Fachkräftemangel: «Migranten sollten einfacher eine Arbeitsbewilligungen bekommen»
Das Unispital sucht händeringend Leute und das Migrationsamt will eine angehende Pflegende ausschaffen. Macht das Sinn? Das haben wir Leute aus der Wirtschaft gefragt.
Update: Mittlerweile hat die Härtefallkommission entschieden, dass die junge Sans-Papier in der Schweiz bleiben und ihre Lehrstelle antreten kann. Das hat die Basler Zeitung berichtet.
Die Spitäler suchen händeringend Pflegende – und das Migrationsamt will eine angehende Lernende ausschaffen. Anfangs Woche publizierte das Unispital ein Jobinserat. Es hat so wenig Pflegekräfte, dass das Unispital sogar Leute ohne Pflegeausbildung nimmt. Und bis ins Jahr 2030 fehlen der Schweiz 65’000 Pflegende, hat das Schweizerische Gesundheitsobservatorium ausgerechnet.
Derweil will das Basler Migrationsamt eine Sans-Papier ausschaffen, die kurz vor der Pflegelehre steht. Die BaZ berichtete am Dienstag über den Fall. Die 22-jährige Kolumbianerin hat keine Papiere, aber die Aussicht auf eine Pflege-Lehrstelle in einem Demenzheim. Die junge Frau hat gemäss BaZ eine Aufenthaltsbewilligung beantragt, doch offenbar erfülle sie die Kriterien nicht. Ein Grund: Wer eine Bewilligung möchte, sollte mindestens fünf Jahre die Schule besucht haben. Bei der jungen Frau waren es nur drei.
Die Anlaufstelle für Sans-Papier kritisiert, andere Kantone seien liberal und erteilten auch eine Bewilligung nach drei Jahren Schulbesuch, das liege im Ermessensspielraum der Kantone. Das Basler Justizdepartement verweist dagegen auf das Ausländer- und Integrationsgesetz. Im Gegensatz zu anderen Kantonen verfüge Basel-Stadt über eine Härtefallkommission, welche die Entscheidungen des Migrationsamts überprüfen könne. Das passiert nun auch: Am Donnerstag entscheidet laut BaZ die Härtefallkommission.
Macht es Sinn, auf ausländische Arbeitskräfte zu verzichten? Oder ist es ökonomisch Zeit für eine Willkommenskultur?
Das haben wir heute verschiedenste Leute aus der Wirtschaft gefragt. Doch nur vier wollten sich zu dem brenzligen Thema äussern. Es ist wohl kein Zufall, dass es sich dabei vorwiegend um Politiker*innen handelt.
Annina von Falkenstein, HR-Managerin und LDP-Grossrätin
«Gerade bei jungen Personen, denen möglicherweise eine Perspektive genommen wird ist ein solcher Fall sicherlich fatal, besonders in einer Branche, die einen Fachkräftemangel aufweist. Deshalb muss in diesem Fall genau hingeschaut werden – es wäre gut, dieses Dossier auf verschiedenen Schreibtischen landet.
Ich vertraue den Behörden, dass sie bei der Wegweisung den richtigen Entscheid treffen. Ganz allgemein sollten wir nicht zimperlich sein in Bereichen, wo Fachkräftemangel herrscht. Vielmehr sollten wir die Praxis so liberalisieren, dass auch gewisse Migrant*innen eine Arbeitsbewilligung bekommen, die Stand heute keine Berechtigung haben. Davon würde die Wirtschaft profitieren.»
David Wüest-Rudin, Unternehmensberater, ehemaliger Verwaltungsrat Bethesda Spital und GLP-Grossrat
«In einem Rechtsstaat muss das Recht für alle gleich gelten. Deshalb sollten auch alle Personen gleich behandelt werden, was die erleichterte Migration anbelangt. Im konkreten vorliegenden Fall eben auch unabhängig davon, in welcher Branche die Lehrstelle ist.
Eine gezielt gesteuerte Zuwanderung könnte aber sicher den Fachkräftemangel mildern, zum Beispiel in der Pflege. Neben der Zuwanderung aus der EU können dazu allenfalls die Kontingente für Drittstaaten beigezogen werden. Allerdings sollte gerade in der Pflege nicht zu sehr die Lösung in der Migration gesucht werden – die Pflegenden fehlen sonst einfach im Herkunftsland.
Das Gegenstück einer gezielten gesteuerten Zuwanderung bei Fachkräftemangel ist der Inländervorrang und die Meldepflicht von Stellen, wenn in einer Branche die Arbeitslosigkeit zu hoch ist. Dort soll dann eben gerade keine Zuwanderung erfolgen, damit in der Schweiz lebende Menschen einen Job finden.»
Franz-Xaver Leonhardt, CEO, Verwaltungsrat Krafft AG, Basel und Mitte-Grossrat
«Grundsätzlich finde ich: Wenn sich eine Person durch Arbeit auf einem positiven Weg in Richtung Integration befindet, müssen die Argumente für eine migrationsrechtliche Absage sehr überzeugend sein. Vermutlich ist Basel auch streng im Vergleich zu anderen, grosszügigeren Kantonen.
Ganz allgemein sollte man Asylbewerberinnen und -bewerber, die sich in einem unbekannten Status befinden, eine Arbeitsstelle ermöglichen. Das ist meiner Meinung nach die beste Möglichkeit der Integration. Im Hotel Krafft haben wir eine solche Erfolgsgeschichte. Ein Jugendlicher, der ohne Begleitung in die Schweiz nach Basel gekommen ist, hat bei uns eine Kochlehre absolviert. Mittlerweile ist er ein fester Teil der Krafft-Familie.
Ich bin kein Spezialist, aber wenn diese Leute bereits hier sind, ist es vermutlich von Vorteil, sie einzuarbeiten. Das ist besser, als wenn sie abtauchen und im Verborgenen und ohne jegliche Versicherungen arbeiten müssen.»
Maurus Ebneter, Präsident Wirteverband Basel-Stadt
«Das Schweizer Gastgewerbe ist offen für Nachwuchskräfte aus dem Ausland, aber der Aufenthaltsstatus muss geregelt sein. Übergeordnetes Recht wollen und müssen wir respektieren.
Unsere grösste Herausforderung liegt beim inländischen Arbeitsmarkt: Es muss uns gelingen, wieder mehr junge Leute oder Wiedereinsteigerinnen zu begeistern. Wir befinden uns hier auch in einem Wettbewerb mit anderen Branchen. In erster Linie wollen wir Inländerinnen und Inländer, also Personen, die bereits hier wohnen und arbeiten dürfen, gewinnen. Diskussionen rund um Sans Papiers sind Sache der Politik.
Alles in allem machen wir positive Erfahrungen mit Migrantinnen und Migranten. Viele von ihnen sind motiviert und lernwillig. Der Zugang zum Arbeitsmarkt muss für uns aber über den legalen Weg führen, was bei Personen aus den EU-EFTA-Staaten einfach ist.»
Du uns auch Deins?