Journalismus- statt Dividendenförderung

Das Medienunternehmen Tamedia, zu dem auch die Basler Zeitung gehört, hat einen Kahlschlag angekündigt. 90 Redaktionsstellen werden schweizweit wegrationalisiert. Die Verleger*innen müssen einsehen: Journalismus machen und Dividenden auszahlen passt nicht zusammen, kommentiert Chefredaktorin Ina Bullwinkel.

Tamedia Stellenabbau
(Bild: © Raisa Durandi / Collage Bajour)

Was wollen wir von den Medien? Wir wollen wissen, was in Basel, der Schweiz, Europa und der Welt los ist. Wollen informiert werden – unabhängig und so nah an der Wahrheit wie möglich, am besten unterhaltsam. Dass das nur mit gutem Journalismus möglich ist: eine Binsenwahrheit. Je mehr Geld in die Berichterstattung fliesst, desto besser fällt sie aus. Aber wir beobachten seit Jahrzehnten das Gegenteil: Stellen werden abgebaut, die Ressorts sind immer dünner besetzt. Recherchen können nicht mehr so ausführlich oder gar nicht umgesetzt werden. Das Aufgaben-Portfolio wächst, Burnout-Erkrankungen nehmen zu und viele (gute) Journalist*innen verlassen die Branche. 

Und jetzt schon wieder ein harter Schnitt in das Herz vieler Redaktionen.

Tamedias Ankündigung «In eigener Sache» ist überschrieben mit «Weichenstellung für unabhängigen Qualitätsjournalismus» – das liest sich zynisch. 90 Redaktionsstellen werden schweizweit wegrationalisiert. Besserer Journalismus mit weniger Kräften? Das ist ein Widerspruch und das wissen auch die Oberen von Tamedia. Sie nennen den Abbau «Bündelung der Kräfte». Dabei heisst es nichts anderes als eine weitere Einschränkung der Meinungsvielfalt. Wenn es ein Medienhaus trifft, dann trifft das immer die gesamte Branche. «Bündelung» – weniger Inhalt aus weniger Quellen ist keine Zukunftsstrategie, für die man sich auf die Anzugträger*innen-Schulter klopfen sollte.

Der Medienplatz Basel steht unter Druck, alle Publikationen kämpfen um Abonnent*innen, Werbeplätze und das Überleben.

Tamedia verweist auf den grundlegenden Umbruch der Medienbranche, was sicherlich ein grosser Faktor ist. Was aber ist mit der Haltung, – die noch immer besteht – und zwar dass beim Journalismus konstant eine hohe, auszuzahlende Dividende für die Gesellschafter*innen herausspringt, während man gleichzeitig nach noch höherer (Print-) Medienförderung ruft. 

Zu lange waren die Verlage verwöhnt vom alten Geschäftsmodell, bei dem die Abonnements und Werbekund*innen die Druckerei, den Journalismus und auch noch die Verwaltung finanzierten. Aber die Bereitschaft, für Journalismus zu zahlen, ist tief. Das Renditemodell hat ausgedient. Mit Werbung lässt sich, vor allem online, kaum noch Geld verdienen. Guten Journalismus zu finanzieren, ist teuer und für einige zum Verlustgeschäft geworden. 

Vor allem den Lokaljournalismus trifft der stetige Abbau schwer. Am ersten Basler Medientag dieses Jahr war Gelegenheit, um über die Herausforderungen der Branche zu sprechen. Stattdessen wurde viel schön geredet, auf die Medienvielfalt in Basel verwiesen und von SP-Regierungsrat Kaspar Sutter eine kantonale Medienförderung ins Aus geschossen. Dabei steht der Medienplatz Basel unter Druck, alle Publikationen kämpfen um Abonnent*innen, Werbeplätze und das Überleben. Das zeigt der Abbau bei bz (CH Media), bei der SRG, bei Telebasel und jetzt bei der BaZ (Tamedia) überdeutlich.

Lokaljournalismus stirbt im Dunkeln, wenn es immer mehr schwarze Flecken in der Berichterstattung gibt.

Alle Zeichen deuten schon lange auf eine umfassende Journalismusförderung – egal, ob Online oder Print. Zumindest, wenn es echten, unabhängigen Journalismus weiterhin auch auf lokaler Ebene geben soll. «Democracy dies in Darkness» lautet seit 2017 der Slogan der US-amerikanischen Zeitung «Washington Post». Lokaljournalismus stirbt genauso im Dunkeln, wenn es immer mehr schwarze Flecken in der Berichterstattung gibt. Es stirbt der kritische Blick auf die Behörden, Politiker*innen und Unternehmen und – in der direkten Demokratie – auch auf sich selbst.

Der Verleger*innenverband Schweizer Medien hat heute dazu aufgerufen, die indirekte Presseförderung für die Lokal- und Regionalmedien zu erhöhen. Genau mein Humor: Den Zug bei der Digitalisierung verpassen, aber weiter auf das alte Konzept setzen. Denn: Dieser Vorschlag bezieht sich auf eine Ermässigung der Zustelltaxen und schliesst reine Online-Medien wie Bajour oder OnlineReports weiterhin aus. Bleibt nur zu hoffen, dass es auf Bundesebene eine Medienförderung geben wird, die nicht weiterhin als Spielball der Politik ad absurdum getrieben, sondern im Interesse der informierten Bevölkerung ausgestaltet wird. Für einige Medien wird die Förderung zu spät kommen. Und für viele Journalist*innen auch: Sie werden die Branche verlassen und vermutlich nicht zurückkehren. 

Je länger die Politiker*innen keine wirkliche Medienvielfalts-Förderung zustande bringen, wirken sämtliche Versuche, die SRG in ihrem Informationsauftrag zu behindern, wie die undemokratische Idee, langfristig eine uninformierte Bevölkerung besser für dumm verkaufen zu können. 

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