Den Basler-Hip-Hop aufleben lassen
Die goldenen Hip-Hop-Zeiten Basels sind Geschichte, die Szene steckt im Sumpf. Ein neues Festival in der Kaserne – mit Rap, DJing, Breakdance und Graffiti – soll die Wende bringen. Kurz vor dem Event am Samstag sind die meisten der 500 Tickets bereits weg.
Basel war einst das Mekka des Schweizer Hip-Hop. Anfang der 1990er-Jahre entstand hier, ausgehend von Black Tigers «Murder by Dialect», der Mundartrap. Breaker-Crews wie Basel City Attack wurden weltberühmt, Basler DJs legten in New York auf und die Graffiti-Szene – deren Vermächtnis das Stadtbild bis heute prägt – war international geschätzt. In den frühen 2000er-Jahren kam die zweite Welle, angeführt von Brandhärd, der wohl bekanntesten Rapgruppe Basels.
Diese Zeiten scheinen weit weg. Die Basler Hip-Hop-Szene ist in den 2010er-Jahren vom Erfolgsweg abgekommen. Heute spielen Acts aus Basel kaum noch an den grossen Schweizer Festivals, ganz zu schweigen im Ausland. Wie man aus der Szene hört, kommen viele Rapper*innen aus anderen Schweizer Städten nicht mehr nach Basel, weil das Risiko auf einen Konzert-Flop zu gross ist.
«Wir haben an Glanz verloren, auch künstlerisch.»Boris Jacot
Wie konnte es dazu kommen? «Nach den goldenen Zeiten ist der Zusammenhalt in der Szene verloren gegangen. Wir haben an Glanz verloren, auch künstlerisch. Vielleicht war unser Auftreten nach aussen manchmal auch etwas übermütig.» Das sagt Boris Jacot, er ist seit 1986 Teil der Hip-Hop-Kultur in Basel und hat die ganze Entwicklung miterlebt. Als Breaker – bekannt unter seinem Künstlernamen «Jay-Roc» – ist er siebenfacher Schweizer Meister. Er hat mehrere international erfolgreiche Crews gegründet, darunter Basel City Attack. Nun unternimmt Jacot, zusammen mit seinem Team, zahlreichen Weggefährten sowie Protagonist*innen der jungen Generation einen neuerlichen Versuch, die Basler Szene wiederzubeleben.
Entstanden ist aus den gemeinsamen Überlegungen das Hip-Hop-Festival Basel, das am 14. Dezember 2024 in der Kaserne zum ersten Mal stattfindet. Es kombiniert die vier ursprünglichen Elemente des Hip-Hop zu einem ganztägigen Event: Rap, DJing, Breakdance und Graffiti. Projektleiter Jacot war diese Verbindung ein zentrales Anliegen: «Hip-Hop wurde in letzter Zeit immer mehr fast ausschliesslich als Musikkultur vermarktet. Es gehört aber mehr dazu. Ich glaube, der Hip-Hop ist nur in seiner ganzen Ausprägung, mit den verschiedenen Elementen, stark. Das Festival versucht sich in einer Art interkulturellen Vermittlung. Wir möchten die Elemente wieder näher zusammenbringen.»
So gibt es am Nachmittag beispielsweise Graffiti-Live-Paintings, Breaking-Workshops und Dance-Cyphers. Am Abend folgt das Hauptprogramm mit einem trinationalen Breaking Battle und drei Main Acts aus Frankreich, Deutschland und der Schweiz. «Den trinationalen Aspekt haben wir uns gross auf die Fahne geschrieben», so Jacot. «Basel liegt in einer kulturell unglaublich inspirierenden Region, wir können sehr viel aus dem umliegenden Ausland lernen.» So haben es er und seine Kolleg*innen früher auch gemacht: «Wir haben uns damals insbesondere nach Stuttgart oder Berlin, Lyon oder Paris orientiert. Ich glaube, dass Basel in den 90er-Jahren auch deshalb so stark wurde, weil wir uns mit Frankreich und Deutschland gemessen haben.»
Der Baselbieter Rapper ELIA ist einer der Hauptacts des Hip-Hop Festivals. Das teaste er auch schon an, als er im August mit seiner EP «ZWÜSCHEZYT» BajourBeat der Woche wurde.
Mit Dilome aus Marseille wird beim Hip-Hop-Festival Basel eine der aufstrebendsten französischen Rapperinnen in der Kaserne auftreten, aus Deutschland kommt mit Megaloh ein etablierter, gestandener Name. Dritter Hauptact ist der Baselbieter Elia, einer der zurzeit aktivsten Rapper der Region. Anfang Jahr hat er das Album «Basel Süd-Ost» herausgebracht, im September folgte die EP «Zwüschezyt». «Ich freue mich sehr auf den Auftritt», sagt er im Vorfeld des Festivals. «Es ist als Solo-Act mein erstes Live-Konzert seit längerem. Ich werde viel Material der neuen Releases zum ersten Mal live performen.»
Elia Mahler, wie er mit bürgerlichem Namen heisst, gehört zur Zwischengeneration des Basler Hip-Hop: «Als ich in die Szene gekommen bin – Anfang der 2010er-Jahre – gab es eine Art Vakuum. Die alte Generation zog sich langsam zurück, und die nächste war noch nicht da. Ich war in meiner Altersgruppe mehrheitlich auf mich allein gestellt. Anfangs habe ich mich der zweiten Generation um Pyro, Brandhärd etc. angeschlossen, aber die haben doch 10, 15 Jahre Abstand zu mir. Mit der Zeit sind dann auch junge Rapper*innen dazugekommen. Heute gibt es mit Skip, Was Das?, Morrow, Sherry oder Lafa wieder viel Potenzial. Aber es ist so: Die verschiedenen Generationen haben sich verpasst, der Austausch hat nicht richtig stattgefunden.»
«Ich war in meiner Altersgruppe mehrheitlich auf mich allein gestellt.»Elia Mahler
Das möchte das Hip-Hop-Festival Basel nachholen. «Das Projekt ist generationenübergreifend angelegt», sagt Jacot. «Wir haben in unserem Verein Leute im Alter von 17 bis 52 Jahren. Es gibt ein paar Urgesteine im Programm – DJ Ace oder Def Cut, die seit den 90ern zu den grossen Namen in Basel gehören. Auch Black Tiger und andere aus der Old School waren in die Planung involviert. Aber wir wollten auf keinen Fall ein Old-School-Festival machen – deshalb arbeiten wir auch mit der jungen Generation zusammen, von der wir wiederum sehr viel lernen können.» Auch stilistisch ist das Programm vielseitig aufgestellt, von Trap bis Boom Bap ist alles dabei. Mit Flavio Stucki und Pablo Vögtli werden zudem zwei bekannte SRF-Moderatoren mit von der Partie sein – eine insgesamt vielversprechende Mischung.
Das hauptsächliche Zielpublikum ist Anfang 20 bis Mitte 30, es wird aber für alle Altersgruppen Anschlussmöglichkeiten geben. Kurz vor dem Festivaltag sind die meisten der 500 Tickets bereits weg, das Interesse scheint da zu sein. «Wir hoffen natürlich, dass wir am Ende ausverkauft sind», sagt Jacot zuversichtlich. «Es wird aber in jedem Fall auch eine Abendkasse geben.»
Kommt mit dem Festival also nun die Renaissance des Basler Hip-Hop? «Nach dem 14. Dezember schauen wir weiter», sagt Jacot. Das Projekt ist langfristig geplant, man will nichts überstürzen. «Im besten Fall können wir den Event über viele Jahre hinweg nachhaltig aufbauen. Ich glaube, wir müssen Babysteps machen. Aber das ist ok. Es gibt keinen Druck. Wir haben die Geduld, und das Feuer ist bei allen Beteiligten da. Es soll ein Gemeinschaftsprojekt werden, bei dem die ganze Szene mitmacht.»
Die Basler Festivallandschaft hat es im Moment schwer. Die BScene und das Gässli Film Festival pausieren, zuletzt musste das AM-Jam in Hölstein dicht machen. Die Verantwortlichen des Hip-Hop-Festivals müssen sich also anstrengen. Die erste Ausgabe versprüht Zuversicht, dass die gebündelten Kräfte der Szene tragen.