Die Zeitlose
Die Galerie Stampa am Spalenberg ist seit der ersten Ausgabe der Art Basel Teil der Kunstmesse. Das Gründungspaar blickt zurück, übt Kritik, aber denkt nicht ans Aufhören.
Vor dem Beginn der Art Basel am 13.6. wirft Bajour einen Blick auf verschiedene Basler Galerien. Auch wenn wir nicht alle zeigen können, möchten wir einen kleinen Einblick in die Welt der Galerist*innen geben. Unsere Galerienschau macht halt in der Galerie Stampa in der Innenstadt.
Eigentlich ist die Galerie Stampa keine Galerie, sondern ein kultureller Treffpunkt. So lautete zumindest die Idee des Gründungspaars Gilli und Diego Stampa, als sie sich 1968 in die Räume am Spalenberg 2 einmieteten und diese im Jahr darauf dem Publikum öffneten.
Die beiden kommen ursprünglich nicht aus Basel. Besonders bei Diego Stampa ist der Bündner Akzent stark herauszuhören. Kennengelernt haben sie sich hier, während sie als Biologin arbeitete und er als Chemiker. «Wir kamen nicht von der Kunst direkt, aber waren sehr kunstinteressiert», erklärt Gilli Stampa.
Beide waren damals Anfang zwanzig und für sie stellte sich die Frage: «Wie wollen wir unser Leben gestalten?» Ihre Antwort lautete: «Es wäre schön, wenn wir einen kulturellen Ort erschaffen könnten.» Dabei sei es um eine Galerie mit allen künstlerischen Medien einschliesslich Buchhandlung gegangen, meint Gilli Stampa. Ihr Mann erinnert sich: «Am Tag arbeiteten wir und am Abend gingen wir in die Stadt, aber wir konnten ja nicht jeden Abend in die Beiz. Dann hatten wir die Idee, hier einen Ort zu schaffen, wo man sich treffen kann. So ergaben sich Kontakte mit Künstler*innen aller Sparten und kulturinteressierten Menschen.»
Damals sei die Ecke Schneidergasse/Spalenberg zum Abriss verlottert gewesen, erzählt Gilli Stampa. «Man wollte eine Talentlastungsstrasse hierdurch bauen. Die wurde gottseidank abgelehnt. Dadurch waren hier aber günstige Räume zu haben und so hat sich im Nu eine ganze Subkultur angesiedelt.»
Die Galerie habe von Beginn an ein kulturpolitisches Konzept gehabt, so Diego Stampa. «Wir haben nicht einfach fünf Bilder aufgehängt und gewartet, bis jemand kommt und etwas kauft.»
Das Paar erinnert sich an eine Gesprächsrunde aus der Anfangszeit, als das Zivilverteidigungsbuch Wellen schlug. «Das war ein rotes Büchlein, das in der ganzen Schweiz in jeden Haushalt kam und schon eher rechtslastig war.» Genauer habe sie es nicht mehr in Erinnerung, meint die Galeristin. «Es ging auf jeden Fall ein Aufschrei durch die Nation. Wir haben dann eine Veranstaltung gemacht, an der Adolph Spalinger, Schauspieler des Stadttheater, aus dem Buch las. Da kam die versammelte Offiziersgesellschaft an den Anlass.» Sie hätten die Stühle besetzt «und uns kontrolliert», kann sich Diego Stampa erinnern. «Das hat schon für Aufruhr gesorgt.»
Ein wichtiger Teil dieses kulturellen Treffpunkts war auch die Buchhandlung, die heute noch im hinteren Teil der Galerie besteht. Die riesige, leicht chaotische Auswahl an Büchern lässt vermuten, was die Stampas in ihren 55 Jahren als Galerist*innen erleben durften.
Als 1970 zum ersten Mal die Art Basel stattfand, waren sie mit dabei. «Im letzten Moment wurden wir noch eingeladen. Wir hatten gerade frisch eröffnet und die Organisatoren sagten sich: Das muss rein. Das ist jetzt die Zukunft.» Gilli Stampa blickt zurück: «Mal ist man die Zukunft, mal die Vergangenheit. Wir haben alle Phasen mitgemacht.» Sie ergänzt: «Wir hatten das Privileg, dass wir noch wachsen durften. Heute kannst du nicht mehr wachsen. Es macht zack und dann muss dich die ganze Welt kennen.»
Heutzutage herrsche in der Kunstwelt mehr Konkurrenzdenken, kritisiert Gilli Stampa. Der Kunstmarkt sei vollkommen kommerzialisiert. «Auch durch die vielen Messen, die es mittlerweile gibt.» Sie nimmt auch das «Grossunternehmen» Art Basel in die Pflicht.
«Früher bedeutete uns die Art viel», räumt Gilli Stampa ein. «Das war wirklich eine tolle Atmosphäre. Die Messe hatte eine kulturelle Bedeutung. Man hat sich ausgetauscht mit den Galeristen, die von überall herkamen. Man war sich wohlgesinnt und hat sich dafür interessiert, was die anderen machen.» Das habe sich stark verändert. «Wir hatten zum Beispiel eine Zeit lang amerikanische Galerien neben unserem Stand. Die haben nicht mal ‹Grüezi› gesagt.»
Stampa ist dieses Jahr dennoch einmal mehr an der Art Basel vertreten. Dieser fern zu bleiben, scheint nicht wirklich eine Option zu sein, auch wenn Diego Stampa meint: «Das überlegen wir uns für die nächsten Jahre.» Die Messe scheint schlichtweg zu wichtig – auch in der Geschichte der Galerie, die seit der Gründung bisher jedes Jahr dabei war.
Passend zur Art-Woche haben die Stampas eine neue Ausstellung kuratiert und eröffnet. «Projects 8: Einzel-Werke» zeigt sowohl alte Stücke aus der hauseigenen Sammlung wie auch neuere Werke. «Eine Videoarbeit ist zum Beispiel ganz neu», erklärt Gilli Stampa, als sie durch die verschiedenen Räume führt. Die Werke von Miriam Cahn seien hingegen aus dem Fundus. Sie stehen grundsätzlich alle zum Verkauf, erklärt die Galeristin.
Dennoch zeigt sie sich wählerisch, wenn es ums Loslassen eines Werks geht. Nicht zuletzt auch wegen des kommerzialisierten Kunstmarkts. «Uns ist wichtig, dass die Kunst an einen möglichst guten Ort kommt, am besten in ein Museum oder in eine gute Sammlung. Dann ist es auch ein wenig geschützt vor dem Markt.»
Trotz der vielen Kritik scheinen die beiden Galerist*innen vor allem eines zu sein: stolz. Das merkt man immer wieder, wenn sie von Künstler*innen erzählen, die einst in der Galerie am Spalenberg ausstellten und mittlerweile weltberühmt sind. So zum Beispiel A. R. Penck. «Im Kunstmuseum ist er ganz gross vertreten. Den haben wir auch ausgestellt.»
Beim Anblick der vollgepackten Buchhandlung, wo sich auch das Mini-Büro von Gilli und Diego Stampa befindet, kommt die Galeristin ins Schwelgen: «Das ist ein kleiner Kosmos hier bei uns, wo schon viel passiert ist und noch viel passieren wird.» Ob sie und ihr Mann in den 55 Jahren seit der Eröffnung der Galerie schon mal ans Aufhören gedacht haben? «Nein, weil wir immer noch Spass und Freude haben.» Wie und wann die beiden aufhören, werde sich ergeben. Für beide sei aber wichtig: «Dann machen wir das süferli.»