Die GAV-Verhandlungen am Theater Basel stocken
Am Dienstagabend haben technische Mitarbeiter*innen des Theater Basel im Foyer Public protestiert. Seit einem Jahr verhandeln sie mit der Theaterleitung einen neuen Gesamtarbeitsvertrag. Jetzt appellieren sie ans Publikum.
Eine Protestaktion der technischen Mitarbeiter*innen des Theater Basel empfing am Dienstagabend die Besucher*innen der Oper «Carmen» in der Pause. Sie spannten ein grosses Transparent über die ganze Breite der Treppe im Foyer und appellierten in einer kurzen Rede an die cüplitrinkenden Zuschauer*innen.
Die Mitarbeitenden befinden sich mitten in Verhandlungen für einen neuen Gesamtarbeitsvertrag (Bajour berichtete). Zu ihren zentralen Forderungen gehören höhere Löhne,eine Verbesserung der Wochenarbeitszeit und eine «generelle Reduktion» der Arbeitslast.
Das Theater gehe zu wenig auf ihre Forderungen ein, erzählten zwei Mitarbeitende, deshalb hätten sie sich entschieden, auf diesem Weg auf ihre Anliegen aufmerksam zu machen.
Während manche Besucher*innen unbeirrt den Weg Richtung Bar fortsetzten, griffen andere zu den Flyern mit den Anliegen des technischen Personals, lauschten der kurzen Rede aufmerksam. Auch Applaus gab es. «Es ist wichtig, dass man das überhaupt mal erfährt», sagte eine Frau nach der Aktion zu Bajour. Eine weitere Theaterbesucherin erklärte, sie fände es richtig, dass die Mitarbeitenden sich wehren.
Seit rund einem Jahr wird am Theater Basel ein neuer Gesamtarbeitsvertrag (GAV) für die technischen Mitarbeitenden verhandelt. An den offenen Verhandlungen sind 36 Vertreter*innen der verschiedenen Bereiche als gewählte Delegierte direkt involviert – und nicht wie häufig «nur» ein*e Gewerkschaftsfunktionär*in als Stellvertretung für die Mitarbeitenden. Bajour berichtete:
Man merkt es der Aktion deutlich an: Die Theatermitarbeiter*innen sind unzufrieden. Das bestätigt auch ein Gespräch im Vorfeld der Aktion. Aus Angst vor Konsequenzen möchten die Mitarbeiter*innen, mit denen Bajour gesprochen hat, nicht mit Namen und Gesicht in den Medien auftreten. Sie sagen, 36 Vertreter*innen des Personals hätten in den Verhandlungen der letzten Monate zahlreiche Vorschläge zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen gemacht. Eigentlich hätte man sich bis vor der Sommerpause in den inhaltlichen Forderungen finden wollen. «Davon sind wir nun aber weit entfernt.»
Kein Kompromiss in Sicht
«Wir bekommen für unseren Einsatz zu wenig Respekt und zu wenig Anerkennung», sagt ein*e Mitarbeiter*in zu Bajour. So wie die Verhandlungen jetzt laufen, sehe es aus, als würden die Verantwortlichen die Probleme «einfach aussitzen» wollen. «Die Theaterleitung kommt uns bei den Hauptforderungen nicht entgegen», sagt auch Alex Aronsky, Verhandlungsführer*in von Seiten der Gewerkschaft VPOD. Gleichzeitig mache die Theaterleitung keine für das Personal annehmbaren Vorschläge, denen man sich mit einem Kompromiss annähern könne.
«Wenn das so weiter geht, sind die Verhandlungen bis Ende Jahr nicht abgeschlossen», sagt Aronsky. Und dann müssen die Mitarbeiter*innen mindestens noch ein Jahr auf einen neuen GAV warten.» Es brauche die Verbesserungen aber jetzt. «Wir fordern, dass die Verhandlungen nach der Sommerpause im gleichen Format und schnell vorwärts gehen. Dass sich die technischen Mitarbeitenden in so einer Aktion an die Öffentlichkeit wenden, ist ein Hilfeschrei», sagt Aronsky.
Genaueres über den Inhalt oder den Stand der Verhandlungen können weder Aronsky noch die Mitarbeitenden sagen. Dazu haben sie sich gegenüber der Theaterleitung verpflichtet. Die Mitarbeitenden können aber sagen, wie es ihnen geht. «Ich liebe meinen Job, aber mittlerweile muss ich es mir leisten können, am Theater zu arbeiten», sagt eine Person. Eigentlich hätten sie eine 42-Stunden-Woche. Doch Wochen mit über 50 Arbeitsstunden seien keine Seltenheit. «Wir arbeiten zu lange am Stück, machen viele Überstunden und haben zu wenig Ruhezeit. Und während die Anforderungen an Theaterproduktionen immer weiter steigen, bleibt unser Lohn gleich.»
«So läuft es nun mal im Theater»
Wenn die Mitarbeiter*innen die Theaterleitung mit ihrer Arbeitsrealität konfrontieren, würden sie oft hören: «So läuft es nun mal im Theater.» Diese Reaktion frustriere. Es gebe strenge Phasen in so einem Betrieb, das würden alle Mitarbeitenden bewusst in Kauf nehmen. «Aber früher gab es nach strengen Phasen wieder ruhigere Zeiten. Wir konnten mal einen Nachmittag frei nehmen, um uns zwischendurch zu erholen.» Mittlerweile sei es von August bis Ende Juni streng. «Es ist keine Phase mehr.»
Hinzu komme, dass das Theater unter Spardruck steht. «In einem Punkt sind wir uns mit der Leitung einig: Wir alle wollen die Qualität am Theater Basel erhalten.» Gespart werde deshalb beim Personal – das sowieso schon am Limit sei. «So wie es aktuell läuft, wird es das Theater in fünf bis zehn Jahren in der jetzigen Form nicht mehr geben», sagt ein*e Mitarbeiter*in zu Bajour. «Wir fordern, dass uns die Leitung mit dem vorhandenen Geld angemessen entlöhnt und Erholungszeit ermöglicht. Mit dem Rest kann das Theater das Programm auf die Bühne bringen, wofür die Stadt bereit ist zu zahlen.»
Die heutige Protestaktion stimme sie hoffnungsvoll, sagen die Mitarbeitenden. «Die Leute müssen merken, dass wir nicht still sind.»
Theaterleitung nimmt Stellung
Bajour hat die Theaterleitung mit den geäusserten Vorwürfen konfrontiert. Sie legt Wert darauf, dass ihre Stellungnahme ohne Kürzung oder Abänderung zusammenhängend veröffentlicht wird.
«Seit dem letzten Jahr verhandelt das Theater Basel mit den Sozialpartnern über den Gesamtarbeitsvertrag (GAV) für den technischen Bereich. Das gemeinsame Ziel eines neuen GAV-Technik am Theater Basel bis Spielzeitende 23/24 wurde leider nicht erreicht. Geplant war durch ein neuartiges, partizipatives, aber ressourcenintensives Format mit 19 Verhandlungstagen à 4 Stunden eine Einigung für beide Seiten zu finden. Die Theaterleitung ist weiterhin gerne verhandlungsbereit und hat den Gewerkschaften ein entsprechendes Angebot gemacht. Dieses sieht vor, dass temporär ein traditionelleres GAV-Verhandlungsformat mit partizipativem Element genutzt wird. Das substanzielle Angebot, welches auf Kernforderungen der Mitarbeitenden eingeht, bleibt dabei weiterhin bestehen. Wir sind weiterhin überzeugt und bestrebt eine einvernehmliche Lösung zu finden, die alle Bedürfnisse berücksichtigt.»
Ob die Teilnahme an der Aktion Konsequenzen für die Mitarbeiter*innen hat, beantwortet die Theaterleitung auf Nachfrage von Bajour nicht.
Für Aronsky vom VPOD ist indes klar: «Das Verhandlungsformat steht nicht zur Diskussion. ‹Partizipative Elemente› sind weit vom Konzept der offenen Verhandlung entfernt. Wir fordern echte Partizipation.»