Alles spricht für Arslan – ausser die grüne Strategielosigkeit
Den frei werdenden SP-Sitz im Basler Regierungsrat angreifen, oder abwarten bis zur Gesamtwahl? Die Grünen stehen in Basel vor dem gleichen Dilemma wie unlängst auf nationaler Ebene. Versemmeln sie wieder ihre Chance? Eine Einschätzung.
Nach der Wahl ist vor der Wahl. Seit klar ist, wer die Nachfolge von Bundesrat Alain Berset antreten soll, dreht sich das Kandidat*innenkarussell am Rheinknie auf Hochtouren. Wer übernimmt das Präsidialdepartement von Beat Jans, wenn es ihn kommendes Jahr nach Bern zieht? Die Ersatzwahl ist in zweieinhalb Monaten. Anfang März. Bisher wurden vor allem SP-Kandidat*innen genannt, allen voran die ehemalige Grossrätin Salome Hofer. Die BaZ handelt sie als Favoritin. Hofer selbst hat sich zu einer möglichen Kandidatur noch nicht geäussert.
Dabei rückt ein wenig in den Hintergrund, dass auch die Grünen Anspruch auf einen Sitz in der Regierung hätten; sie stellen immerhin 13 Sitze im Grossen Rat, die Basta ihrer 5.
Den Sitz im Regierungsrat mussten die Grünen nach der letzten Wahl abgeben. Die grüne Regierungsrätin Elisabeth Ackermann hatte während ihrer Amtszeit nicht gerade brilliert, um es milde auszudrücken. Doch Basel verfügt über eine mehr als solide ökologisch orientierte Wählerbasis. An den eben vollzogenen Nationalratswahlen gaben 17,1 Prozent der Wähler*innen der Kandidatin vom Bündnis aus Grünen und Basta ihre Stimme und schickten Sibel Arslan nach Bern. Man muss keine Prophetin sein, um zu behaupten: Würde Arslan den frei gewordenen SP-Sitz von Jans angreifen, würde sie ihn bekommen.
Arslan wäre zweifelsfrei eine gute Vertreterin im Präsidialamt. Sie steht für eine weltoffene Stadt, ist zudem eine Frau und hat Migrationshintergrund, womit sie alleine in Basel knapp 40 Prozent der Bevölkerung vertreten würde. Was will man also mehr? Mit ihrem Rucksack könnte die gelernte Juristin die unglückliche Vergangenheit ihrer Vorgängerin locker auswetzen.
Die Chance auf einen Sitz in der Regierung ist oft auch eine Frage des Momentums. Und wenn sich da jemand schwer tut, ist es die Schweizer Ökopartei.
Als auf nationaler Ebene die damalige Parteipräsidentin Regula Rytz erst Wochen nach den höchst erfolgreichen Wahlen 2019 erklärte, doch noch für den Bundesrat kandidieren zu wollen, war die Euphorie ob des langen Herumgedruckse bereits verpufft. Eine verlorene Wahl später scheint der grüne Sitz im Bundesrat ferner denn je.
Dass die SP den Grünen Freiburger Gerhard Andrey bei den jüngsten Bundesratswahlen nicht unterstützt hatte, sorgte bekanntlich für viel Trubel und Kritik. Der Grünen-Parteipräsident Balthasar Glättli sagt, die SP habe ihre Seele an ein Machtkartell verkauft. Die Grünen müssten nun auch keine Rücksicht mehr nehmen. Gilt dies auch für die lokale Ebene? Könnte man durchaus so sehen.
Die Angst vor Retourkutschen bei einem allfälligen Angriff des SP-Sitzes durch die Basler Grünen und/oder Basta wäre freilich gerechtfertigt, doch Risiko gehört nun mal zum politischen Geschäft dazu.
Die Grossratswahlen stehen im kommenden Herbst 2024 an. Und zu diesen treten die beiden Parteien auf Wunsch der Grünen zum ersten Mal getrennt von der Basta an. Seit der Listentrennung scheinen die parteipolitischen Befindlichkeiten wieder zuzunehmen, was die exekutive Sache zusätzlich verkompliziert. Es geht nicht nur um einen Angriff auf einen SP-Sitz, sondern auch um eine Profilierungshoheit zwischen den beiden grünen Parteien. Die Grünen möchten ihre eigenen Kandidat*innen pushen – und zeigen hinter vorgehaltener Hand wenig Freude an einer Basta-Arslan (was aber explizit nicht heissen soll, dass man «ihre Arbeit in Bern nicht schätzen würde»).
Dabei könnten beide Seiten von einer Arslan-Wahl profitieren: Würde die Basta-Frau in die Basler Regierung gewählt, würde die Grüne Jo Vergeat im Nationalrat nachrücken. Die Grünen/Basta könnten im Herbst immer noch dafür sorgen, dass die SP ihren dritten Sitz zurückbekommt, den es für die rot-grüne Regierungsmehrheit bräuchte. Mit Arslan als Zugpferd und Königsmacherin.
Diese rot-grüne Regierungsmehrheit ist – spricht man mit der Basler Grünen Präsidentin Raffaela Hanauer – das eigentliche Ziel fürs kommende Jahr. Auch, um die Klimaziele wirklich vorwärts zu bringen.
Während die Co-Präsidentin der Basta, Sina Deiss, gegenüber Bajour bestätigt, dass ihre Partei – auch weiterhin – nicht zur Verfügung stehen wird für die Jans-Ersatzwahlen, klingt Hanauer für die Grünen weniger abgeneigt: «Diese Ersatzwahl ist kurz vor der Gesamterneuerungswahl im Oktober. Klar ist für uns jetzt schon: Nach diesen beiden Wahlen wollen wir wieder in der Regierung sein. Aber es braucht auch eine sozial-grüne Mehrheit, um die Klimaziele sozialgerecht umzusetzen, und dafür neben einem grünen Sitz auch drei SP Sitze. Ob eine Kandidatur bei der Ersatzwahl nun zielführend ist, werden wir prüfen. Dazu laufen zurzeit die internen Prozesse.»
«Es braucht eine sozial-grüne Mehrheit, um die Klimaziele sozialgerecht umzusetzen»Raffaela Hanauer, Co-Präsidentin der Basler Grünen
Bei aller Zurückhaltung: Es dürfte ohnehin unklar sein, wie lange Sibel Arslan sich dem engen Korsett der Basta noch hingeben wird. Sie ist als loyale Person bekannt. Und weiss wohl ganz genau, dass ihre Partei, die Basta, im Herbst 2024 Schaden nehmen würde, wenn sie einen Wechsel zu den Grünen in Betracht zöge. Aber: Es ist aus der Vergangenheit auch bekannt, dass Arslan einem Exekutivamt nicht abgeneigt wäre. Bereits 2020 war Arslan kurz davor, in die Lücke zu springen und für die Linke im zweiten Wahlgang zu kandidieren.
Den Grünen und der Basta ist demnach zu raten, sich parteistrategisch einen Ruck zu geben. Denn, ganz ehrlich: Es gäbe aus Sicht der Ökoparteien nichts Dümmeres, als Arslan aus Ego-Gründen auszugrenzen und es ist schon fast ein strategisches Kunststück, mit so einer breiten Grünen Wählerschaft NICHT im Regierungsrat vertreten zu sein. Wenn die Basler Grünen erneut aus Gründen der Egopflege den Regierungsratssitz versemmeln, weil sie sich nicht hinter ein bekanntes Zugpferd stellen möchten, haben sie jeden Regierungsanspruch verwirkt.
Persönliche Befindlichkeiten sollten also zumindest für einmal ausgeklammert werden. Zur Erinnerung oder vielleicht gar zur Vorwarnung: Regierungsratswahlen sind Persönlichkeitswahlen.
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