Die Politische

Seit Oktober führt Kunsthistorikerin Isabel Balzer an der Rosentalstrasse die Galerie «See you next tuesday». Ihr Fokus liegt auf Kunstschaffenden, die im Markt aufgrund ihres Geschlechts, ihrer sexuellen Orientierung oder ihres Alters weniger sichtbar sind.

Galerie See you next tuesday
«See you next tuesday» lässt sich auch anders abkürzen. (Bild: Ernst Field)

Vor dem Beginn der Art Basel am 13.6. wirft Bajour einen Blick auf verschiedene Basler Galerien. Auch wenn wir nicht alle zeigen können, möchten wir einen kleinen Einblick in die Welt der Galerist*innen geben. Heute werfen wir in unserer Galerienschau einen Blick in die Galerie «See you next tuesday» bei der Messe.

Manchmal stehen Kund*innen an einem Dienstag irritiert vor der verschlossenen Tür der Galerie «See you next tuesday» an der Rosentalstrasse. «Ist ja total blöd, dass du dienstags nicht geöffnet hast», sagen sie bei der nächsten Gelegenheit zur Galeristin Isabel Balzer. Sie verstehen die Anspielung nicht. 

«See you next tuesday» ist ein Backronym für «cunt» – ein vulgärer englischer Ausdruck für Vagina. Die wenigsten würden das erkennen, sagt Balzer. Auf Nachfrage erklärt sie den Begriff manchmal. Meistens aber sagt sie einfach: «Ja, dienstags habe ich halt nicht offen.» Was «See you next tuesday» bedeutet, könne jede*r selber googeln. Balzer zuckt mit den Schultern. Manche würden sich mit der sexuellen Konnotation des Galerienamens etwas unwohl fühlen, dazu gehören auch gewisse ihrer Künstler*innen. Für Balzer aber vereint der Name die «zwei Seelen in meiner Brust»: Feminismus und Provokation.

«Nach einer Kunsthochschule landet man nicht einfach so im Museum.»
Galeristin Isabel Balzer

Balzer hat die kleine Galerie letztes Jahr im Oktober eröffnet. Aktuell hängen 23 Kunstwerke der Basler Künstlerin Therese Weber an den Wänden. Sie zeigen verschiedene Formen und Muster aus selbst hergestelltem Papier. Die flüssige Papiermasse und der daraus entstehende Papierfaserstoff entwickelt Weber in ihrem langjährigen Schaffen immer wieder neu. Viele der Kunstwerke stechen durch eine knallige Farbe ins Auge, aber die von Balzer hochgehaltene Provokation sieht man hier nicht.

Galerie See you next tuesday
Galeristin Isabel Balzer provoziert gerne: «Man sollte überall den Status Quo hinterfragen.» (Bild: Ernst Field)

Die Galeristin nickt. «Dieses Jahr fange ich relativ harmlos an mit intergenerationalen Positionen, aber in den nächsten zwei Jahren sind schon politischere und provokativere Ausstellungen geplant», erklärt sie. «Ich finde es wichtig, dass man die Leute immer wieder provoziert, in allen Bereichen den Status Quo zu hinterfragen.»

Balzer stellt deshalb Künstler*innen aus, die im Kunstmarkt einen schweren Stand haben: «Nach einer Kunsthochschule landet man nicht einfach so im Museum», erklärt sie. «Von Stipendien und Residencies können diese Künstler*innen auf Dauer nicht leben.» Sie brauchen jemanden wie Balzer, die ihre Kunst in einem Netzwerk sichtbar macht – und sie verkauft.

Mit ihrer Galerie will Balzer aber nicht nur diesen Kunstschaffenden aus dem Mittelbau die Hand reichen, sondern sie auch in einen Dialog bringen mit einer anderen Generation, die im Gegenwartsdiskurs der Kunst eher unsichtbar ist: «Ältere Frauen, gerade wenn sie eine längere Babypause gemacht oder ihren kranken Mann gepflegt haben, werden oft nicht mehr wahrgenommen.»

Galerie See you next tuesday
An den Wänden hängen momentan Werke der Basler Künstlerin Therese Weber. (Bild: Ernst Field)

Mit «See you next tuesday» sieht sie sich am anderen Ende des «toughen» Markts, der an Kunstmessen wie der Art Basel zum Ausdruck kommt. Für Perspektiven abseits von weissen, älteren Künstlern bestehe da zwar mittlerweile ein Bewusstsein, sagt Balzer. «Aber da geht es nur noch um Millionen. Es geht darum, wie man sein Vermögen am besten anlegen kann.» 

Dieses Verständnis von Kunst als Geldanlage fand Balzer schon in jungen Jahren «furchtbar». Damals verschlug es sie aus der deutschen Universitätsstadt Marburg über München für ein Studium der Kunsthistorik in die USA. Nebenbei arbeitete sie dort in einer grossen Galerie und im Rahmen dieses Jobs kam sie zum ersten Mal an die Art Basel. Nach dieser Erfahrung habe sie sich geschworen: «Nie mehr kommerzieller Kunstbetrieb.»

«Ich spiele nicht in der grossen Liga.»
Galeristin Isabel Balzer

Sie schlug einen beruflichen Weg als Kunsthistorikerin ein, promovierte und unterrichtete an einer Uni in den USA. Vor 20 Jahren zog sie wegen des Jobs ihres Mannes nach Basel, wo sie keine akademische Stelle fand und sich deshalb «selbst neu erfinden» musste. Dann habe sie für eine Weile in der Privatwirtschaft als Kunstvermittlerin gearbeitet und internationale Expat-Frauen – Balzer nennt sie «the ladies who lunch» – durch Schweizer Museen geführt. «Dabei habe ich gemerkt: Sie alle wollten meine Beratung, aber dafür wurde ich nicht bezahlt.» 

Mit dieser Erkenntnis im Gepäck und durch einen Job bei einem Kunstverlag sei sie dann in Basel in die lokale Kunstszene gerutscht und machte sich selbstständig. «Dann hatte ich ein Büro mit Wänden und habe gedacht: Das ist doch mal ein Anfang.»

Galerie See you next tuesday
Kommerzieller Kunstbetrieb ist ihr zuwider. Die Kosten – vor allem jene der Kunstschaffenden – müssen am Ende des Monats trotzdem gedeckt sein. (Bild: Ernst Field)

Ab 2011 eröffnete Balzer dann ihre eigene Galerie «Balzer Projects» zuerst in der Riehentorstrasse, dann in der Nähe des Bahnhof SBB, «bis Corona und die Finanzen» sie dazu zwangen, die 150 Quadratmeter grosse Fläche dort aufzugeben. Nach vier Jahren als freie Kuratorin zog es Balzer wieder ins Galerien-Geschäft und sie eröffnete «See you next tuesday». 

Neben den drei Nachmittagen vor Ort im Rosental betreut Balzer unter anderem den Nachlass der Basler Künstlerin Vera Isler, kuratiert Ausstellungen oder lehrt an der Kunsthochschule in Lichtenstein. Die Location bei der Rosentalanlage ist eine neue Erfahrung für sie, Quartierbewohner*innen bleiben vor ihren Schaufenstern stehen, kommen mit ihr ins Gespräch. Und an den drei Nachmittagen, an denen die Galerie geöffnet ist, sitzt Balzer an ihrem Schreibtisch – «wie so eine Spinne im Netz» – und beobachtet zwischendurch das Geschehen auf der Strasse.

Früher habe sie oft grosse Installationen mit Licht, Film und Sound gemacht. «Das ist grossartig und zieht total viel Publikum an», sagt sie. «Aber kaufen will das niemand.» Es war ihr deshalb wichtig, mit der neuen Galerie mehrheitlich Ausstellungen zu machen, «bei denen am Ende des Monats die Kosten gedeckt sind. Damit meine ich vor allem diejenigen der Kunstschaffenden». Ist das nicht eine Annäherung an den kommerziellen Kunstbetrieb, dem sie einst so vehement abschwor? Sie denke jetzt mehr an den Markt als früher, räumt sie ein. «Aber ich spiele ja nicht in der grossen Liga.»

Galerie See you next tuesday
Durch die Lage bei der Rosentalanlage kommt Isabel Balzer ins Gespräch mit den Quartierbewohner*innen. (Bild: Ernst Field)

Das zeigt auch ein Blick auf ihre Infrastruktur. Im Vergleich zu «Balzer Projects» sind die Räumlichkeiten von «See you next tuesday» geradezu minimalistisch: 40 Quadratmeter, eine Gipskartonwand trennt den Raum vom danebenliegenden Coiffeurgeschäft, mit dem sich Balzer eine Kaffeemaschine teilt.

Ein Archiv gibt es in dieser Galerie nicht vor Ort. Deshalb stehen neben Balzers Schreibtisch im hinteren Bereich des Raumes ein paar Werke von Therese Weber am Boden. Balzer hat diese nicht für die aktuelle Ausstellung ausgewählt, aber Käufer*innen interessieren sich für sie und deshalb stehen sie vorerst da. Ein Kompromiss zwischen Nachfrage und dem Programm von Balzer.

«Manche Männer fühlen sich von meiner Auswahl diskriminiert. So what.»
Galeristin Isabel Balzer

Balzer ist es wichtig, dass ihre Künstler*innen und sie den Raum gemeinsam kuratieren. Aber ihre Linie hat sie dennoch: «Ich stelle zum Beispiel gerne Werke aus, die untypisch sind», erklärt sie und zeigt auf die Bilder rechts von ihrem Schreibtisch, die Weber 1996 in Australien hergestellt hat. «Sogar die Künstlerin hatte diese Bilder fast vergessen.» 

Als nächstes plant die Galeristin eine Ausstellung mit 30 Künstler*innen – einige davon sind queer, vier davon männlich. Feministisch, intersektional, intergenerational und zeitgenössisch – so sieht Balzer das Programm ihrer Galerie. «Manche Männer fühlen sich von meiner Auswahl diskriminiert», erklärt sie, lacht und zuckt wieder mit den Schultern. «So what.»

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Nach einem Masterstudium in Geisteswissenschaften und verschiedenen Wissenschafts- und Kommunikations-Jobs ist Michelle bei Bajour im Journalismus angekommen: Zuerst als Praktikantin, dann als erste Bajour-Trainee (whoop whoop!) und heute als Junior-Redaktorin schreibt sie Porträts mit viel Gespür für ihr Gegenüber und Reportagen – vorzugsweise von Demos und aus den Quartieren. Michelle hat das Basler Gewerbe im Blick und vergräbt sich auch gern mal in grössere Recherchen. 


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