Nur Tote schwitzen dieser Tage nicht
In seiner neuen Kriminalsatire muss Lukas Holligers Kommissar Glut einen Fall im Basel der 80er-Jahre lösen. Mit Kulturjournalistin Esther Schneider spricht er über seine Erinnerungen an damals, über den Kalten Krieg und schwarzen Humor.
Was für ein Sommer. Es ist das Jahr 1983. Es war heiss wie noch selten; und das über Wochen. Die Temperaturen stiegen teilweise bis auf 40 Grad. In diesem Sommer spielt der neue Roman des Schriftstellers und Hörspielautors Lukas Holliger. Angesiedelt ist er in Basel und trägt den Titel «1983 – Verfluchte Hitze».
Es ist eine politische Kriminalsatire, die es in sich hat und den «Kalten Krieg» zum Thema macht. Esther Schneider hat den in Basel lebenden Autor zum Gespräch getroffen.
Lukas Holliger ist Schriftsteller, Hörspiel- und Theaterautor. Er lebt mit seiner Familie in Basel, wo er auch geboren und aufgewachsen ist. Auch seine Romane sind in Basel angesiedelt. Etwa sein Romandebüt «Das kürzere Leben des Klaus Halm», das 2017 für den Schweizer Buchpreis nominiert war und im Zytglogge-Verlag publiziert wurde. 2021 erschien in der Edition Meerauge der Erzählband «Unruhen». Diesen Frühling ist nun der Kriminalroman «1983 Verfluchte Hitze» erschienen.
Lukas, dein Kommissar heisst Glut und er fackelt gleich am ersten Arbeitstag bei der Basler Kriminalpolizei aus Versehen den halben Wald ab. Das ist ein spezieller Einstieg in einen Kriminalroman.
Das ist witzig und zugleich tragisch gemeint. Und zwar, weil so viele Menschen auf unserem Planeten das Gute wollen, aber dann ungewollt Katastrophen anrichten. Die 80er-Jahre waren eine Zeit, da die Leute idealistisch unterwegs waren, etwa mit den Friedensbewegungen. Und doch kam nie etwas wirklich Gutes dabei raus, mit Ausnahme vielleicht der Verhinderung des Kernkraftwerks Kaiseraugst. Und so verhält es sich auch mit Kommissar Glut. Er verkörpert so was wie den guten Polizisten, aber er richtet auch Unheil, an mit seinem Zigarettenstummel im ausgetrockneten Wald. Diese versehentliche Brandstiftung ist eine Art Prolog und steht als Metapher für das Scheitern.
Und dieser Prolog gibt auch gleich die Tonalität an. Humor und Witz spielen eine wichtige Rolle im Roman. Das zeigt sich daran, dass sich Glut ausgerechnet in einen Atombunker aus der Zeit des Kalten Krieges rettet, der «auf den Tag wartet, an dem die Russen die Nerven verlieren».
Nun, die Schweiz ist ja voll mit Bunkern, man sieht sie überall. Und es gibt sicher Leute, die total enttäuscht sind, dass wir die Bunker nie benutzt haben. Natürlich eignet sich dieser Kalte Krieg ausserordentlich gut für schwarzen Humor. Da bin ich vielleicht bei Stanley Kubrick mit seinem «Dr. Stranglove». Der Kalte Krieg ist einfach eine gute Plattform für böse Satire.
«Das West-Ost-Denken, das auch paranoide Züge angenommen hat. Da war man manchmal ziemlich dubios unterwegs war. Und das finde ich interessant.»Schriftsteller Lukas Holliger
Stichwort Kalter Krieg. Das ist das Kernthema deines Kriminalromans. Ein russischer Wahrsager liegt ermordet in seiner Villa. Zur gleichen Zeit schliesst das eidgenössische Polizei- und Justizdepartement das russische Pressebüro Nowosti. Das ist 1983 tatsächlich passiert. Was hat dich auf diesen Stoff gebracht?
Ich bin auf die Nowosti-Affäre gestossen beim Durchforsten der Zeitungen jener Zeit. Ich wollte ja wissen, was damals politisch los war. Für mich war die Schliessung des NowostiBüros ein spannender Stoff. Die Bundespolizei musste das ja begründen. Denn es gab damals auch Anschuldigungen gegen die Friedensbewegung und die hat sich gewehrt. Auch der Vorwurf der Pressezensur stand im Raum. Es gab in diesem Fall aber keinen Straftatsbestand wie bei einem Verbrechen. Es hiess dann, es sei eine Sache der politischen Polizei. Nur was ist die politische Polizei und welche Kompetenzen hat sie? Das sind interessante Fragen. Da bewegt man sich in einer Grauzone, wo die ganze Ideologie jener Zeit sichtbar wird. Das West-Ost-Denken, das auch paranoide Züge angenommen hat. Da war man manchmal ziemlich dubios unterwegs war. Und das finde ich interessant.
Eine grosse Stärke deiner Kriminalsatire ist das Zeitkolorit. Ich hatte grossen Spass da hineinzutauchen. Da gibt es vieles, an das ich mich selber noch erinnere: Etwa die zugequalmten Raucherabteile in den Zügen, Kaufhäuser wie EPA und ABM.
Mir gefiel vor allem das EPA-Restaurant. Da sassen Baslerinnen und Basler drin, die sich ein Essen oder einen Kaffee dort gerade noch leisten konnten. Ich sass da etwas später, in den 90er-Jahren, oft und gern zum Schreiben und Beobachten. Es war von der Stimmung her wie in einem Fassbinderfilm. Ich hatte das Gefühl, hier sehe ich ganz normale Menschen. Das war so ein Sammelbecken. Schade, dass es das nicht mehr gibt. Ich weiss nicht, wo diese Leute heute ihren Kaffee trinken.
«Mir ist aufgefallen, wie gentrifiziert Basel im Vergleich zu damals ist. Die Stadt hat sich schon sehr verändert.»Schriftsteller Lukas Holliger
Deine Kulisse ist die Stadt Basel. Du musstest bei der Recherche die Strassenzüge, die Lokale aus der Zeit von 1983 beschreiben. Wie bist du da vorgegangen.
Ich kann mich noch an vieles erinnern. Zum Beispiel der Arbeitsweg von Kommissar Glut. 1983 führte der noch am Basler AJZ vorbei, das damals gerade abgerissen worden war, oder an Stripclubs, die es heute auch nicht mehr gibt. Dabei ist mir aufgefallen, wie gentrifiziert Basel im Vergleich zu damals ist. Die Stadt hat sich schon sehr verändert.
Welchen Ort würdest du gern aufsuchen, wenn du in das Jahr 1983 zurück könntest?
Ich glaube ich würde in die Steinenvorstadt gehen. Das war damals die perfekte Kinostrasse. Heute ist kein einziges mehr dort. Ich würde in die Stimmung der Strasse eintauchen und ein Kino besuchen. Der Held in meinem Roman geht dort in den Gangsterfilm «Scarface» von Brian de Palma. Den würde ich mir dort anschauen.
Es gibt in Basel den berühmten Kommissär Hunkeler in den Krimis von Hansjörg Schneider. Dein Kommissar Glut ist auch so eine Figur, die man weiterentwickeln könnte? Denkst du an einer Basler Krimi-Serie herum?
Im Hörspiel-Vierteiler, der dem Roman vorausging, bin ich ja schon auf den Geschmack gekommen. Es wäre reizvoll, diesen Heiner Glut weiter zu begleiten bis in die Nuller-Jahre, gerade weil ich ihn inzwischen so gut kenne. Das spukt schon im Hinterkopf herum. Im Moment habe ich jetzt ein anderes Romanprojekt auf dem Tisch, das Vorrang hat. Aber wer weiss.
Da ganze Gespräch ist zu hören im Podcast LiteraturPur.
Hier geht es zum Podcast bei Apple Music und Spotify.