Gilli und Diego Stampa – Was braucht die Kunst, was braucht der Markt?
Für die 17. Ausgabe von «FRIDA trifft» haben Helena Krauser und Mathias Balzer das Ehepaar Gilli und Diego Stampa besucht. Vor 56 Jahren haben sie die Galerie Stampa gegründet und ein Jahr später nahmen sie an der ersten Art Basel teil. Die Entwicklung der Messe bis heute betrachten sie mit gemischten Gefühlen.
Frida trifft: Gilli und Diego Stampa, eure Galerie ist ein Jahr älter als eine andere sehr renommierte Basler Kunstinstitution, nämlich die Art Basel. Ihr seid seit der Gründung 1970 mit dabei. Auch dieses Jahr wieder?
Gilli Stampa: Ja, wir sind wieder dabei. In den 80er Jahren haben wir aber einmal ausgesetzt. Damals hat der hippe Kunstmarkt erst Fahrt aufgenommen und die Art ist in diese modische Ecke gerutscht. Wir fanden damals, da passen wir nicht rein. Dann gab es einen Wechsel in der Direktion. Sam Keller und Lorenzo Rudolf haben ein neues Konzept gemacht, das uns mehr angesprochen hat und dann sind wir wieder eingestiegen.
Frida trifft: Wie war es, bei der ersten Ausgabe der Art dabei zu sein?
Gilli Stampa: Da waren wir vollkommene Newcomer. Wir hatten keine Ahnung. Trudl Bruckner, eine der Mitbegründerinnen der Art hatte ihre Galerie hier am Spalenberg 52 und du, Diego, bist dann mal zu ihr hin und hast gefragt, ob wir nicht mitmachen dürfen. Sie war ganz begeistert, weil sie fand: So eine junge Basler Galerie, das passt.
Frida trifft: Sie mussten also nur kurz die Gasse hoch, um dabei zu sein.
Gilli Stampa: Genau. Das Problem war, dass der Innenraum bei der Art schon vollkommen ausgebucht war. Es gab aber einen Aussenbereich, wo viele Skulpturen ausgestellt wurden. Da durften wir uns auch niederlassen.
Frida trifft: In einem Zelt?
Gilli Stampa: Nein, unter den Bäumen. Wir mussten Skulpturen ausstellen, anders wäre es nicht gegangen. Wir hatten Werke von Christian Rothacher und italienischen Künstlern. Wir haben beide noch gearbeitet. Diego ist in der Pause noch schnell hingerannt und eine Freundin von uns hat auf den Stand aufgepasst. Wir haben sogar etwas verkauft.
Frida trifft: Ihr habt ja als ganz junges Paar einfach mal angefangen, als Quereinsteiger. Wie hat sich daraus diese Galerie entwickelt?
Diego Stampa: Die Idee war, mit diesen Räumen hier am Spalenberg 2, mitten in der Stadt, einen Ort für Performance und Kunst zu kreieren. Wir wollten aber auch einen Ort für Kommunikation schaffen. Es gab immer wieder Diskussionsrunden über Kunst und Politik. Es war uns ein Anliegen, anders zu sein als die Galerien, die rein kommerziell gewirkt haben.
Frida trifft: Die Galerie hat sich schnell zu einem Ort entwickelt, an dem man sich trifft. Man wusste, hier finden relevante Events statt. Wie haben Sie das geschafft?
Gilli Stampa: Wir waren immer ein offenes Haus und haben früh die Architektur des Hauses miteinbezogen. Der Raum mit den Büchern ist der intellektuelle Teil und die anderen Räume sind für die Ausstellungen. Wir fanden, dass diese beiden Aspekte zusammen gehören. Diese Idee haben wir auch an die Art übertragen. Wir haben dort ganze Programme entwickelt mit Videos, Performance-Veranstaltungen und Solo-Präsentationen.
Frida trifft: Wenn Sie von den Anfängen der Art erzählen, merkt man, da war ein ganz anderer Impetus vorhanden. Wie schauen Sie denn heute auf die Messe?
Gilli Stampa: Mit gemischten Gefühlen. Ich finde, die Kultur bleibt auf der Strecke. Die Art ist ein kommerzielles Unternehmen. Es ist kein Vergleich mehr, wirklich nicht. Der globale Kunstmarkt ist dermassen omnipräsent.
Frida trifft: Warum nehmen Sie dennoch wieder teil? Ist es für Ihre Galerie finanziell notwendig?
Gilli Stampa: Es ist eine Möglichkeit, sich international zu zeigen. Es kommen Leute aus der ganzen Welt zur Art. Das ist eigentlich immer noch das Einmalige daran. Aber das ganz grosse Geschäft machen nicht wir. Wir verkaufen auch, aber es ist nicht so, dass die Art-Verkäufe uns das ganze Jahr durchfinanzieren. Ich glaube, bei vielen mittelständischen Galerien ist das ebenfalls nicht der Fall.
Frida trifft: Sind Sie auch noch an anderen Messen präsent?
Gilli Stampa: Früher waren wir das. Aber das ist gerade auch ein Trend. Viele Galerien machen jetzt Filialen auf und gehen an Messen in der ganzen Welt. Ich finde das einen unglaublichen Verschleiss. Ständig alles einpacken und auspacken. Das ist aufwändig und teuer. Da habe ich überhaupt keine Lust drauf.
«Bei uns muss im Gespräch über die Kunst immer etwas passieren. Dann wird es interessant.»Diego Stampa
Diego Stampa: Das ist bei uns anders als bei vielen Galerien. Natürlich möchten wir auch, dass die Künstler*innen von ihrer Kunst leben können, aber wir wollen immer in Konfrontation sein mit Galerien, die nur noch Schauobjekte zeigen.
Frida trifft: Was sagen ihre Künstler*innen dazu, dass sie dadurch nicht in anderen Städten und Messen präsent sind?
Diego Stampa: Wenn sie auf einem höheren Niveau im Verkauf sind, dann machen sie meistens auf anderen Wegen mit auf diesem Markt. Aber es gibt auch diejenigen, die sagen, wir gehen mit eurer Idee mit, und auch die leben nicht schlecht. Es ist einfach eine andere Auseinandersetzung. Bei uns muss im Gespräch über die Kunst immer etwas passieren. Dann wird es interessant.
Frida trifft: Wie finden Sie heraus, ob die Arbeit eines Künstlers, einer Künstlerin interessant ist oder sich auch wirtschaftlich lohnt?
Gilli Stampa: Pauschal kann man das nicht wirklich voraussagen. Aber die einzelnen Projekte kann man sofort beurteilen. Je länger man das macht, desto sicherer ist man auch. Zum Beispiel die nächste Ausstellung, die Zilla Leutenegger mit Max Küng als Gast machen wird, da sehen wir das Resultat ja noch nicht. Aber so wie sie es beschreibt, klingt es nach einem interessanten Projekt und deshalb machen wir es.
Frida trifft: Zilla Leutenegger kennen Sie jetzt schon länger. Wie ist es mit neuen Künstler*innen? Wie entscheiden Sie dort, ob Sie einen gemeinsamen Weg gehen wollen?
Gilli Stampa: Ähnlich. Indem man mit einer Künstlerin oder einem Künstler über seine Werke redet. Es können nicht alle gleich gut über ihre Sachen sprechen. Aber wir merken es, wenn sie authentisch sind – das spürt man. Das ist wie eine instinktive Übereinstimmung, bei der man einfach etwas sieht und weiss, das ist interessant, das muss man machen. Ob ein Künstler das über lange Zeit durchhalten kann, ist nicht voraussehbar. Es kann auch sein, dass jemandem die Kreativität ausgeht. Das sind tragische Momente, wenn nichts mehr kommt oder sich alles immer nur noch wiederholt.
«Wie sich die Preise entwickeln, kann man eh nicht voraussagen.»Gilli Stampa
Frida trifft: Wenn heute jemand sagt, er oder sie möchte Galerist*in werden. Was raten Sie dieser Person?
Diego Stampa: Es gibt mehr Menschen als man glaubt, die wirklich in den ideellen Wert der Kunst investieren. Darauf muss man sich fokussieren. Wenn man nur noch auf die Preisgestaltung schaut, dann kann man auch eine Velohandlung aufmachen oder sonst etwas.
Frida trifft: Man muss auch an die Kunst glauben?
Gilli Stampa: Ja, ich glaube schon. Wie sich die Preise entwickeln, kann man eh nicht voraussagen. Es gibt Preise in diesem oberen Segment, die ich mir nicht erklären kann. Zum Beispiel weiss kein Mensch, warum jetzt ein Bild von Louise Bourgeois 50 Millionen kostet. Wenn jemand das Geld hat und das Bild unbedingt will, dann passiert das.
Diego Stampa: Und in der obersten Preisklasse sind die Käufer*innen meistens Leute, die sich nicht unbedingt ausführlich zum Beispiel mit Marlene Dumas beschäftigt haben – was sie politisch und feministisch wollte. Vielmehr interessiert sie der finanzielle Wert.
Frida trifft: Das ist die Mühsal des Marktes, die Sie erleben.
Gilli Stampa: In so einem langen Galerie-Leben, wie wir es jetzt schon haben, gibt es so viele Episoden – schöne und weniger schöne. Zum Beispiel mussten wir uns immer wieder von Künstlerinnen und Künstlern trennen, das geht mir immer nah. Das sind ja Menschen, die man lange begleitet hat.