Basler Journis bekommen Schlichtungsstelle

Journalist*innen sollen weniger Hürden bekommen, um Dokumente der Regierung anschauen zu können. Für den Fall von Streitigkeiten über den Einblick in Interna will der Grosse Rat jetzt Schlichtungsverfahren einführen.

19. März 2025
Christine Keller (SP) konnte die Mehrheit des Grossen Rats von ihrem Anliegen überzeugen. (Bild: Michael Fritschi)

Auf den Punkt:

  • Journalist*innen nutzen das Öffentlichkeitsgesetz, um für Recherchen Einblick in Dokumente der Verwaltung zu bekommen.
  • In manchen Fällen wird das Gesuch trotzdem abgelehnt. Um sich das teure Gerichtsverfahren zu sparen, fallen einige Recherchen ins Wasser.
  • Der Grosse Rat senkt jetzt die Hürde: Die Regierung muss kostenlose Schlichtungsverfahren einführen.

Mit dem Öffentlichkeitsgesetz soll gewährleistet werden, dass alle Personen Zugang zu Dokumenten der Verwaltung haben. Journalist*innen nutzen dieses Gesetz immer wieder für Recherchen – so wollte es auch Bajour tun, um sich über die Einkesselung der 1.-Mai-Demo 2023 zu informieren. Doch es gibt Fälle, in denen die Verwaltungen trotz Öffentlichkeitsgesetz die Einsicht verwehren können – das war auch bei unserer Recherche so.

In anderen Kantonen und auf Bundesebene gibt es die Möglichkeit, sich in so einem Fall kostenlos an eine Schlichtungsstelle zu wenden. In Basel-Stadt muss man derzeit direkt vor Gericht ziehen. Aus Kostengründen verzichten deshalb Medien immer wieder auf diesen Schritt. So auch wir. Durch unsere Recherche wurde SP-Grossrätin Christine Keller darauf aufmerksam und setzte sich mit einer Motion dafür ein, dass auch Basel eine Schlichtungsstelle einrichtet.

Eine Mehrheit im Grossen Rat stimmte ihrem Anliegen am Donnerstag zu: 56 Grossrät*innen waren für die Überweisung (bei 29 Nein-Stimmen und 2 Enthaltungen). Der Regierungsrat selbst hatte zuvor noch in seiner Stellungnahme begründet, warum die Motion nicht überwiesen werden sollte.

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«Auf Bundesebene fallen in zwei Drittel der Fälle Entscheidungen in unter drei Monaten – kein Gericht entscheidet schneller.»
Christine Keller, SP-Grossrätin

Die wichtigsten Argumente für eine Ablehnung legten in der Ratsdebatte noch einmal die beiden Anwälte Lukas Faesch (LDP) und Stefan Suter (SVP) dar, deren Parteien jeweils die Nicht-Überweisung beantragten. Als «teures Schaulaufen» bezeichnete Faesch die Schlichtungsverfahren, weil diese die Gerichtsprozesse verlängern würden. Und Suter sagte: «Schlichtungen bringen nur etwas, wenn es Verhandlungsmasse gibt. Im Falle des Öffentlichkeitsprinzips kann man aber nicht verhandeln, nur Seite 9 eines Dokuments zu veröffentlichen.»

Dieser Haltung widersprach Anwalt und Mitte-Grossrat Bruno Lötscher, der damit gegen Fraktionslinie argumentierte: «Schlichtungen sind schnelle, billige und bürgerfreundliche Verfahren.» Dem stimmte Motionärin Christine Keller selbst zu: «Auf Bundesebene fallen in zwei Drittel der Fälle bei Schlichtungsverfahren beim Öffentlichkeitsgesetz Entscheidungen in unter drei Monaten – kein Gericht entscheidet schneller.» Entsprechend ressourcensparend wäre es, wenn es auch in Basel Schlichtungsverfahren gebe.

RR Conradin Cramer
«Der Zugang zu Verwaltungsdokumenten sollte sich an gesetzliche Vorgaben richten – und nicht Gegenstand von Verhandlungen sein.»
Conradin Cramer, LDP-Regierungsrat

«Wenn die weisen Juristen sich nicht einig sind, dann hören Sie auf den weisen Regierungsrat», sagte Regierungspräsident Conradin Cramer noch, bevor es zur Abstimmung ging. Er erinnerte daran, dass eine Schlichtungsstelle bewusst nicht beschlossen wurde, als das kantonale Öffentlichkeitsgesetz verabschiedet wurde – und einen Antrag gab es auch nicht, als das Gesetz jüngst überarbeitet wurde.

«Der Zugang zu Verwaltungsdokumenten sollte sich an gesetzliche Vorgaben richten – und nicht Gegenstand von Verhandlungen sein», befand Cramer. Die Mehrheit im Grossen Rat sah das jedoch anders. Bis in zwei Jahren soll der Regierungsrat jetzt einen Vorschlag vorlegen, wie das Öffentlichkeitsgesetz angepasst werden müsste, damit es in Basel hierfür Schlichtungsverfahren geben kann.

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Das ist David (er/ihm):

Von Waldshut (Deutschland) den Rhein runter nach Basel treiben lassen. Used to be Journalismus-Student (ZHAW Winterthur) und Dauer-Praktikant (Lokalzeitungen am Hochrhein, taz in Berlin, Wissenschaftsmagazin higgs). Besonderes Augenmerk auf Klimapolitik, Wohnpolitik, Demopolitik und Politikpolitik. Way too many Anglizismen.

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