Auf der Suche nach Locals

Myfive vernetzt Migrant*innen mit Personen aus ihrer Umgebung. Bald feiert das Projekt seinen ersten Geburtstag. Ein Interview mit der Projektleiterin Maria Todaro.

Maria Todaro Myfive
(Bild: Ernst Field)

Maria, du bist vor 6 Jahren neu nach Basel gekommen. Ist es schwer, hier anzukommen?

Ich war schon bevor ich nach Basel kam in der Schweiz, genauer gesagt in St. Gallen. Es war also nicht ganz so schwer. Aber trotzdem musste ich mich ganz neu orientieren. Glücklicherweise kannte ich schon ein paar Leute, die sich in Basel auskannten. Wenn man neu in ein Land kommt, ist es wichtig, Menschen aus der Region kennenzulernen. Man braucht Vitamin B und ein gutes Netzwerk. In St. Gallen war ich in einer Gastfamilie, ich hatte also immer jemanden aus der Schweiz, der mich unterstützte.

Wie bist du zu Myfive gekommen? 

Ich habe lange eine Stelle im sozialen Bereich gesucht. Als ich die Ausschreibung von Myfive sah, habe ich mich aufgrund meiner eigenen Erfahrung berufen gefühlt. Ich kannte bereits 1-zu-1-Begleitungen für geflüchtete Personen, aber dieses Gruppenformat von fünf Locals und einem Newcomer, die einander helfen, nicht. Ich fand Myfive sehr innovativ und aktuell. Das hat mich angesprochen.

myfive app animiert
So funktioniert Myfive

Die Initiative geht von den Newcomers also den Migrant*innen aus. Sie stellen sich ein Netzwerk aus mindestens fünf Personen aus der Umgebung zusammen, die die gleichen Interessen teilen, Freizeit miteinander verbringen oder Unterstützung anbieten.

Erst wenn fünf Personen matchen, geht das Netzwerk auf. Die Newcomers haben eine ganze Gruppe zur Verfügung. Und jede*r Teilnehmer*in weiss, dass auch noch andere da sind im Netzwerk.

Du willst auch mitmachen?

Hier kannst du die App herunterladen und dich anmelden.

Wie ist es für dich, das Projekt zu leiten?

Mir gefällt es sehr. Mit der App geht das, was ich damals alleine machen musste, nun schneller und einfacher für andere. Das freut mich. 

Anfangs war die App für Geflüchtete aus der Ukraine gedacht. Ihr habt dies nun auf Migrant*innen erweitert, also auf Menschen, die nicht aus der Not heraus nach Basel gekommen sind. Wieso?

Weil auch Migrant*innen von dieser App profitieren können. Das weiss ich aus eigener Erfahrung. Wenn man in ein neues Land kommt, ist man oft einsam und durch Myfive lernt man schnell neue Menschen kennen. Dieser Schritt hat gut funktioniert. Wir konnten so schon einige neue Nutzer*innen gewinnen.

Myfive gibt es nun schon seit fast einem Jahr, was hat sich getan?

Unsere Zahlen sind nicht schlecht, wir haben momentan circa 130 Newcomer und 230 Locals. Wir suchen momentan aber noch Leute, die bei Myfive mitmachen und die App testen. Vor allem sind wir auf der Suche nach Locals, also Personen, die hier in Basel leben, und Neuangekommene unterstützen wollen. 

Wie muss man sich das vorstellen, wenn man sich als Local als Helfer*in anmeldet?

Als Local kann man ganz verschieden helfen. Mitmachen heisst nicht direkt, dass man sich regelmässig trifft. Man kann im Chat allgemeine Fragen beantworten oder Zeit mit den Newcomern verbringen. Sehr wertvoll sind Empfehlungen, was das kulturelle Angebot angeht. Es gibt so viele Events in Basel, die kostenlos sind, von denen man nichts mitbekommt, wenn man sie nicht kennt. Was besonders hilft, ist, gemeinsam Deutsch üben. Für mich war es ein Gewinn, Deutsch zu sprechen und gemeinsam unterwegs zu sein.

Angela und Iryna myfive
Irynas erstes Mal am Floss

Die Bajour-Integrationsapp myfive bringt Basler*innen und Geflüchtete zusammen. So auch Iryna und Angela. Am Montag hat die Wahlbaslerin der Ukrainerin das Floss gezeigt.


Zum Artikel

Warum ist es so schwer, Menschen zu finden, die mitmachen wollen?

Die Leute haben viel zu tun, mit ihrem Job und der Familie. Menschen haben Angst, sich bei noch etwas zu engagieren. Ich denke, es ist meistens eine Zeitfrage. Aber eigentlich ist das Gute bei Myfive, dass man auch einfach im Chat jemanden unterstützen kann.

Woran arbeitet ihr gerade?

Wir müssen noch wachsen. Das Ziel ist es, bis Ende Jahr 1000 Nutzer*innen zu haben. Die App an sich hat auch noch Verbesserungspotenzial. Das merken wir, da jetzt mehr Leute auf der App unterwegs sind und mit Ideen und Problemen auf uns zukommen. Man darf auch nicht vergessen, dass wir in eine Pilotphase sind und Feedback brauchen, um die App weiter zu entwickeln.

«Das Ziel ist es, bis Ende Jahr 1000 Nutzer*innen zu haben.»
Maria Todaro

Was soll denn verbessert werden?

Zum Beispiel, dass sich Locals als Gruppe anmelden können. Es gibt Leute, die lieber mit Freunden in einer Gruppe wären, dasselbe gilt auch für die Newcomer. So wäre die Hemmschwelle für neue Nutzer*innen tiefer.

Gibt es noch andere Hemmschwellen?

Deshalb soll es bald die Funktion geben, dass Locals einstellen können, in wie vielen Gruppen sie maximal sein wollen. Momentan können die Locals immer angefragt werden, egal wo sie schon überall mitmachen. Wenn man eine Limite setzen könnte, wäre die Anzahl der Anfragen begrenzt und die Locals sind nicht zu stark eingebunden. 

Maria Todaro, Ausschnitt

Maria Todaro ist 32 Jahre alt und seit Februar 2023 Projektleiterin bei Myfive. Sie studierte Public- und Non-Profit Management und Marketing. Seit 6 Jahren lebt sie in Basel.

Man muss ja aber erstmal auf die App stossen und Lust haben, mitzumachen. Wie macht ihr auf MyFive aufmerksam?

Um Newcomer zu gewinnen, besuche ich oft Deutschkurse oder gehe an Events wie zum Beispiel die Flüchtlingstage. Deutschkurse sind ideal, denn die Sprache zu lernen ist der erste Schritt für Neuzugezogene. Ausserdem besuche ich Organisationen, die sich für Migrant*innen und Geflüchtete engagieren.

Und wie erreicht ihr die Basler*innen?

Locals gewinnen wir häufig über die Sozialen Medien oder über die Facebookgruppe Gärngschee. Dort gibt es sehr viele hilfsbereite Menschen, deren Solidarität mich immer wieder überrascht. Auch unterstützt uns die Fachstelle Integration und Antirassismus des Kantons Basel-Stadt.

Bekommt ihr etwas mit von den Begegnungen zwischen Locals und Newcomer*innen?

Ja, ich sehe immer wieder Geschichten. Zum Beispiel jemand, der den Lebenslauf eines Newcomers kontrollierte. Einer der Newcomer wollte programmieren lernen, er hat mit einem Local gemeinsam ein Projekt gestartet. Eine Frau musste mit der Tochter ins Spital und fragte in der Gruppe, ob sie Essen oder Gläser mitnehmen muss. Die Locals antworteten ihr. Es ist also ganz vielfältig. 

Mykhailo trifft Susan und Diana für myfive
Treffen sich ein 22-Jähriger und eine 78-Jährige zum Integrations-Date

Der Ukrainer Mike will sein Deutsch verbessern und eine Arbeit in Basel finden. Hilfe bekommt er auf der Integrationsapp myfive – von Engagierten wie Susan und Diana.


Zum Artikel

Kennst du Beispiele von Freundschaften, die durch die App entstanden sind? 

Da weiss ich nichts, aber das ist eines unserer Ziele.

Gibt es manchmal auch Konflikte?

Bis jetzt weiss ich von keinem. Es waren alle ganz nett und anständig. 

Wie finanziert ihr euch? Die App ist ja kostenlos.

Zur Unterstützung des Kantons gehört auch ein finanzieller Beitrag. Auch andere Organisationen und Stiftungen unterstützen uns mit Spenden. Wir versuchen es momentan auch an anderen Stellen, wie beim Staatssekretariat für Migration. Das Geld können wir sehr gut brauchen, um die App technisch zu verbessern. IT ist teuer und da wir ein soziales Projekt sind und keinen Gewinn machen, ist es schwierig, an Geld zu kommen. Wenn wir in der gesamten Schweiz aktiv sein wollen, brauchen wir Spenden.

Du sprichst expandieren an. Steht das demnächst an?

Wir würden gerne an mehr Orten aktiv sein. Im Moment gibt es uns nur in Basel. Zürich wäre der nächste Standort. Aber es ist schwierig, denn man braucht eigentlich an allen neuen Orten eine*n Projektleiter*in, die an Veranstaltungen gehen und die App bekannt machen. Um solche Stellen zu schaffen, sind wir, wie gesagt, auf Spenden angewiesen. Wenn wir bekannter werden, wird das aber vielleicht bald möglich sein.

Anmerkung der Redaktion: Myfive ist eine App der Robert-Corti-Stiftung. Bajour hat die App mitlanciert.

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Ernst hat als Praktikant bei Bajour gestartet, wurde dann vom Studieren abgehalten und als Trainee verpflichtet. Ernst ist mittlerweile aufstrebender Junior-Redaktor für Social Media. Wenn er nicht gerade mit dem rosa Mikrofon in der Stadt rumspringt, Glühwein testet oder Biber jagt, stellt er kluge Fragen in seinem Podcast «Ernsthafte Gespräche». 2024 wurde Ernst vom Branchenmagazin Journalist:in unter die «30 unter 30» gewählt.

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