Braves Klimacamp statt Häuserkampf
End Fossil besetzt die Basler Uni – zumindest so ein bisschen. Mit Zelten und buntem Programm auf dem Petersplatz stören die Besetzer*innen nur bedingt. Unbequem für die Uni sind lediglich die Fragen nach der Transparenz bei der Forschungsfinanzierung.
Besetzung. Das klingt nach Häuserkampf, Scharmützeln mit der Polizei, Störung der öffentlichen Ordnung. Ton. Steine. Scherben. All das schwingt mit, wenn es jetzt heisst, die Uni Basel wird von Klimaaktivist*innen besetzt, 55 Jahre nach 1968.
Wer sich einen Überblick über die Besetzung der Gruppe End Fossil verschafft, die unter dem Motto «May of Occupations» weltweit Uni- und Schulbesetzungen im Mai organisiert, erhält aber ein anderes Bild. Zunächst: Besetzt ist vorerst nicht das Unigebäude selbst – das Besetzt!-Transparent ist nicht mal vor dem Haupteingang gespannt, sondern daneben. Alle Studierenden und Dozierenden können weiterhin problemlos in die Uni gehen und von der Uni-Besetzung nicht einmal Notiz nehmen.
Diese findet nämlich auf dem Petersplatz, dem «Herzstück» des Campus, statt. Das Festivalgelände sieht wie folgt aus: In der Mitte des Petersplatzes ist eine grosse Bühne für Ansprachen und Konzerte, über die zwischen zwei Plattformen in den Bäumen ein Transparent gespannt ist. Auf der Wiese verteilt sind neben privaten Schlafzelten unterschiedliche Programmzelte: eins zum Diskutieren, eins zum Kreativsein, eins zum konsumfreien Chillen (kein Alkohol, nichts zum Rauchen).
Ein bisschen Pfadi, ein bisschen Sommerlager. Nur halt mit Transparenten, auf denen «Konsumiert klimafreundlich: Eat the Rich» steht. Das ist natürlich nicht wörtlich gemeint, deshalb gibt es auch beim Uni-Eingang Spalengraben ein Küchen-Mobil zur gemeinsamen Verpflegung.
Dennoch: Bis auf die Transpi-Sprüche und die gereckte Faust auf dem End-Fossil-Logo ist hier nichts von Radikalität zu spüren. Die Eröffnungsansprache für rund 50 Zuhörende (Besetzis, Studis, Journis) machte auch klar: der Aktionskonsens ist gewaltfrei. Die Klimacamper*innen wirken so friedlich wie die Eichhörnchen und Enten, die ab und an über den Petersplatz wuseln.
Treu dem Motto: Besetzung starts at home. Viele der Aktivist*innen sind Student*innen, die Uni ist der Ort, wo ihr Leben stattfindet. Sie haben den Eindruck: «Erde brennt, Uni pennt». «Wir werden ausgebildet für eine Welt, die es so gar nicht mehr geben wird», heisst es in der Eröffnungsansprache zur Besetzung. Deshalb nehmen sie die Universität auch in den Fokus ihrer Forderungen. Ihre Hauptkritik: Die Universität soll die Finanzierung ihrer Forschung transparent machen. Oder eben transparenter als es im Jahresbericht bereits bislang ersichtlich ist.
Die Forderungen umfassen derweil nicht nur das Bekenntnis zu Nachhaltigkeit und Klimazielen, sondern auch spezifische Punkte zur Unipolitik. Das wurde auf Twitter bereits kritisiert. Wollen die Aktivist*innen zu viel? Das kommt drauf an, wie man es betrachtet. Auf dem Bühnen-Transparent steht «End Fossil = End Capitalism». Die Aktivist*innen stellen nicht nur die Klima- sondern gleich die Systemfrage. Da diese in ihrer Auffassung intersektional ist, sind also auch bessere Arbeitsbedingungen für Reinigungskräfte legitim als Teil des Forderungskatalogs.
«Wir wollen durch die Besetzung den Alltag stören», sagt zwar die Besetzerin Rosa Büchler. Doch «stören» ist hier mehr abstrakt gemeint: Anstatt den Unterricht zu stören, stört man halt nur den gewohnten Anblick beim Weg in die Uni durch die Zelte und Transparente auf dem Petersplatz.
Entsprechend ruhig bleibt auch die Reaktion der Behörden. Nur die BVB stehen am Vormittag kurz auf der Matte: Ob man den Verkehr stören wolle, fragt das Interventionsteam. Nö. Alles klar, kein Problem, schöne Besetzung noch. Die Polizei hingegen lässt sich nicht blicken. Auf Anfrage heisst es von der Kapo, End Fossil wird als gewaltlos eingeschätzt. Geräumt werde nur, wenn die öffentliche Sicherheit gestört wird oder die Stadt das beantragt.
Denn die Stadt ist eben Allmendbesitzerin des Petersplatzes, nicht die Universität. Beim Bau- und Verkehrsdepartement klingt es aber nicht so, als ob eine Räumung derzeit im Raum steht. Die Aktion sei zwar nicht bewilligt, heisst es auf Anfrage bei der Medienstelle. Aber: «Unser oberstes Ziel ist es, dass die Klima-Aktivistinnen und -Aktivisten die Grünanlage nicht beschädigen – das müsste unseres Erachtens auch in ihrem Interesse sein, ansonsten wäre die Aktion ziemlich widersprüchlich.»
End Fossil hatte bereits seit Wochen auf Social Media und mit Postern zur Uni-Besetzung mobilisiert. 8. Mai, Münsterplatz. Medien erhielten noch am Morgen vor der Besetzung eine kurze Info, dass es nun doch auf dem Petersplatz losgehe. Geplant war laut Rosa Büchler, dass man zur grösseren Mobilisierung vom Münsterplatz zum Petersplatz laufe. Das wurde spontan umentschieden: Einen unbewilligten Demonstrationszug wollte man dann doch nicht riskieren – aus Angst vor polizeilichen Repressionen. Viele Aktivist*innen seien traumatisiert von den Polizeieinsätzen zuletzt am 1. Mai und am Frauentag am 8. März. Ob die Polizei den unbewilligten Demozug gestoppt hätte, könne sie nicht sagen.
Dazu setzt das BVD auf «Dialog und Sensibilisierung» – wenn wie beim Basler Klima-Camp im vergangenen Sommer Kollateralschäden für die Natur entstehen sollten, soll die Rechnung für die Instandsetzung auf Kosten von End Fossil gehen. Von den Besetzer*innen heisst es, sie hätten vorab die Stadtgärtnerei informiert, dass sie sich gut um Park und Bäume kümmern wollen.
Entspannt bleibt auch die Uni, wie Mediensprecher Matthias Geering erklärt. Ein bisschen erinnert diese Lockerheit schon auch an die Gymnasiumsbesetzung von End Fossil im Januar, die fast mit offenen Armen empfangen wurde.
Offiziell ist das Mantra zwar «besetzen bis zum Erfolg». Doch so lange werden die Aktivist*innen bei dem wechselhaften Wetter dennoch nicht ausharren wollen. Zumindest mal bis Freitag soll die Besetzung des Petersplatzes bestehen bleiben (sonst kommt sie auch dem Petersplatz-Flohmarkt am Samstag in die Quere) – wenn sie nicht vorher geräumt wird. Konfliktpotenzial besteht dafür allerdings nicht viel. Lediglich die Plattformen in den Bäumen sind dem BVD ein Dorn im Auge und sollen «nicht toleriert werden».
Die Besetzung wird derzeit geduldet und nicht geräumt – die Polizei sieht keine Anzeichen für Gewalt. Das gibt auch bei unserer Frage des Tages zum Thema zu reden. Basler Grossrät*innen sind sich uneinig: Sasha Mazzotti von der SP findet, eine solche Aktion störe nicht und könnte wegen ihrer Reichweite eine breite Wirkung erzielen. Michael Hug von der LDP hingegen sagt, es hätte eine Bewilligung gebraucht.
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