Gina Zehnder: «Ich bin lieber eine Bier- statt eine Cüplifeministin»
Am 12. Februar sind Landratswahlen. Bajour hat aus jeder Partei eine*n spannende*n Kandidat*in rausgepickt. Heute ist das Gina Zehnder, die Fraktionssekretärin der FDP. Die Wahl-Arlesheimerin will den Fachkräftemangel bekämpfen.
- Name: Gina Zehnder
- Alter: 33
- Beruf: Juristin
- Wohnort: Arlesheim
- Wahlkreis: Münchenstein
- Liste: FDP.Die Liberalen (Liste 1)
Frau Zehnder, wieso die FDP?
Da muss ich etwas ausholen.
Gerne.
Mein Grossvater ist als Knecht von Italien in die Schweiz gezogen und hat sich hier alles selbst erarbeitet. Als es ihm dann gut ging, fing er an, Nachhilfeunterricht für Kinder, die kein Deutsch konnten, zu geben. Mir sagte mein Grossvater: «Gina, wenn es dir gut geht, musst du anderen helfen. Aber du bist für dein eigenes Glück verantwortlich.» Dadurch wurde Eigenverantwortung früh ein Thema in meinem Leben und das ist auch das Ethos der FDP. Nur man selbst kann sich sein Leben erbauen, und der Gesellschaft etwas zurückzugeben gehört dazu – das ist mir wichtig.
Sie sind seit fünf Jahren in der Politik aktiv, momentan als Fraktionssekretärin der FDP im Landrat, aber stellten sich noch nie zur Wahl. Wieso treten Sie jetzt an?
Ich bin zwar noch nie angetreten, aber ich habe viele Wahlkämpfe begleitet. Jetzt ist für mich der richtige Moment. Ich kam erst vor zwei Jahren nach Arlesheim und bin davor oft umgezogen. Mittlerweile bin ich angekommen, fühle mich zu Hause und möchte diese Gemeinde als Wahl-Arlesheimerin gerne in Liestal vertreten.
Ausserdem ist mein Typ Mensch im Landrat untervertreten.
Welcher Typ Mensch ist das?
Ich bin unter 40, habe ein kleines Kind und werde weiblich gelesen. Von solchen Menschen gibt es zu wenige im Landrat, es braucht mehr Diversität. Und wenn ich diese Diversität will, muss ich mich selber dafür einsetzen.
Gegenüber der bz sagten Sie, es gebe einen schmalen Grat zwischen Eigenverantwortung und ab wann jemand Unterstützung braucht. Haben Sie dafür ein Beispiel?
Ein gutes Beispiel sind die Kitas. Die SP fordert, diese sollten gratis sein. Das finde ich eine spannende Frage. Ein Kind geht in die Kita, dafür zahle ich viel, andere zahlen weniger. So ist das Modell.
Wollen Sie Gratis-Kitas oder nicht?
Diese Diskussion würde ich gerne führen, wenn ich im Landrat bin, eine abschliessende Meinung habe ich noch nicht. Ich finde es bedenklich, wenn eine Person sagt, sie könne nicht arbeiten, weil sie sich keinen Kitaplatz leisten kann. Das führt dann auch zum viel diskutierten Fachkräftemangel. Hier sollte der Staat meiner Meinung nach durchaus eine Rolle spielen. Dass ich hier von der Parteilinie abweiche, ist mir bewusst.
Sie sagten auch, dass Bildung «nachhaltiger» sein sollte. Was meinen Sie damit?
Bildung ist dann nachhaltig, wenn man sie sinnvoll nutzen kann. Überspitzt gesagt: Es nutzt nichts, wenn wir Kinder ausbilden und dann nur die Hälfte arbeiten geht – Stichwort Mutterschaft und Kitas. Ansonsten fehlen Ressourcen. Ich gehe ja auch nicht einkaufen und kaufe Sachen, wenn ich nicht weiss, was ich damit tun will. Ich kaufe Dinge, weil ich weiss, was ich damit machen kann. Dasselbe gilt für die Bildung.
Welche Klimaschutzmassnahmen braucht der Kanton Baselland?
Hier kommt mein freisinniges Herz zum Vorschein. Ich finde, wer Klimaschutzmassnahmen umsetzt, sollte dafür auch etwas bekommen. Als Beispiel: Personen, die in erneuerbare Energie investieren, sollen dabei unterstützt werden. Subventionen für Klimaschutzmassnahmen wie Solaranlagen finde ich sinnvoll. Privat versuche ich beispielsweise, weniger Essen wegzuschmeissen. Damit wird die Welt zwar nicht gerettet, aber wenn man nicht im Kleinen anfängt, wird man nie das Grosse erreichen
Mit welchem Verkehrsmittel sind Sie unterwegs?
Ich fahre täglich Tram, zur Arbeit und auch in der Freizeit nutze ich den ÖV. Wenn ich könnte, würde ich mehr Zug fahren, das mache ich sehr gerne. Ich habe aber auch ein Auto und fahre auch jeweils mit unserem Arlesheimer Landrat nach Liestal. Daraus entstand das Projekt «Balz & Gina unterwägs uf Lieschtel», wo wir beide in kurzen Videos über verschiedene Themen reden und die auf Instagram posten.
Auf Instagram steht in Ihrer Biografie «Habe mehr Sektgläser gewaschen, als getrunken». Was steckt dahinter?
Ich bin seit fünf Jahren in der FDP politisch aktiv. Es gab in der Zeit keinen Apéro, wo ich nicht mit abgewaschen habe. Ich habe im Hintergrund geschaut, dass alles klappt. Ich habe sogar Gläser mit nach Hause genommen, um sie zu waschen. Ich meine damit, ich arbeitete bisher gerne im Hintergrund und war nicht die, die nur Cüpli trinkt.
Und was bedeutet ihre Twitter Biografie «Wenns Cüplifeministen gibt, will ich Bierfeministin sein»?
Gegenüber bürgerlichen Frauen wird oft der Begriff Cüplifeministin abwertend benutzt. Das ist ein frecher Begriff. Ich trinke lieber Bier. Wenn man mich schon despektierlich bezeichnet, dann wenigstens mit dem Wort Bierfeministin.
Bajour kürt täglich eine*n Basler*in des Tages. Baselbieter*innen mitgemeint. Wen würden Sie nominieren?
Ich würde Brigitte Treyer nominieren. Sie ist Gemeinderätin in Arlesheim, Mutter von drei Kindern, Anwältin in ihrer eigenen Kanzlei und daneben schafft sie es noch, Brot zu backen. Für mich ist sie ein Vorbild – nicht nur ein politisches. Sie macht nämlich nicht alles ein bisschen, sondern alles ganz.