In Basel gibts doch kein Geballere wie in Hollywood
Warum laufen unsere Polizist*innen in der Weihnachtszeit mit Maschinenpistolen herum? Wir haben nachgefragt.
Bei uns auf der Bajour-Redaktion hat der Festtags-Spirit Einzug gehalten: Der Weihnachtsbaum in unserem Büro funkelt vor sich hin, die Päckli türmen sich und vor dem Fenster marschieren wieder mal zwei Polizist*innen mit Maschinenpistolen vorbei.
Ja, du hast richtig gelesen: Die schwer bewaffneten Polizist*innen gehören mittlerweile zum Basler Adventstreiben wie die Weihnachtsbäume und Einkaufstüten voller Geschenke. Wir haben sie in den letzten Tagen etwa fünf mal am Bajourbüro vorbeimarschieren gesehen (wir sind an der Clarastrasse, ein paar Häuser vom Claraposten entfernt).
Was soll das?, fragten wir uns. Und wir sind offenbar nicht die einzigen. SP-Grossrätin Ursula Metzger reichte in den letzten Wochen eine Interpellation ein. Sie fragt: Wie begründet die Regierung die derzeitigen Patrouillen der Polizei in der Innerstadt unter Verwendung der Maschinenpistolen?
Das hat laut Regierung mit unserer jüngeren Zeitgeschichte zu tun. Die Maschinenpistolen seien nötig, um vor potenziellen terroristischen Anschlägen zu schützen, schreibt sie. Besonders zur Festtagszeit sei das Risiko wegen der Menschenmassen erhöht, wie internationale Ereignisse aus der Vergangenheit gezeigt hätten.
In den letzten Jahren sah man die Polizist*innen und ihre Maschinenpistolen deshalb gerade auch rund um den Weihnachtsmarkt patroullieren. Ausserdem hatten sie Betonsperren gegen allfällige Terrorist*innen in Fahrzeugen aufgestellt.
Psychische Belastung durch Corona erhöht das Risiko zusätzlich
Der Weihnachtsmarkt ist dieses Jahr zwar ausgefallen. Die Menschen sind aber nicht weniger in Kauflaune und die Innenstadt ist am Wochenende rappelvoll. Für die Regierung gibt es deshalb keinen Grund, die Sicherheitsmassnahmen runterzufahren.
Aufgrund der Unsicherheit und der psychischen Belastung durch Corona sei das Risiko ausserdem zusätzlich erhöht. Die Regierung schreibt: «Solche Stressoren können bei einer Kumulation mit anderen Risikofaktoren die Begehung von Gewalttaten begünstigen.»
Sozialdemokratin Ursula Metzger sieht das anders. Gerade wegen Corona gehe es vielen Menschen psychisch schlecht, sagt sie. Ihnen mit Maschinenpistolen behangene Polizist*innen in den Strassen zuzumuten, sorge doch bloss für noch mehr Unwohlsein.
«Viele nehmen die Maschinenpistolen nicht als beruhigend und beschützend wahr, sondern als Zeichen, dass irgendetwas geschehen ist oder geschehen wird und dass wir uns in einer akuten Gefahr befinden», heisst es in der Interpellation.
Es ist eine Frage, die links und rechts spaltet: Fühlt sich die Bevölkerung beschützt, wenn sie Polizist*innen sieht – oder hat sie eher Angst?
«Die Vorstellung, dass ein Polizist im Serienfeuer durch die Strassen schiesst, gehört nach Hollywood.»Toprak Yerguz, Polizeisprecher
Bei der Polizei selbst sieht man das differenziert. Laut Polizeisprecher Toprak Yerguz gibt es beim Sicherheitsempfinden der Bevölkerung objektive und subjektive Faktoren. «Wir sind uns bewusst, dass nicht jede Person gleich auf sichtbare Sicherheitsmassnahmen reagiert», sagt er. Der Nachrichtendienst des Bunds gehe von einer erhöhten Bedrohungslage aus, ohne dass es konkrete Hinweise für einen Anschlag gibt.
Die Erfahrung zeige, dass die Massnahmen von der Bevölkerung mehrheitlich begrüsst würden. «Wir wissen aber, dass es auch Personen gibt, die sich durch die Sekundärwaffen oder Betonelemente an Anschläge erinnert fühlen.» An diese Menschen hat Yerguz eine Botschaft: «Jede Polizistin und jeder Polizist hofft, weder die persönliche Dienstwaffe noch die Sekundärwaffe je einsetzen zu müssen. Sie sind aber alle darin geschult und trainiert, zum Schutz der Bevölkerung zu diesem letzten Mittel zu greifen, wenn es die Umstände erfordern.» Auch setze die Kantonspolizei Basel-Stadt die optisch wahrnehmbaren Massnahmen sehr gezielt ein.
«In chaotischen Anschlagssituationen strecken Maschinenwaffen eher Unbeteiligte nieder, als die eigentlichen Angreifer*innen.»Hans-Jörg Albrecht, Leiter kriminologische Abteilung am Max-Planck-Institut
Aber nützt dieser «gezielte Einsatz» wirklich gegen allfällige Terrorist*innen? Hans-Jörg Albrecht, Leiter der kriminologischen Abteilung am Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Strafrecht sagte gegenüber der «Zeit», es mache wenig Sinn, Maschinenpistolen im öffentlichen Raum zu nutzen: «In chaotischen Anschlagssituationen strecken Maschinenwaffen eher Unbeteiligte nieder, als die eigentlichen Angreifer*innen.»
Dazu sagt Yerguz nur: «Die Vorstellung, dass ein Polizist im Serienfeuer durch die Strassen schiesst, gehört nach Hollywood».