Lehrpersonen investieren privates Geld

Eine junge Lehrerin startete bei der Facebook-Gruppe «Gärngschee – Basel hilft» einen Aufruf und fragte die Community nach allerlei Material für ihr Klassenzimmer. Doch warum muss die Lehrerin das selbst organisieren?

Der DaZ-Unterricht findet im Kindergarten integrativ statt, Suhr, 04. April 2019.
(Bild: © KEYSTONE / CHRISTIAN BEUTLER)

Zu Beginn eines neuen Schuljahres sind nicht nur die Kinder aufgeregt, sondern auch die Lehrer*innen. Alte Klassen werden verabschiedet, neue Gesichter kommen und vieles muss von den Lehrpersonen vorbereitet werden. Kinder, aber eben auch Klassenlehrer*innen möchten sich in ihren Räumen wohlfühlen. 

Eine junge Lehrerin, die eine neue Klasse übernimmt, hat deshalb bei der Facebook-Gruppe «Gärngschee – Basel hilft» einen Aufruf nach allerlei Schul- und Dekomaterial für ihr Klassenzimmer gestartet. Unter dem Beitrag entstand ein reger Austausch. In über hundert Kommentaren wurden Bastelperlen, ungebrauchte Bücherregale oder Plüschtiere angeboten. Es gab aber auch viele erstaunte Kommentare: Warum Lehrpersonen solche Materialien überhaupt selber organisieren müssen, war die Frage, die am meisten beschäftigte. Mehrere Personen äusserten sich dazu und versicherten, dass das normale Handhabe sei. 

Auch Bajour machte das stutzig und wir haben ebenfalls via Gärngschee-Post nachgefragt. In über 70 Kommentaren meldeten sich zahlreiche Lehrer*innen zu Wort. 

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«Das ist absolut üblich», schreibt eine Lehrerin, die nach eigenen Angaben sechs Jahre lang in verschiedenen Schulen im Kanton Basel-Stadt als Assistenz Sozialpädagogik gearbeitet hat. «Viel Material habe ich selbst mitgebracht, manches dort gelassen oder wieder mitgenommen, wenn ich den Standort gewechselt habe. Das Meiste an Material haben die Lehrpersonen während ihrer Laufbahn in all den Jahren selbst besorgt und auch bezahlt.»

Eine andere Lehrerin schildert: «Bin seit über 10 Jahren Primarlehrerin in Basel und ja, das ist gängige Praxis. [...] viele ‹Extras› muss man sich organisieren oder dafür Anträge stellen oder es dann halt aus der eigenen Tasche bezahlen.» Sie sei nie dazu gezwungen worden, etwas zu kaufen, aber es gehöre als «gängige Praxis» dazu.

Auch konkrete Summen werden genannt: Eine Lehrperson ist sich sicher, dass sie «5000 Franken privates Material» investiert habe. In Basel-Stadt sei das üblich: «Wenn man ein Möbel braucht, wartet man Jahre drauf – wenn es denn überhaupt bewilligt wird.» 

«Viel Material habe ich selbst mitgebracht, manches dort gelassen oder wieder mitgenommen, wenn ich den Standort gewechselt habe.»
Lehrerin, Kanton Basel-Stadt

Gewisse Dinge wie Lehrmittel, Grundmaterialien (z. B. Schulbücher und Papier) und Basismobiliar werden von der Schule zur Verfügung gestellt. Mit einem von der Schulleitung festgelegten Budget können vereinzelte Dinge ergänzt werden. Falls Lehrer*innen grössere Anschaffungen benötigen, könne man bei der Schulleitung Anträge stellen. Aus Sicht der Lehrer*innen sei das jedoch aufwändig und die Anträge würden oftmals auch abgelehnt. Vor allem Dekomaterial, Spielsachen und Bastelmaterialien kämen viel zu kurz, sagen die Lehrer*innen, sodass sie diese halt mit privaten Mitteln auftreiben. 

Gaudenz Wacker, Kommunikationsleiter des Basler Erziehungsdepartements (ED), versichert, dass Schulleitungen über ein «ausreichendes pauschales Budget» verfügen. Ausgaben «aus der eigenen Tasche» seien nicht nötig. Jede Schule verfüge über ein Budget für Spielzeug und Bastelsachen, ergänzt seine Stellvertreterin Valérie Rhein. «Lehrerinnen und Lehrer müssen das nicht selbst finanzieren.» Zudem könne die Schulleitung bei der Volksschulleitung einen Antrag auf ein Zusatzbudget stellen. Solche Anträge werden laut Rhein in der Regel bewilligt. Auch das Mobiliar werde zur Verfügung gestellt, versichert sie.

Dasselbe gelte für den Kanton Baselland, bestätigt Fabienne Romanens, Kommunikationsleiterin der Baselbieter Bildungs-, Kultur- und Sportdirektion (BKSD). Sie verweist aber auf die einzelnen Gemeinden, da im Baselbiet die Budgetmodelle variieren. 

«Schulleitungen verfügen über ein ausreichendes pauschales Budget, Ausgaben aus der eigenen Tasche sind nicht nötig.»
Gaudenz Wacker, Kommunikationsleiter des Basler Erziehungsdepartements

Marianne Schwegler, Vizepräsidentin der Freiwilligen Schulsynode Basel (FSS), kennt die Budget-Problematik. Es gebe zwar ein «anständiges Budget für Textil-, Werken- und Verbrauchsmaterial». Wolle man aber zusätzliche Lehrmittel oder Arbeitsmaterialien als Alternativen benutzen, würden das Lehrpersonen in der Regel selber finanzieren. «Meist gibt der Ausschlag für die Entscheidung, dass man selber etwas finanziert, die Überzeugung, dass es für die Klasse und den Unterricht gewinnbringend ist und die Kinder davon profitieren können», sagt Schwegler. Viele Lehrer*innen würden dabei auch selber basteln und bauen. «Da sind viele kreativ.»

Andreas Näf ist Teil der Schulleitung der Primarschule Münchenstein. Er sei schon lange dabei. Aus seiner Erfahrung als Lehrer wie auch als Schulleiter müsse keine Lehrperson privates Geld ins Klassenzimmer investieren. «Alle nötigen Möbel und Lehrmittel werden zur Verfügung gestellt.» Bei den zusätzlichen Materialien wie Pflanzen oder Bilder sähe das zwar anders aus. Näf versichert aber, dass jedes Schulhaus eine Materialsammlung mit «didaktischem Material» habe, bei der sich Lehrpersonen etwas ausleihen können.

Überraschende Rückmeldungen

Erstaunt zeigte sich Philipp Loretz, Präsident des Lehrer*innenvereins Baselland (LVB). Beim Verein seien bisher nur vereinzelt Anfragen und Rückmeldungen zum Thema Privatfinanzierung des Schulmaterials eingegangen. Er habe aufgrund der Anfrage selber Nachforschungen getätigt und erfahren, dass das zur Verfügung gestellte Budget insbesondere Primarlehrer*innen nicht ausreiche. Eine Lehrerin habe zwei Beamer privat bezahlt, andere Lehrer*innen hätten zusätzliches Geld in Schulausflüge investiert. «Bei diesen Rückmeldungen handelt es sich zwar nur um Stichproben, aber der Tenor ist deckungsgleich», hält Loretz fest. «Die Rückmeldungen haben mich überrascht, der LVB sieht Handlungsbedarf.»

Die Lehrer*innen aus der Gärngschee-Community würden eine einheitliche Regelung begrüssen und sich ein kantonales Depot für Schulmaterialien wünschen. Die Materialien seien ja eigentlich vorhanden, weil sich regelmässig Zimmer und Klassen auflösten. Die Verteilung müsste nur besser funktionieren, so die Lehrer*innen.

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