Kunst im Hotelbett
Während der Pandemie war die Stimmung im Basler Tourismus etwa so schlecht wie bei den Künstler*innen. Da kam das Hotel Nomad auf eine Idee.
Das Nomad ist eigentlich bekannt für ein urbanes Hotelerlebnis: Man betritt das Lifestyle Hotel durch eine grosse Holztüre, der Eingangsbereich ist hoch, das Inventar sieht aus wie direkt aus Kopenhagen importiert. Wände und Decken sind aus Beton, Holzmöbel sorgen für Wärme. Unten sind Bar und Eatery, oben Hotelzimmer. Doch diesen Samstag wird aus dem Hotel auch noch eine Art Museum: Neun lokale und internationale Künstler*innen stellen in neun Zimmern ihre Werke aus. Dort wird dann nicht mehr geschlafen, sondern sinniert.
Wie das?
Die unkonventionelle Idee entstand, wie das oft passiert, in der Krise. Corona legte den Geschäftstourismus lahm und fegte die Zimmer leer. Thomas Gratwohl, Projektleiter im Nomad, sass zu Hause im Homeoffice. Und hatte eine Idee: Warum nicht zwei Branchen, die ähnlich leiden, zusammenbringen?
Er wusste: Künstler*innen sassen ebenfalls auf dem Trockenen, Ausstellungen waren abgesagt, Kunstschaffende hatten teilweise nicht mal Zugang zu ihren Ateliers an den Kunsthochschulen. Gratwohl dachte: «Wo Türen sich schliessen, muss man neue öffnen.»
Ein Telefon reicht
Also ruft er seinen Bekannten Dorian-Orlando Weber an. Der Künstler studiert eigentlich in Glasgow, sitzt aber ebenfalls in Basel daheim - Homestudium. Zuerst ist er wenig begeistert von Gratwohls Idee, die Hotelzimmer mit Kunst zu bespielen. «Ich dachte zuerst, Thomas wolle meine Kunst ausstellen. Das passte zu diesem Zeitpunkt einfach nicht – das konnte und wollte ich nicht anbieten». Aber dann werden sie sich einig: Die Idee hat Potenzial, Bedürfnisse im Hotel und in der Kunstszene abzudecken.
Das Hotel brauchte «Leben im Haus», sagt Gratwohl. Die Künstler*innen dagegen wünschten sich, «Ausstellungsraum zu bespielen und sich mit anderen Gleichgesinnten vernetzen», sagt Weber. Gesagt – getan. Weber kuratierte. Die Premiere der Kunstausstellung ging anfangs Mai letzten Jahres über die Bühne, mit Erfolg.
Und weil die Ausstellung auf so viel Begeisterung stiess, werden die Zimmer auch dieses Jahr wieder zum Ausstellungsprojekt.
Zum Zeitpunkt des journalistischen Gesprächs ist das Nomad noch mitten in den Vorbereitungen. Ein Künstler kommt dazu. Aber er braucht nicht den Kurator, wie sonst, sondern den Hotelier. Ob es möglich sei, die Leselampen im Zimmer wieder anzumontieren? So wird der Gastgeber zum Kunstermöglicher, Elemente des Hotels werden in die Installationen einbezogen. Weber sagt über ihn: «Thomas hat ein gutes Auge und kennt die Infrastruktur und Materialien in den Zimmern, deshalb ergänzen wir uns.»
Zwei Welten
Es ist dieser Austausch zwischen zwei Welten, der für beide Branchen eine Bereicherung darstellt und den Horizont erweitert. Etwa auch im Bewerbugnsprozess: Neben Kunstkenner*innen wie Kunst vermittlerin Eva-Maria Knüsel oder Alice Wilke, Kunstwissenschaftlerin und Kuratorin am Kunstmuseum Basel, war auch das Hotel mit einer Stimme in der Jury vertreten. Hier zeigten sich die unterschiedlichen Charaktere der beiden Branchen.
Hotelier Gratwohl gab seine Stimme anhand subjektiver Eindrücke ab – im Hinterkopf die Umrisse der Zimmer. «Hast du dir nie dazu Gedanken gemacht, Dorian?», fragt er. Weber konzentrierte sich dagegen mehr auf das Werk an sich: «Das sind offensichtlich nun die Unterschiede zwischen Hotel-, und Kunstwelt», sagt er. Für ihn liegt die Schönheit des Projektes genau darin.
Dorian Weber schätzt auch den Klassenfahrt-Charakter: «Alle Beteiligten sind drei Tage vor Ort, frühstücken gemeinsam und trinken am Abend zusammen einen Negroni». Das tue der Kunst wohl und lege Grundsteine für zukünftige Projekte – «alle profitieren». Dementsprechend gross das Interesse von Künstler*innen: 56 Bewerbungen hat das Projekt erhalten, «die Qualität der Eingaben: alle extrem hoch». Letztes Jahr war viel Kunst mit Pandemiebezug zu sehen.
Dieses Jahr tritt Corona bei einigen Werken wieder in den Hintergrund. Gratwohl sagt: «Du tauchst in jedem Hotelzimmer in komplett neue Welten ein». Das mache das Setting aus, verrät Weber zum Schluss: «Das Austellungserlebnis beinhaltet viel», da man in Räume reingehe, bei denen man auch mal ums Eck schauen könne, «zum Beispiel in die Hotelzimmer-Dusche». So freuen sich der Kurator und der Hotelier auf die Begegnungen zwischen Künstler*innen, Publikum und Hotelgästen.
Kunst im Nomad
9. bis 24. April, Brunngässlein 8, Basel
Die Künstler*innen:
Anina Müller / Eden Dodd / Janica Irina Madjar / Jodok Wehrli / Niki Yelim / Otto Szabo / Sophie Yerly / Till Langschied / Yu Chunju
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