War das richtig so?
Der Entscheid ist gefallen: Die DJ und Musikproduzentin Leila Moon wird den Kulturförderpreis nicht erhalten. Die Meinungen über die Nichtvergabe sind gespalten, so auch die Kommentare zu unserer Frage des Tages.
Am 11. Dezember verkündete das Amt für Kultur in einer Medienmitteilung, den Kulturförderpreis 2024 nicht an die Musikerin und DJ Leila Moon zu vergeben. Nach der Ankündigung der Vergabe an die DJ und Musikproduzentin vor einem Monat hagelte es Kritik seitens der SVP. Grund dafür war eine Konzertabsage der Baslerin, weil an der gleichen Location eine israelische Band auftrat, «welche sich nicht offen gegen das israelische Siedlungskolonial-Projekt und den anhaltenden Völkermord an Palästinenser*innen» stellt (so Moon auf Instagram).
Daraufhin ruderte das Amt für Kultur zurück und gab bekannt, die Vergabe zu überprüfen. Gleichzeitig haben sich mehr als 4000 Menschen in einem offenen Brief mit Leila Moon solidarisiert und forderten, die Preisvergabe müsse unabhängig bleiben und sich nicht von politischen Parteien unter Druck setzen lassen.
Nun wurde diese Woche die Nichtvergabe beschlossen. Die Behörde sehe in den «Boykott- und Ausschlussaussagen» einen Widerspruch zum gesetzlichen Zweck der Preisvergabe. Richtig so? Das wollte Bajour bei der Frage des Tages wissen. 60 Prozent der Abstimmenden finden: Nein, Leila Moon hätte den Kulturförderpreis erhalten sollen. Aber auch die Stimmen, die die Absage gerechtfertigt finden, haben sich in den Kommentaren geäussert.
So schreibt LDP-Grossrat Philip Karger in seinem Kommentar, er sei dankbar, dass die Abteilung Kultur den Preis sistiert habe. Und auch wenn die Jury unabhängig sei, müsse sie überprüfen, ob eine mögliche Preisträger*in den Kriterien des Preises nachkommt. Leser*in B. Unger meint, eine Künstlerin, die andere Nationalitäten boykottiert, hätte den Kulturpreis nicht verdient und die Jury hätte dies schon früher erkennen müssen.
«Antisemitismus ist Diskriminierung, Israelkritik nicht.»Christian Mueller, Aktivist
Auch Mitte-Grossrätin Andrea Strahm findet den Entscheid richtig, es gehe um «unsere Werte und Diskriminierung». Sie macht den Vergleich: «Was wäre, wenn ein Künstler an einem Ort nicht auftreten will, weil dort auch Frauen, Schwarze oder Schwule auftreten?» Aktivist Christian Mueller widerspricht, dass man Geschlecht, Hautfarbe, Religion nicht ablegen oder ändern kann, politische Einstellungen hingegen schon. Und: Antisemitismus sei Diskriminierung, Israelkritik nicht.
Ein*e anonyme*r Nutzer*in fragt Strahm, ob das Stillbleiben während eines Genozids (ob Israels Vorgehen im Gazastreifen als Völkermord bezeichnet werden kann, wird derzeit vom Internationalen Gerichtshof abgeklärt) und das Unterdrücken gewaltloser Proteste (wie Boykotts) «Ihren Werten denn mehr entspreche».
Der*die Nutzer*in nennt auch das Beispiel von Südafrika und dessen Befreiung von der Apartheid. Auch Nutzer*in A. Loew schreibt, Boykotte hätten dazu beigetragen, das Apartheidregime in Südafrika zu beenden. Inwieweit Israels Politiksystem als Apartheid bezeichnet werden kann, ist ebenfalls umstritten. Diverse Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International verwenden diesen Begriff. Der internationale Gerichtshof beschreibt das israelische Vorgehen im Westjordanland und Ostjerusalem als Absonderung der palästinensischen Bevölkerung.
«Was wäre, wenn ein Künstler an einem Ort nicht auftreten will, weil dort auch Frauen, Schwarze oder Schwule auftreten?»Andrea Strahm, Mitte-Grossrätin
Nutzer Charles schreibt, er würde sich bemühen, alle Seiten adäquat zu berücksichtigen. Die Frage, die für ihn offen bleibt: «Was ist mit den Geiseln und wieso wird der 7. Oktober bei all den Überlegungen nicht einbezogen?» Dieser sei für ihn an Grausamkeit kaum noch zu überbieten und mit Befreiungskampf nicht zu rechtfertigen.
Ein*e anonyme*r User*in antwortet, dass es wunderlich sei, wenn jemand «alle Seiten adäquat berücksichtigt», sich aber nur über die israelischen Siedler und Soldaten in Geiselhaft besorgt zeigt und kein Wort über die Gefangenen in den israelischen Foltergefängnissen verliert. Über Folter in israelischen Gefängnissen berichteten wiederholt viele Palästinenser*innen nach ihrer Haft, zuletzt im August. Entsprechende Vorwürfe gab es auch von Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International sowie auch vom Menschenrechtsbüro der UN.
Enttäuschung über Zurückhaltung der SP
Einige Teilnehmer*innen der Diskussion zeigen sich enttäuscht von der Politik. Nutzer Carlo V. wünscht sich, die SP würde sich mehr zum Nahost-Krieg äussern und das Feld nicht den bürgerlichen Parteien SVP und LDP überlassen. Ein*e ebenfalls enttäuschte*r Nutzer*in schreibt, die kantonalen Instanzen zeigen schon seit den Diskussionen über die Uni, «dass sie unter den Fittichen der SVP stehen» würden. Im Kommentar wird auch angemerkt, dass die Begründung des «Widerspruchs» weder juristisch noch sachlich belegt sei.
Die Frage nach den gesetzlichen Grundlagen für die Absage stellt auch Aktivist Christian Müller. Bajour hat bei der Abteilung Kultur nachgefragt. Dort heisst es, dass das Gesetz zur Kulturförderung bezweckt, kulturelles Schaffen, die Vermittlung der Kultur sowie die Förderung des kulturellen Austausch zu fördern. Vor allem die letzten beiden Punkte dienen also als Grundlage, um die Vergabe an Leila Moon zu sistieren.
Am Abend des 11. Dezembers meldet sich Leila Moon auf Instagram selbst zu Wort. Sie und ein Grossteil der lokalen, schweizweiten sowie internationalen Kulturszene sei empört über die Nichtvergabe des Kulturförderpreises. «Schämt euch», fügt sie hinzu.