Immobiliengigantin zum Beizer: Mach doch Schulden!

Swiss Prime Site und PSP gehören zu den grössten Playern der Immobilienbranche. Aber gebeutelten Kleinunternehmer*innen die Miete erlassen? Lieber nicht. Der Wirteverband rät zum vorläufigen Mietboykott.

Die Swiss Prime Site besitzt das Stücki und «entwickelt» dort nach eigenen Aussagen «einen neuen Wirtschaftsstandort».
Die Swiss Prime Site besitzt das Stücki und «entwickelt» dort nach eigenen Aussagen «einen neuen Wirtschaftsstandort». (Bild: S-shopping / commons.wikimedia.org )

Hierbei handelt es sich um einen angepassten Artikel. Kurz nach Erscheinen hat der Grosse Rat bekanntgegeben, dass er den Vorstoss zum Dreidrittel-Rettungspaket überweist. Bajour reagierte und fügte die Entscheidung in den Artikel ein.

Viele kleine Betriebe in Basel fürchten derzeit um ihre Existenz. Die Swiss Prime Site AG hingegen konnte ihren Gewinn letztes Jahr verdoppeln. Im Februar hatte die Immobiliengigantin einen Marktwert von knapp 12 Milliarden Franken und bezeichnete sich als «solide kapitalisiert».

Der grösste kotierte Immobilienkonzern der Schweiz sitzt in Olten, vermietet aber auch in Basel Lokalitäten, etwa an Lädeliinhaber*innen und Beizer*innen. Diese stehen momentan vor einem akuten Problem: Sie haben keine Einnahmen, müssen aber trotzdem Mieten zahlen. Teilweise bis zu 20’000 Franken im Monat für zwangsweise leere Lokale. Wenn es um den Erlass oder eine Reduktion der Miete geht, sieht es düster aus: «Vor allem die grossen Immobilienfirmen fahren eine sehr harte Linie. Mietreduktionen werden kategorisch abgelehnt», sagt Maurus Ebneter, Präsident vom Wirteverband Basel-Stadt

Damit soll jetzt Schluss sein: Der Basler Mieterverband, der Hauseigentümerverband, der Verband der Immobilienwirtschaft und der Wirteverband präsentierten am Sonntag ihr «Dreidrittel-Rettungspaket». Die Idee: Die Mieter*innen sollen jeweils nur ein Drittel ihrer Mieten für die Monate April, Mai und Juni bezahlen, ein Drittel wird vom Kanton à fonds pérdu abgefedert und so bliebe den Vermieter*innen immerhin zwei Drittel der fälligen Miete.

Die Initiant*innen glauben, dass so hunderte Betroffene vor einem Schuldenberg oder sogar der Insolvenz bewahrt werden können. Die Regierung steht der Forderung wohlwollend gegenüber: Am 22. April gab der Grosse Rat bekannt, dass er einstimmig den Vorstoss zum Dreidrittel-Rettungspaket überweist. Der Regierungsrat hat angekündigt, das Geschäft bis im Mai auszuarbeiten und wieder dem Grossen Rat vorzulegen.

Joel Thüring

Sicher ist: Damit der Deal funktioniert, braucht es auch die Bereitschaft der grossen Immobilienfirmen, auf einen Drittel der Miete zu verzichten. Ansonsten droht in Basels Gastroszene an vielen Orten der finanzielle Lockdown als Dauerzustand.

Aber ziehen sie auch mit? Bajour hat am 22. April bei Swiss Prime Site und PSP Swiss Property nachgefragt. Die Antwort von Swiss Prime Site Mediensprecher Mladen Tomic fiel knapp aus: «Wir sind natürlich bereit, diesen zu prüfen.» Die PSP äusserte sich nicht.

Bis jetzt waren die Firmen gemäss Recherche von Bajour jedoch nicht bereit, auf Mieteinnahmen zu verzichten. Bajour liegt ein Brief vor, den die Swiss Prime Site AG an einen Kleinunternehmer geschickt hat. Er hatte die Immobilienfirma um Mieterlass gebeten. Den bekommt er nicht. Stattdessen rät ihm der Konzern unter dem Punkt «Liquiditätshilfe» einen vom Bund verbürgten Kredit aufzunehmen. Solche Darlehen seien zur Deckung der Fixkosten vorgesehen, dazu gehöre auch der Mietzins. 

Suchst du den Zwerg unter den Riesen?

Als kleines Entgegenkommen bietet der Konzern an, die Miete zu «stunden»: Das bedeutet, dass der Mieter eine Galgenfrist bekommt – im Moment muss er zwar nicht zahlen, die Miete während des einnahmefreien Lockdowns wird ihm aber als Schuld voll angerechnet. Die Immobilienfirma rät also, sich entweder bei ihr als Vermieterin oder bei der Bank zu verschulden. Doch gerade Kleinunternehmer*innen laufen so Gefahr, ihr Geschäft in den absehbaren Konkurs zu treiben. Was während des Lockdowns nicht in die Kasse kommt, wird danach schliesslich nicht doppelt und dreifach erwirtschaftet. Bisher haben die Swiss Prime Site AG über 350 Anfragen von Mieter*innen erreicht, bestätigt Mediensprecher Mladen Tomic. Das Finanzierungspaket des Bundes stehe den betroffenen Unternehmen zur Verfügung und der Bund rate dazu, dies zu nutzen, erklärt er. Jedes Unternehmen müsse für sich selber entscheiden, ob es von diesen Krediten Gebrauch machen möchte oder nicht: «Wir sind bei Notfällen auch bereit, über weitere Massnahmen, welche über Stundungen hinausgehen, mit unseren Mietern individuell zu diskutieren. Wir wollen unseren Mietern, soweit es geht, eine Hilfe sein».

Das vorliegende Schreiben an den Geschäftsinhaber lässt daran zumindest zweifeln. 

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Der Grosspeter Tower. Ein Grossprojekt der PSP. (Bild: Screenshot: www.psp.info)

Auch bei der PSP Swiss Property haben Basler Betriebe um Mieterlass gebeten. Auch sie rät ihren Mieter*innen, Kredite aufzunehmen. Der PSP gehören beispielsweise die Liegenschaften der Restaurants Ramazotti, Boo, Minamoto und Little Italy. Die Firma sitzt in Zug und ist der zweitgrösste an der Börse gehandelte Immobilienkonzern der Schweiz. Dank höherer Liegenschaftserträge und Neubewertungseffekten stieg ihr Reingewinn letztes Jahr um rund 47 Prozent auf 453 Millionen Franken.



Mieter*innen in Existenznot weist die PSP an, sich bei der eigenen Versicherung zu melden und Ertragsausfälle geltend zu machen. In einem Schreiben an einen Mieter, das Bajour ebenfalls vorliegt, hält der Konzern fest: Es sei vertraglich vereinbart worden, «dass die für den Betrieb notwendigen Versicherungen (...) durch den Mieter abzuschliessen sind. Wir gehen deshalb davon aus, dass mieterseitig seit Mietbeginn eine Betriebsunterbruchsversicherung besteht und die derzeitigen Ausfälle bereits der zuständigen Versicherung gemeldet wurden.» Bloss: Viele Versicherungen weigern sich, Ertragsausfälle wegen Corona zu bezahlen. Die PSP hat auf die Anfrage von Bajour nicht reagiert.

Wer private Vermieter*innen hat, hat bessere Chancen auf einen Mieterlass.

Aus Sicht vieler Laden- und Restaurantbetreiber*innen ist klar: Eigentlich müssten die Vermieter*innen ihnen Mietreduktionen gewähren. Sie argumentieren, Geschäftsliegenschaften hätten wegen Corona einen «Mangel». Dieser «Mangel» mache eine Nutzung unmöglich und verpflichte sie rechtlich zu einer Reduktion. Die Vermieter*innenseite dagegen sieht keine Pflicht zum Mieterlass. Rechtlich ist das Ganze nicht geklärt.

Wer die Mietzahlung über längere Zeit verweigert, riskiert neben der Kündigung des Lokals einen grossen Teil der getätigten Investitionen zu verlieren. Ebneter vom Wirteverband rät dennoch dazu, vorläufig nicht zu bezahlen oder höchstens unter dem Vorbehalt, dass man die Mietschuld nicht anerkennt: «Zudem warnen wir davor, Stundungsvereinbarungen zu unterzeichnen. Das könnte von den Gerichten als Anerkennung der Mietschuld interpretiert werden.»

Es gibt auch andere Vermieter*innen

Allerdings gibt es durchaus Vermieter*innen, die ein offenes Ohr für ihre Mieter*innen haben. Hört man sich unter Basels Beizer*innen und Gewerbler*innen um, wird schnell klar: Wer private Vermieter*innen hat, hat bessere Chancen auf einen Mieterlass. Für Ebneter steht jedoch fest: Es darf nicht sein, dass die Mieter*innen vom Goodwill der Vermieter abhängig sind. Er hofft auf die Politik.

Die ist jetzt in Gang gekommen – das Dreidrittelpaket steht zur Ausarbeitung bereit. Nur: Die Massnahmen sollen freiwillig sein – die Beizer*innen und Lädelibesitzer*innen sind weiterhin davon abhängig, dass ihnen die Vermieter*innen entgegenkommen.

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