Basler Gewerkschaften im Machtkampf

Nach dem 1.Mai ruhen alle Augen auf der SP. Doch auch unter den Gewerkschaften gibt es Streit. Der nationale Gewerkschaftsbund versucht zu schlichten.

Vertreter der Gewerkschaft UNIA bewegen sich durch Basel am Montag, 1. Mai 2017
Alle hinter einem Banner: Vpod, Unia und Syndicom am 1.Mai 2017 (Bild: Keystone/ Georgios Kefalas)

Nach dem 1.Mai hörte man 10 Tage lang fast nichts von SP-(Co)-Präsidentin Lisa Mathys*.

Von einem hat man bis heute gar nichts gehört: dem Gewerkschaftsbund. Als Demonstrant*innen am 1. Mai letztes Jahr Scheiben einschlugen, stand der damalige Co-Präsident des Gewerkschaftsbundes, Benjamin Plüss, nachher vor die diversen Basler Medien.

Und dieses Jahr? Nichts. Denn: Es gibt keinen Basler Präsidenten mehr, Benjamin Plüss hat sein Amt letzten Herbst niedergelegt. Warum, will er auf Anfrage nicht sagen. Seit seinem Rücktritt ist die Funktion vakant. Und ob der Vorstand überhaupt noch Legitimation hat, da herrschen unter Gewerkschafter*innen unterschiedliche Meinungen.

«Der SGB ist an einer Schlichtungsphase beteiligt.»
Benoît Gaillard, Pressesprecher

Um die Machtverteilung im Gewerkschaftsbund ist wieder einmal Streit entbrannt. Im Zentrum steht offenbar die Unia, sagen mehrere Quellen aus unterschiedlichen Gewerkschaften hinter vorgehaltener Hand. Die Unia lasse die anderen Gewerkschaften gerne spüren, dass sie die grösste Gewerkschaft mit den meisten Mitgliedern sei. 

Der Konflikt ist unter den Linken bekannt. Ob man mit lokalen oder nationalen Politiker*innen oder Gewerkschafter*innen telefoniert: Sie verdrehen hörbar die Augen. Die Fronten sind so verhärtet, dass sich der nationale Gewerkschaftsbund zum Vermitteln eingeschaltet hat. Pressesprecher Benoît Gaillard bestätigt per SMS: «Der SGB ist an einer Schlichtungsphase beteiligt.» Mehr sagt er nicht.

Auslöser für den Konflikt in Basel war die Pensionierung der bisherigen Geschäftsführerin. Daraufhin habe die Unia den Anspruch gestellt, die Geschäftsstelle selbst auszurichten. Anderen Gewerkschaften passt das scheinbar nicht, sie wollen gemäss Aussagen lieber eine unabhängige Geschäftsstelle. Dazu kommt die bikantonale Zusammenarbeit zwischen den Gewerkschaftsbünden beider Basel, die man in den letzten Jahren verstärkt hat (siehe Box). Auch hier gibt es Diskussionen, ob man noch näher zusammenrücken soll oder nicht.

Mächtig wie Hubacher

Je nachdem, wie man den Gewerkschaftsbund aufstellt und wen man in der Leitung installiert, ist das ein relevanter Player in der Politik mit Einfluss. Man erinnere sich an Helmut Hubacher, der 19 Jahre lang Sekretär des Basler Gewerkschaftsbundes war. Oder national an Paul Rechsteiner, den langjährigen, mächtigen Präsidenten des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes. Auch Toya Krummenacher war eine sehr präsente und starke Gewerkschaftsbundpräsidentin.

Gewerkschaftsbund – was?

Ähnlich wie der Gewerbeverband bei den KMU vertritt der Gewerkschaftsbund die gemeinsamen Interessen der verschiedenen Arbeitnehmer*innen und lanciert Kampagnen. Theoretisch gibt es zwei regionale Gewerkschaftsbünde, einen in Basel-Stadt und einen in Basel-Landschaft. Die beiden arbeiten jedoch eng zusammen und haben dieselben Statuten und einen gemeinsamen Vorstand mit Co-Präsidium. Die Sitze sind nach Mitgliederzahlen der Gewerkschaften verteilt, vertreten sind garaNto /Nautilus, Sev, Syndicom, Unia, Vpod. Während das Co-Präsidium der Basler Sektion vakant ist, ist Andreas Giger-Schmid für das Baselland nach wie vor im Amt.

Konflikte zwischen den Gewerkschaften gibt es immer wieder. Und auch Vorwürfe gegen die regionale Unia wurden in der Vergangenheit laut. So hat die BaZ im September 2022 über die vielen Stellenwechsel bei der Gewerkschaft berichtet. Und bereits im Jahr 2021 flammte der Streit zum dümmsten Zeitpunkt auf: Während des Abstimmungskampfes über den Mindestlohn. Damals gaben Unia und Gewerkschaftsbund eine andere Parole heraus als der Vpod und die SP, welche nicht nur die Initiative, sondern auch den Gegenvorschlag empfahlen, wie das SRF Regionaljournal berichtete. Die Abstimmung endete trotzdem im Erfolg: Die Bevölkerung nahm den Mindestlohn von 21 Franken an (Gegenvorschlag).

Interessant: Eigentlich hat der Gewerkschaftsbund durchaus noch einen Co-Präsidenten: den Unia-Gewerkschaftler Andreas Giger-Schmid. Er vertritt den Baselbieter Gewerkschaftsbund, fungiert theoretisch aber als Co-Präsident beider Gewerkschaftsbünde. Doch nach dem 1. Mai hat man von ihm nichts gehört. Stattdessen kommunizierte das 1.-Mai-Komittee, in Person von Toya Krummenacher und Nicola Goepfert vom vpod sowie Lucien Robischon von der Unia. Andreas Giger-Schmid schreibt Bajour dazu, der Gewerkschaftsbund sei Mitglied des 1. Mai Komitees.

Regionale Solidarität

Zum Konflikt will sich die Unia nicht äussern. «Unsere Werte und Grösse zeigen sich nicht nur in Zahlen, Kampagnen, Taten und Ereignissen, sondern auch darin, dass wir politische und gewerkschaftliche Ideale leben. Nämlich durch Solidarität, Kollegialität und kämpferische Unterstützung für die Arbeitnehmenden», schreibt Lucien Robischon von der Unia auf Anfrage.

Nicola Goepfert bestätigt im Namen des Vpod, dass sich die Mitgliedsorganisationen der kantonalen Bünde darüber Gedanken machen, wie die Vereinsstrukturen, also die Gremien und Geschäftsstelle, zukünftig ausgestaltet werden sollen und dass das Präsidium in Folge vakant sei. «Dass sich dabei nicht von vornherein alle Organisationen einig sind, liegt in der Natur der Sache und gehört zu so einem Prozess dazu.» 

Auch die Beziehung zwischen Gewerkschaften und SP ändert sich immer wieder. Wie gut das Verhältnis ist, auch darüber gibt es unterschiedliche Meinungen.

Trotz Solidarität: Politik ist und bleibt ein Machtkampf. Man streitet sich. Und verträgt sich wieder.

*In der Originalausgabe dieses Artikels stand, es habe 10 Tage gedauert, bis die SP-Führung in Person von Lisa Mathys einen Kommentar zum 1.Mai abgab. Statt dass die Präsidentin sich den Medien stellte, kommunizierten vor allem die Vizepräsidenten und andere Sozialdemokrat*innen, Mathys lehnte etwa Anfragen der BaZ ab. Bajour ist dabei jedoch entgangen, dass Mathys in einem Telebaselbeitrag auf die Grundrechte und eine laufende interne Aufarbeitung verwies. Daher haben wir diese Passage präzisiert. Bajour dankt der SP für den Hinweis.

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Kann nicht: es bleiben lassen

Liebt an Basel: Mit der Familie am Birsköpfli rumhängen und von rechts mit Reggaeton und von links mit Techno beschallt zu werden. Schnitzelbängg im SRF-Regionaljournal nachhören. In der Migros mit fremden Leuten quatschen. Das Bücherbrocki. Die Menschen, die von überall kommen.

Vermisst in Basel: Klartext, eine gepflegte Fluchkultur und Berge.

Interessensbindungen:

  • Vorstand Gönnerverein des Presserats
  • War während der Jugend mal für die JUSO im Churer Gemeindeparlament. Bin aber ausgetreten, als es mit dem Journalismus und mir ernst wurde.

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