Unzuverlässige Informationen spalten, glaubwürdige erlauben den Dialog
Journalismus hilft, die Welt zu verstehen. Aber die Medienbranche steckt in einer Krise. Wer profitiert davon? Und weshalb stehen wir alle in der Verantwortung? Ein Kommentar.
Hattest du gestern auch Kinder in deinem Betrieb? Es war Zukunftstag, Bajour hatte vier Kinder zu Besuch. Und im SRF-Regionaljournal sagte ein Mädchen, es könne sich gut vorstellen, Journalistin zu werden.
Als ich den Zukunftsträumen der Kinder lauschte, kam mir Rosmarie in den Sinn. Sie stand kurz vor der Pensionierung, als ich frisch im Journalismus anfing. Eines Abends kurz vor Redaktionsschluss sagte sie mir: «Wechsle den Beruf, Andrea. Der Journalismus hat keine Zukunft.» Rosmarie hat x Kündigungswellen erlebt.
Das ist etwa 14 Jahre her, der Medienabbau geht immer weiter. Im gestrigen Finanzbericht vermeldet die Republik ein Defizit von 1,6 Millionen Franken, berichtet Tamedia (noch nicht online).
Trotzdem glaube ich an den Journalismus. Nicht nur als Medienfrau. Auch als Bürgerin bin ich auf zuverlässige Informationen angewiesen, um mir einen Reim auf diese verrückte Welt zu machen.
«In den sozialen Medien herrscht in letzter Zeit viel Hass und wenig Einordnung.»
Nehmen wir den Anschlag auf Israel am 7. Oktober, bei dem Terroristen der Hamas über 1400 Menschen ermordet haben. Das Ganze überfordert mich emotional und intellektuell. Meine kleine Lebenswelt ist bedeutungslos, aber ich gehe davon aus, dass es vielen Menschen so geht.
Das hat auch damit zu tun, dass wir uns häufig via soziale Medien informieren. Und dort herrscht in letzter Zeit viel Hass und wenig Einordnung. Da ist der Antisemitismus, der sich wieder deutlicher bemerkbar macht. Aber auch die Polarisierung: Jüd*innen werden gegen Muslim*innen ausgespielt und jene, die sich solidarisch zeigen gegen jene, die es nicht tun.
Von dieser Polarisierung profitieren Extremisten. Zuvorderst die radikalen Islamisten der Hamas, welche mit den zivilen Opfern auch die Annäherungen zwischen Israel und den Arabern abwürgten. Nun missbraucht ein Teil der Rechtspopulisten hier in Europa den Antisemitismus für antimuslimische Ressentiments. Und manche Linke brechen den komplizierten Konflikt übers antikolonialistische Knie und machen ihn für ihre Ideologie passend.
«Von einer geschwächten SRG profitieren Lobbyist*innen mit einer klaren Agenda und genug Geld, um sich willige Medien zu kaufen, welche diese Agenda transportieren.»
Dagegen hilft sachliche Information. Unzuverlässige Informationen spalten, glaubwürdige erlauben den Dialog. Diese liefern die Schweizer Medien zuverlässig. Sie machen hin und wieder Fehler, waren am Anfang teilweise überfordert. Aber im Grossen und Ganzen erhalten wir in der Schweiz zuverlässige, sachliche Berichte aus unterschiedlichen Perspektiven.
Daher ist es meiner Meinung nach bedenklich, dass nun bei der SRG die Mittel gekürzt werden sollen, wie wir im gestrigen Briefing berichtet haben. Von einer geschwächten SRG profitieren Lobbyist*innen mit einer klaren Agenda und genug Geld, um sich willige Medien zu kaufen, welche diese Agenda transportieren.
Dass private Qualitätsmedien etwas vom SRG-Abbau haben, bezweifle ich. Einige Verleger glauben zwar immer noch, dass sie mehr Online-Abonnent*innen gewinnen, wenn die SRG ihr Angebot reduziert. Aber es ist fraglich, ob sich mit reinem Journalismus im kleinen Einzugsgebiet Schweiz überhaupt je genug Geld verdienen liess.
Das ist meine Meinung, liebe*r Leser*in. Was ist deine? Diskutier bei der Frage des Tages mit.