Ist das machbar für Basler Betriebe?
Die Juso fordert einen branchenübergreifenden Mindestlohn für Auszubildende. Das sorgt für Diskussionen: Während die einen eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen als dringend nötig erachten, befürchten andere gar grosse Nachteile.
Während viele im August noch in den Ferien weilen, heisst es für junge Auszubildende: Willkommen im Arbeitsleben! Von den rund 1’540 Schüler*innen, die vor den Sommerferien ihre obligatorische Schulzeit im Kanton abgeschlossen haben, beginnen dieses Jahr rund 23 Prozent direkt ihre berufliche Grundausbildung.
Die Juso nutzt den Zeitpunkt, um auf ihre Arbeitsbedingungen aufmerksam zu machen. In einem Statement schreibt sie: Die Löhne seien in manchen Branchen «schlicht unhaltbar tief», die Bedingungen – Überstunden, zu viel Verantwortung, mangelnde Betreuung – «nicht haltbar». Sie fordert deshalb unter anderem einen verbindlichen, branchenübergreifenden Mindestlohn von 1000 Franken für Lernende im 1. Lehrjahr.
Das führt bei unserer «Frage des Tages» zu Diskussionen. LDP-Nationalrätin Patricia von Falkenstein lehnt die Forderung ab. Es sei klar, «dass Lernende nicht ausgenützt werden sollen», es sei aber nicht zielführend, «einfach 1’000 Franken für alle zu fordern». Sie ergänzt: «Wenn sich dann die Gewerbetreibenden keine Lehrlinge mehr leisten können, ist die Forderung sogar kontraproduktiv.» Es sei klar abzulehnen, dass sich der Staat daran beteiligen soll.
«Wenn sich dann die Gewerbetreibenden keine Lehrlinge mehr leisten können, ist die Forderung sogar kontraproduktiv.»
– Patricia von Falkenstein, Nationalrätin LDP
Auch von Gewerbeseite kommen kritische Stimmen. Thomas Schorri, Geschäftsführer des Malergeschäfts Marcel Fischer AG, findet «solche Regulierungen schwierig». In seiner Branche habe man die Lehrlingslöhne jetzt erhöht. «Bei uns verdient man im 1. Lehrjahr rund 600 Franken plus 200 Franken Spesen», sagt er. «Es mag sicher sein, dass das in anderen Branchen Sinn macht, aber grundsätzlich bin ich kein Freund staatlicher Regulierungen», so Schorri. «Jede Branche sollte das individuell über den GAV festlegen.»
Für Auszubildende gibt es heute allerdings lediglich Branchenempfehlungen – und lange nicht in allen Branchen regeln Gesamtarbeitsverträge die Arbeitsbedingungen. Ein Beispiel ist die Pflege. Beat Nydegger, Geschäftsführer im Alterszentrum zum Wasserturm, erklärt am Telefon, dass die Ausbildung für Pflegeheime schon heute «ein Kostenpunkt» sei. «Eine Fachangestellte Gesundheit verdient im 1. Lehrjahr laut Empfehlung des Branchenverbands Curaviva 750 Franken. Wer würde die Differenz von einem heutigen Lohn zu 1000 Franken bezahlen?»
Wenn das nicht jemand übernehme, «zum Beispiel der Kanton», dann glaube er, würde sich gerade für kleinere Heime der Ausbildungsbetrieb nicht mehr rentieren. Er wehrt sich gegen die Meinung, Lehrlinge seien billige Arbeitskräfte. «Ich leite seit 20 Jahren Heime und wenn man es korrekt macht und Lehrlinge entsprechend begleitet und betreut, verdient man – rein betriebswirtschaftlich – nichts an ihnen.»
Die Juso findet, dass Lernende viel zu wenig verdienen – etwa in der Kosmetikbranche oder in medizinischen Berufen – und fordert deshalb schweizweit einen Mindestlohn für Lernende. Er soll im 1. Lehrjahr branchenübergreifend 1000 Franken betragen. Was hältst du davon?
Ausserdem ist ihm die Forderung zu undifferenziert. Es sei auch noch eine die Frage, was in diesen 1000 Franken alles inbegriffen ist. «Kosten für Schulmaterial, den Arbeitsweg oder andere Notwendigkeiten – wie etwa einen Laptop?» Im 1. Lehrjahr, das eher weniger produktiv sei, «entscheidet sich oft auch, ob jemand die Ausbildung überhaupt weiterführen will. Viele brechen ab, und dies nicht wegen dem Lohn.» Nicht zuletzt könnten nicht alle Jugendlichen gleich gut «mit so viel Geld umgehen». «Ich finde», schliesst Nydegger, «gerade in der heutigen Zeit es auch wichtig, dass nicht alles versucht wird, über Geld zu regeln.» Anreize sollten vermehrt «über Begriffe wie Sinnhaftigkeit, Verantwortungsbewusstsein und Freude an der Tätigkeit» geführt werden, so der Heimleiter.
«Von der Politik festgelegte Mindestlöhne sind ein starker Eingriff in den funktionierenden liberalen Arbeitsmarkt – in diesem Falle schaden sie direkt der in der Schweiz so bedeutenden Berufsbildung.»
– Saskia Schenker, Direktorin Arbeitgeberverband Region Basel
Die Direktorin des Arbeitgeberverbands Region Basel Saskia Schenker schätzt den geforderten Mindestlohn gar eher kontraproduktiv ein. Die Lehre sei eine Ausbildung, «für die eine gewisse Entschädigung bezahlt wird». Aber das Lernen und das «ausgebildet Werden» stehe im Vordergrund. «Die Entschädigung legen die einzelnen Branchen branchenspezifisch fest. Von der Politik festgelegte Mindestlöhne sind ein starker Eingriff in den funktionierenden liberalen Arbeitsmarkt – in diesem Falle schaden sie direkt der in der Schweiz so bedeutenden Berufsbildung», sagt sie.
«Ich finde einen Mindestlohn auch für Lernende unterstützenswert. Jegliche Verbesserung der Arbeitsbedingungen von Lernenden ist zu begrüssen.»
– Sarah Wyss, Nationalrätin SP
Die SP-Nationalrätin Sarah Wyss findet einen Mindestlohn für Auszubildende hingegen «unterstützenswert», jegliche Verbesserungen der Arbeitsbedingungen seien zu begrüssen. «Diese könnte neben dem Lohn auch über mindestens sechs Wochen Ferien gehen», findet sie. Genau diese Forderung wurde jedoch vor wenigen Wochen vom nationalen Parlament abgelehnt.
«Die Finanzierungsfrage kann in der reichen Schweiz definitiv gelöst werden.»
– Oliver Bolliger, Grossrat BastA!
Auch BastA!-Grossrat Oliver Bolliger sieht mehrere Chancen. Die Berufsausbildung sei eine Investition auf verschiedenen Ebenen: «Einerseits begegnen wir als Gesellschaft dem Fachkräftemangel, die Lehrbetriebe investieren direkt in den Nachwuchs und die Jugend profitiert von einer attraktiven Ausbildungssituation, welche die Berufsausbildung gegenüber schlechtbezahlten Arbeitsplätze als Perspektive aufwertet.» Das sei dringend notwendig, damit die Berufslehre «wieder an Attraktivität gewinnt». Wie Wyss geht es ihm aber nicht nur um die Lohnfrage, sondern auch um andere Rahmenbedingungen.
«Es hätte eigentlich viel Potenzial – aber die Arbeitgeber müssten halt die Ausbildungsjahre als Investition in ihre eigene Zukunft sehen und nicht als Möglichkeit billige Arbeitskräfte einzusetzen», schreibt er und ist der Meinung, dass «die Finanzierungsfrage» in der reichen Schweiz definitiv gelöst werden könnte.
Allein ist er mit dieser Meinung offenbar nicht: Mehr als 70 Prozent der Stimmen, die bei unserer Abstimmung eingingen, votierten für den Juso-Vorschlag.
Jetzt Bajour-Member werden!