Mit den Schneeschaufler*innen auf Tour

Basel versinkt wieder im Schnee und die Velofahrer*innen haben was zum Fluchen. Doch wie ist es eigentlich, die Strassen zu räumen? Praktikantin Valerie probierte es aus. Spoiler: Schreiben kann sie besser als schaufeln.

Mittwochnachmittag in Basel. Der Himmel ist grau, es schneit. Doch Yaimi Cuellar ist schon von weitem zu sehen. Sie trägt eine orange Leuchtkluft, Maske und eine Schaufel in der Hand. Seit sieben Uhr morgens ist Yaimi Cuellar in Basel unterwegs und schaufelt Schnee. Trotz der Kälte begrüsst sie mich mit einem warmen Lächeln. «Zwischendurch machen wir auch Pausen», sagt sie mir. «Schliesslich wollen die Leute im Winter auch morgens saubere Strassen.»

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Yaimi Cuellar und ihr Kollege vor dem Waisenhaus

Yaimi Cuellar arbeitet bei der Basler Stadtreinigung. Normalerweise putzt sie die Strassen, leert die Kübel. Aber wenn ausnahmsweise Schnee liegt, dann nimmt sie die Schaufeln in die Hand.

Letzten Winter hat es überhaupt nicht geschneit, dieses Jahr schon. Erst Mitte Januar war Basel im Schneechaos und jetzt passiert's wieder. Die Stadtreinigung hat viel zu tun. «Wir putzen dort, wo die Fussgänger durchgehen.» Und bei den Velowegen? «Klar, dort auch». 

Doch die Velofront fühlte sich offenbar diskriminiert. Jérôme Thiriet, Chef von der KurierZentrale, twitterte beim Flockdown Mitte Januar: 

Sogar eine Interpellation hat Thiriet, Grossrat der Grünen, eingereicht. Seine Kritik: Velowege und Trottoirs würden zu wenig geräumt. Die Antwort der Regierung steht noch aus. 

Thiriet ist nicht der einzige, der sich nervt. Ein Heimwehbündner warf der Stadtreinigung auf Twitter vor, sie wisse nicht, was sie tue, und empfahl, «Schnee- und Eisräumungskurse» im Engadin zu buchen.

Yaimi Cuellar ist sich das gewohnt. «Ach ja, es kommen unglaublich viele Beschwerden zu uns», sagt sie. «Erst recht an solchen Tagen wie heute. Fast jeder, der ausrutscht, schreibt eine Mail an die Hotline», sagt sie und zeigt auf einen Teil des Bodens, der nicht von Schnee befreit wurde. Einen Meter weiter ist ein breites dunkelgraues Band zu erkennen; dort wurde schon geschaufelt und gesalzen. 

Feuerwehr und Polizei haben Vortritt

Wann wo welche Strecke geräumt wird, bestimmen die Normen der Vereinigung Schweizerischer Strassen- und Verkehrsfachleute. Erst müssen Autobahnen und diejenigen Strassen schneefrei sein, auf denen Feuerwehr und so weiter durchfahren. Erst nachher kommen Quartierstrassen, Velowege etc. Und zwar sowohl in Basel, als auch im Engadin – die Regeln gelten für die ganze Schweiz.

Yaimi Cuellar hat heute rund um das Tinguely-Museum und den Claraplatz geschaufelt. Jetzt macht sie den Wettsteinplatz: «Hier müssen wir gut putzen, weil es viele Leute hat.» Dafür weniger beim alten Kinderspital: «Dort gehen nicht viele Menschen durch, da muss man nicht so viel schaufeln.» 

«Wir sind eine gute Gruppe, es herrscht immer gute Stimmung.»
Massimo Simonazzi, Einsatzleiter

Und wie ist das eigentlich während der Fasnacht?

Yaimi Cuellar findet es schade, dass dass die Fasnacht ausfällt. «Aber es erspart uns einige Arbeit. Räppli aus Regen oder Eis wegzuputzen ist ziemlich mühsam.» Normalerweise müssten sie für die grosse Aufräumaktion nach der Fasnacht um drei Uhr morgens aufstehen, und um vier, direkt nach dem Ändstraich, im Schnelldurchlauf die komplette Innenstadt reinigen. Das gibt es dieses Jahr nicht. 

Seit sieben Stunden ist Yaimi Cuellar nun auf den Beinen. Lange muss sie nicht mehr draussen ausharren: «Um vier Uhr haben wir Feierabend. Ich freue mich auf die Wärme, nach so langer Zeit draussen.» Jetzt steht für Yaimi Cuellar nur noch der Kontrollgang an. Bevor sie heim kann, muss sie nochmal die Gehwege kontrollieren und je nachdem das Fahrzeug putzen. Danach hat sie Feierabend.

Ich ziehe weiter zur nächsten «Schaufeltruppe». Beziehungsweise, eigentlich fahre ich. Denn Massimo Simonazzi fährt mich mit einem kleineren Einsatzfahrzeug zur Wettsteinallee. 

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Die gut gelaunte Truppe bei der Unterführung an der Kreuzung Wettsteinallee / Schwarzwaldallee möchte gerne anonym bleiben

Massimo Simonazzi ist der Einsatzleiter der Gruppe Wettsteinbrücke. Die ist gerade dran, die Treppe vor der Unterführung bei der Kreuzung Schwarzwald- und Wettsteinallee mit Schaufeln zu reinigen. Simonazzi will mir erklären, wie das geht, doch sein Kollege hält mich zurück: «Sprechen Sie Italienisch? Der Chef spricht nur italienisch», sagt er und zeigt auf den Gruppenleiter. «Ach was, das stimmt nicht», antwortet der grinsend. Gelächter bricht aus. «Wir sind eine gute Gruppe, es herrscht immer gute Stimmung», sagt Simonazzi.

In gleichmässigem Rhythmus schieben die Männer den Schnee von der Mitte zur Seite der Treppe. Ist er aus dem Weg, streut der «Chef» Salz aus. «Probieren sie mal, den Schnee wegzuschaufeln, dann wissen Sie auch, worüber Sie schreiben», sagt mir einer der Männer und schaut mich erwartungsvoll an. 

Heillos überfordert

Das lasse ich mir nicht zweimal sagen und schnappe mir eine Schaufel. Die oberste Schneeschicht ist schnell weg. Aber darunter ist das Eis. Ich bin heillos überfordert, die Schneeschaufel rutscht mir fast aus der Hand. Schmunzelnd zeigt man mir, wie man das eigentlich macht. «Bei Eis muss man draufhauen und das Eis brechen. Ich zeige Ihnen wie.» Ich versuche es und gebe mir ehrlich Mühe: Aber ich muss einsehen, dass ich das Schaufeln lieber den Profis überlasse. 

Der Schnee lässt den Gruppenleiter relativ unbeeindruckt. «Diese Schneemengen sind wenig im Vergleich zum Winter 2006, das war viel! Meterhoch war er damals.» 

Trotzdem sind Massimo Simonazzi die Sommermonate lieber: «Ich bin Südländer, von Sizilien, da arbeite ich natürlich lieber im Sommer.» Aber auch Schnee und Eis sind die Stadtreiniger*innen sich gewöhnt: «Wir sind immer draussen, ob heiss oder kalt.»

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Meine Schneeschaufelkünste? Eher bescheiden...

Wie geht's weiter?

Ab ins Einsatzfahrzeug, und stadteinwärts hin zur nächsten Stelle, die von Schnee befreit werden muss. Auch diese Gruppe hat um vier Uhr Schluss. Und darf wieder in die Wärme. Bis sie am nächsten Tag wieder die Stadt von Schnee und Eis befreit.

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Das ist Zeisi (sie/ihr)

Valerie aka «Zeisi» hat als Praktikantin bei Bajour gestartet, dann ein Studium begonnen und arbeitet nun nebenbei als freie Journalistin bei der bz sowie bei Bajour als Briefing-Schreiberin. Sie ist während der Vorfasnachtszeit – laut ihr das ganze Jahr – schlecht erreichbar, ist aber ständig unterwegs.

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