Demonstration nach Vergewaltigung

Am Samstagmorgen wurde in Basel eine Frau vergewaltigt. Die Staatsanwaltschaft informierte am Sonntag über den Vorfall. Noch am gleichen Abend kam es zu einer Spontandemonstration, an der rund 100 Personen teilnahmen.

Rund 100 Personen demonstrierten spontan gegen Gewalt an Frauen. (Bild: Mirjam Kohler)

Am Sonntagabend, kurz nach 18 Uhr breiten zwei junge Frauen auf dem Claraplatz Transparente mit gesprayten Slogans aus. «Gestern: Eine Frau wird in Basel vergewaltigt» steht auf dem einen,  «Keine* einzige mehr! 01.02.2020» auf dem anderen. «Schon wieder eine Vergewaltigung!», entfährt es einer Passantin.

Die beiden jungen Frauen gehören zu einer Gruppe von etwa 100 Personen, die einem Demonstrationsaufruf gefolgt sind, der am Sonntagabend, 2. Februar unter anderem über Whatsapp kursierte. «Zeigen wir uns solidarisch mit den Opfern sexualisierter Gewalt. Ein Angriff auf eine ist ein Angriff auf uns alle!», stand darin. Ein*e Absender*in wurde nicht genannt.

Der Hintergrund: Am Samstagmorgen, dem 1. Februar, wurde im St. Johannsquartier eine Frau von zwei Männern vor ihrem Haus vergewaltigt. Die Staatsanwaltschaft veröffentlichte am Sonntag einen Zeugenaufruf zum Vorfall. Lokale und nationale Medien berichteten und am selben Abend kursierte in Basel eben dieser Aufruf zu einer Spontankundgebung über verschiedene Verteiler.

Wut, Trauer, Ohnmacht

Viele Demonstrierende sind mit dem Velo da. Sie stehen in kleinen Gruppen beisammen und tauschen sich aus. Sie sind überwiegend jung, zwischen 20 und 30 Jahre alt und dem linken Lager zuzuordnen. Etwa die Hälfte ist männlich. Eine Frau greift zum Megafon: Gewalt gegen Frauen sei kein Einzelfall, sondern habe System, sagt sie.

«Alle zwei Wochen wird in der Schweiz eine Frau durch ihren Partner oder Expartner ermordet. Jede Woche überlebt eine Frau einen solchen Mordversuch. Vergewaltigung in der Ehe war in der Schweiz bis 1992 erlaubt.» Dann setzt sich die  Demo langsam in Bewegung. Parolen werden geschrien, der Kapitalismus und das «Mackertum» angeprangert.

«Kein Gott, kein Staat, kein Patriarchat», schreit eine Demonstrantin Mitte zwanzig mit. Sie gehe auf die Strasse, weil sie wütend sei. Weil sie traurig sei. Weil sie sich ohnmächtig fühle. Hier zu sein und zu sehen, dass der Vorfall auch andere beschäftige, helfe ihr, mit den Gefühlen umzugehen.

«Heute ertrage ich dieses Lachen nicht»

Die Demonstration zieht über die Mittlere Brücke, an Trams und Bussen vorbei, die für kurze Zeit aus dem Takt ihres Fahrplans gebracht werden. Die Leute schauen zu. Zu Fuss sind beim Nieselregen an diesem Sonntagabend nur wenige unterwegs.

Zwei junge Männer laufen vorbei und lachen. Ob sie wegen der Demo lachen, ist unklar. Eine Demonstrantin bleibt stehen, schaut die beiden an. Sie wenden den Blick ab, gehen weiter. «Heute ertrage ich dieses Lachen nicht», sagt die Demonstrantin, die um die dreissig und mit Kapuze und Schal unterwegs ist.

Die Demonstration überquert den Marktplatz. «Alerta, alerta, antisexiste», skandieren die Demoteilnehmer*innen. Sie laufen nicht absichtlich langsam, um die Trams noch länger aufzuhalten. Es kommt nicht zu Sachbeschädigungen oder Ausschreitungen. Es gibt keinen Liveticker der Medien.

Es ist ein wütender Trauermarsch, an dessen Ende auf dem Barfüsserplatz per Megafon zur Demonstration am 8. März, dem internationalen Frauentag, aufgerufen wird. «Hoffentlich müssen wir nicht öfter wegen so einer sexistischen Kackscheisse auf die Strasse», sagt eine verzerrte Frauenstimme durch das Megafon. Gegen sieben Uhr zerstreute sich die Demonstration.

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