mit der Familie am Birsköpfli rumhängen und von rechts mit Reggaeton und von links mit Techno beschallt zu werden. Schnitzelbängg im SRF-Regionaljournal nachhören. In der Migros mit fremden Leuten quatschen. Das Bücherbrocki. Die Menschen, die von überall kommen.

Vermisst in Basel: Klartext, eine gepflegte Fluchkultur und Berge.

Interessensbindungen:

  • Vorstand Gönnerverein des Presserats
  • War während der Jugend mal für die JUSO im Churer Gemeindeparlament. Bin aber ausgetreten, als es mit dem Journalismus und mir ernst wurde.

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