Islamophobie im Schweizer Alltag

Der Islam ist die zweitgrösste Weltreligion und dennoch ist Islamophobie in der westlichen Welt weit verbreitet. Ein Interview mit einem Schweizer Muslim über seine Erfahrungen hierzulande von unseren Kolleg*innen von akut.

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Illustration von Lorena Lucek
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Im Jahr 2021 wurden in Deutschland 662 Angriffe auf Muslim:innen und Moscheen verzeichnet. Die Berichterstattung über Geschehnisse oder Themen im Zusammenhang mit dem Islam sind oft einseitig. Wenn sie nicht islamfeindlich sind, dann meistens immerhin islam-kritisch. Auch angesichts der FIFA-Weltmeisterschaft in Katar gab es einige kritische Berichte über den Islam, im Zusammenhang mit dem Ölstaat.

Selten werden Religion, islamische Staatsstrukturen, Muslim:innen und Terrorist:innen getrennt, alles gehört in einen Topf. In der Schweiz hatten wir in den letzten Jahren bereits einige Gesetzesvorlagen, die spezifisch auf Muslim:innen abzielten, ob nun offiziell oder inoffiziell. 

Wir haben mit B. Mustafa über seine Ansichten und Erfahrungen als Muslim in der Schweiz gesprochen. 

Findest du Berichterstattungen über den Islam tendenziell feindlich?

B. Mustafa: Der Islam wird einfach falsch porträtiert. Das Wort «Islam» wird oft im Zusammenhang mit Taten gestellt, die eigentlich gar nichts mit dem Islam zu tun haben, beispielsweise Terrorismus. So entsteht ein komplett falsches Bild einer gesamten Religion. Es wird nicht nur einseitig, sondern gar falsch über den Islam berichtet. Deshalb ja, die Berichterstattung ist oft islamophob, oder regt zur Islamophobie an. 

Wünschst du dir von Nicht-Muslim:innen mehr Verständnis?

Ich möchte klar sagen; ich habe in der Schweiz als Muslim genügend Rechte. Ich kann meine Religion ausleben, aber gewisses Verständnis, wieso zum Beispiel Bajram eine grosse Rolle für uns spielt und wir dann gerne frei nehmen oder gewisse Vorurteile, mit denen ich konfrontiert werde, könnte man noch ausweiten. Es mangelt nicht an den Rechten, es mangelt an der gesellschaftlichen Akzeptanz. Auch in der Armee wurde ich oft mit Unverständnis konfrontiert, wieso ich denn regelmässig beten will oder auch zur Moschee möchte. Andere Religion erfahren da mehr Verständnis und Akzeptanz.

Was für, wenn überhaupt, diskriminierende Erfahrungen hast du wegen deiner Religion bis jetzt erfahren müssen? 

Ob in der Schule oder im Militär; ich musste leider schon öfter solche Erfahrungen machen. Besonders in der Armee, auch durch meinen Nachnamen, hagelte es öfters Hass-Kommentare. «Ist das noch die Schweizer Armee, wenn ein Zug Mustafa heisst?» (Zug = Teileinheit einer Kompanie, 12-80 Armeeangehörige, geführt vom Zugführer. Der Zug erhält den Namen meist durch den Nachnamen des Zugführers oder der Zugführerin). Als Wachtmeister musste ich mich auch stärker für mein Recht zum Beten einsetzen. Generell habe ich das Gefühl, dass ich mich durch meinen islamisch konnotierten Namen des Öfteren beweisen muss. 

Wo siehst du eine eine Möglichkeit, dass Personen mehr über den richtigen Islam erfahren, sodass auch die Islamophobie abnehmen könnte?

Wer den Islam verstehen will, sollte den Koran lesen oder hören. Das lehrt am meisten. Gleich wie die Bibel ein lesenswerter Text ist, lohnt es sich, Zeit in den Koran zu investieren, auch für Nicht-Muslim:innen. Es ist sehr einfach, eine Religion basierend auf Nachrichten zu verurteilen. Besser wäre es, ein eigenes Bild von den Fakten und Theorien des Islams zu bilden. 

Es gibt bereits verschiedene Umfragen und Videos, in welchen Passant:innen gefragt werden, ob eine Passage aus dem Koran, der Bibel oder auch einem Film stammt. Besonders bei den gewalttätigen Passagen meinten die meisten, dass sie aus dem Koran sind. Diese falsche Vorstellung ist gesellschaftlich fest verankert und kann nur durch Korrektur dieser Fehlinformationen geändert werden.  

Was ist das Schönste, dass dir deine Religion beigebracht hat? 

Nächstenliebe und Toleranz. Mir wurde beispielsweise immer erklärt: «Du musst andere nicht befürworten oder ihre Ansichten teilen, aber du musst sie akzeptieren». Wenn wir die verschiedenen Religionen objektiv anschauen, besonders in Europa, äussern sich Muslim:innen selten mit restriktiven Vorschlägen anderen Religionen gegenüber.  Etwas anderes, das mir der Islam gelehrt hat, ist Geduld. «Allah liebt die Geduldigen», nicht nur mit sich selbst, sondern auch den Mitmenschen.

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