Baschi Dürr ist jetzt Telebasel-Moderator. Und alle finden’s toll

Ein früherer Spitzenpolitiker als Moderator einer Polit-Sendung. Ist das noch glaubwürdig? Eine Medienkritik.

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Baschi Dürr (rechts) mit seinen Gäst*innen Conradin Cramer, Anita Fetz und Markus Somm. (Quelle: Screenshot TeleBasel Talk)

Baschi Dürr, der Alt-Regierungsrat (FDP) befragte am Sonntagabend alte Freunde und Weggefährten zur politischen Aktualität. Als Erster zu nennen wäre Dürrs Freund und Ex-Regierungskollege Conradin Cramer. Die Alt-Ständerätin Anita Fetz (SP) und der Ex-BaZ-Chefredaktor Markus Somm waren auch da. Das Setting: Ein Fernsehstudio. Dürr moderiert jetzt einmal im Monat den Telebasel-Talk, die politische Flaggschiffsendung des Lokalsenders. Die Themen am vergangenen Sonntag: Die Atomkraft, die Primateninitiative, die Fasnacht.

Die Medien lobten den Auftritt. Dürr sei es gelungen, «das Gespräch am Laufen und das Publikum bei der Stange zu halten», stand in der BaZ. Auch in den Sozialen Medien war der Tenor wohlwollend. Einzig Online-Reports übte leise Kritik.

Das ist eigenartig: Da soll ein ehemaliger Spitzenpolitiker, der als Justiz- und Sicherheitsdirektor bis zur Abwahl 2020 medial und politisch unter Dauerbeschuss stand, das politische Flaggschiff des Lokalsenders steuern. Und die Journalist*innen, die den Politiker Dürr unlängst mit kritischen Fragen konfrontierten, begrüssen den Moderatoren Dürr mit Lob? 

Was bedeutet der Rollenwechsel für die journalistischen Glaubwürdigkeit von Telebasel?

Oberste Währung für journalistische Medien ist ihre Unabhängigkeit. Das ist auch der Grund dafür, dass viele journalistische Medien ihren Mitarbeitenden untersagen, ein politisches Amt zu übernehmen. Ein*e Journalist*in muss unabhängig sein, um den Mächtigen auf die Finger zu schauen. Politiker*innen wollen die Macht haben. 

Beides gleichzeitig, die Unabhängigkeit und die Macht, das geht nicht. 

«Bei Baschi Dürr ist die Unabhängigkeit nicht gegeben.»

Bei Baschi Dürr ist diese Unabhängigkeit nicht gegeben. Der letzte Auftritt als Regierungsrat ist etwas mehr als ein Jahr alt. Er war es, der den aktuellen FDP-Präsidenten Johannes Barth ins Spiel brachte. Und Dürr wird als nächster Nationalratskandidat der Basel-Städtischen FDP gehandelt.

Dürr hat sich bisher auch nicht aus dem Rennen genommen. So sagt er am Tag nach der Sendung zu Bajour: «Meine politische Zukunft ist offen.» Dass er dereinst als Nationalratskandidat ins Rennen steigt, sei nicht ausgeschlossen, aber mit seinem Engagement als Telebasel-Moderator habe das nichts zu tun. «Ich wurde angefragt, der Job hat mich gereizt». Der Aufwand sei neben seiner hauptberuflichen Tätigkeit als CEO des Arealentwicklers uptown Basel vertretbar. 

«Als Moderator für keine Seite Partei beziehen»

Solange kein politisches Mandat im Raum steht, solange sieht Dürr kein Problem mit dem Rollenwechsel. «Wenn ich ein politisches Mandat innehätte, oder beim Kanton arbeitete, dann könnte ich nebenher nicht als Moderator für ein Medium arbeiten», sagt Dürr. 

Ausserdem werde er als Moderator der Sendungen für keine Seite Partei beziehen.

«Mein Job ist zu schauen, dass alle Argumente zu Sprache kommen und bei zu viel Einigkeit kritisch nachzuhaken. Darum habe ich gestern auch bei der Primateninitiative, bei der sich alle Gäste relativ einig waren, die Argumente der Initianten eingenommen.» 

Dieser Ausgleich mag ihm auch in künftigen Sendungen gelingen. Vor seiner Karriere in der Politik hat Dürr als Radiojournalist und Kommunikationsberater gearbeitet. 

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Als erfahrener Politiker weiss Dürr aber ganz genau: In dem Moment, in dem er öffentlich als Nationalratskandidat gehandelt wird, wird er als solcher wahrgenommen. Das Zeichen, dass hier nach aussen gesendet wird, ist also: Hier moderiert ein Freisinniger, der vielleicht bald wieder Wahlkampf macht. Und dafür weiterhin Deals mit langjährigen Freund*innen und Konkurrent*innen wie LDP-Politiker Conradin Cramer schliessen muss. Telebasel gibt ihm einmal pro Monat bezahlte Bildschirmzeit.

TeleBasel-Chefredaktor Philippe Chappuis sagt auf Anfrage, er habe die erste Sendung mit Baschi Dürr als «gelungenen Einstand» gesehen. «Baschi Dürr hat für eine anregende Diskussion gesorgt und dafür, dass richtige und relevante Argumente ausgetauscht werden», sagt Chappuis. Der persönliche Standpunkt Dürrs habe in der Diskussion keine Rolle gespielt.

«Ein ‹Sie› wäre irgendwie unglaubwürdig.»

TeleBasel-Chefredaktor Philippe Chappuis

Vor der Sendung habe man debattiert, ob Dürr die Gäste duzen sollte, oder beim förmlichen Sie bleibt. Man habe sich für das Du entschieden, da die Zuschauer*innen ohnehin wüssten, dass Baschi Dürr mit vielen der (künftigen) Gäste zusammengearbeitet hat, sagt Chappuis. «Ein ‹Sie› wäre da irgendwie unglaubwürdig.» 

Chappuis sagt, es könne in Zukunft sein, dass bei bestimmten Themen oder Gästen abgewogen werden müsse, ob Dürr der richtige Moderator sei – oder ob jemand anderes aus dem vierköpfigen Team die Sendung übernehme. Die Redaktion werde das aber für den konkreten Fall beurteilen. Der Sender bestätigt ausserdem, dass eine klare Abmachung existiert: «In jenem Moment, in dem sich abzeichnet, dass Baschi Dürr zurück in die Politik kehren möchte, würde er als Moderator aufhören», schreibt Telebasel-Chefredaktor Chappuis. 

Dass ein möglicher Nationalratskandidat als Moderator heute schon die Unabhängigkeit der Polit-Sendung infrage stelle, das glaube er nicht, sagt Chappuis.

Baschi Dürr, dem freisinnigen Politiker, kann das recht sein. Aber von einer journalistischen Redaktion sollte man mehr Unabhängigkeit erwarten dürfen.

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