Das Recht des Stärkeren

Seit Amtseinführung des neuen US-Präsidenten vergeht kaum eine Stunde ohne Push-Nachricht. Es ist schwierig, angesichts der Flut an «Executive Orders» den Blick für das Relevante nicht zu verlieren. Für Basel ist der Entscheid zur OECD-Mindeststeuer von besonderer Bedeutung. Dabei geht es um knallharten Standortwettbewerb.

Kolumne Urgese OECD
(Bild: Unsplash/Adobe Stock/Collage: Bajour)

Bereits am Tag der Inauguration erliess der neue Präsident eine «Executive Order» mit dem trockenen Titel «The Organization for Economic Co-Operation and Development (OECD) Global Tax Deal». Die Anweisung ist kurz, aber sie hat es in sich: Die Vereinigten Staaten ziehen sich vom «Global Tax Deal» zurück.

Mit dem «Global Tax Deal» ist die Vereinbarung der OECD-Mitgliedstaaten gemeint, künftig eine Mindestgewinnsteuer von 15 Prozent auf international tätige grosse Unternehmen anzuwenden. Das sind Unternehmen mit einem Umsatz von mehr als 750 Millionen Euro. Zahlt ein solches Unternehmen weniger als diese 15 Prozent Mindeststeuern, können andere Länder Tochtergesellschaften, die bei ihnen angesiedelt sind, zusätzlich besteuern. Fachleute sprechen von der «Undertaxed Profits Rule» (UTPR, Regel für unterbesteuerte Gewinne).

Alle Länder wollen verhindern, dass Steuern ins Ausland abfliessen

Wegen dieser Regel hat jedes OECD-Land ein Interesse daran, sein Steuerniveau auf das Mindestniveau von 15 Prozent anzuheben. Sonst fliessen Steuererträge in andere Länder ab, ohne dass das heimische Unternehmen einen Vorteil hat. Um das zu verhindern, hat die Schweiz letztes Jahr in einer Volksabstimmung die sogenannte Ergänzungssteuer eingeführt. Diese stellt sicher, dass Schweizer Unternehmen in der Schweiz 15 Prozent Gewinnsteuern bezahlen, damit andere Länder eben keine zusätzliche Besteuerung machen können. Fachleute sprechen von einer «Qualified Domestic Minimum Top-up Tax» (QDMTT, Qualifizierte inländische Mindest-Zusatzsteuer).

Zur Person

Luca Urgese, Jg. 1986, politisiert seit 2014 für die FDP im Grossen Rat. Von 2016 bis 2021 war er Parteipräsident. Im März kandidierte Urgese für den Regierungsrat, unterlag jedoch Mustafa Atici. In seiner Kolumne «Caffè Urgese» schaut er mit der bürgerlichen Brille auf Basel. Er äussert sich als Politiker und nicht als Mitarbeiter der HKBB.

Während die Schweiz also sichergestellt hat, dass ihre Unternehmen die Mindeststeuer bezahlen, ist das für Unternehmen aus den Vereinigten Staaten – zum Beispiel Alphabet (Google), Amazon, Apple, Meta (Facebook und Instagram) oder Microsoft – wohl bald nicht mehr gewährleistet. Zum einen hat der amerikanische Präsident in seiner Rede am diesjährigen WEF zum wiederholten Mal angekündigt, die nationalen Gewinnsteuern senken zu wollen. Dies kann dazu führen, dass Unternehmen künftig weniger als 15 Prozent Gewinnsteuern bezahlen werden.

Zum anderen sieht die «Executive Order» vor, dass der Finanzminister feststellen soll, ob andere Länder «extraterritoriale» Steuerregeln auf amerikanische Unternehmen anwenden. Im Visier ist dabei insbesondere die OECD-Regel für unterbesteuerte Gewinne. Für, oder besser gesagt, gegen diese Länder soll eine Liste von möglichen «Schutzmassnahmen» erarbeitet werden.

Im Klartext bedeutet dies, dass die Vereinigten Staaten das Recht des Stärkeren walten lassen wollen. Es sollen Gegenmassnahmen ergriffen werden, wenn ein Land amerikanische Unternehmen mit einer solchen Zusatzsteuer belastet. Wie solche aussehen werden, ist offen. Denkbar sind beispielsweise Zölle oder Sanktionen. Aufgrund der wirtschaftlichen Macht der USA ist jedoch allen klar, dass dies erhebliche Auswirkungen auf die betroffenen Länder und deren Unternehmen hätte.

Die betroffenen Unternehmen zahlen bei uns mindestens 15 Prozent Gewinnsteuern, während es sehr realistisch geworden ist, dass das für Konkurrenzunternehmen aus den Vereinigten Staaten bald nicht mehr der Fall ist.

Warum ist das nun für unsere Region von Bedeutung? In der Schweiz gilt die Mindeststeuer bereits. Die betroffenen Unternehmen zahlen bei uns mindestens 15 Prozent Gewinnsteuern, während es sehr realistisch geworden ist, dass das für Konkurrenzunternehmen aus den Vereinigten Staaten bald nicht mehr der Fall ist. Das wäre ein klarer Wettbewerbsnachteil, beispielsweise wenn ein in Europa tätiges amerikanisches Pharmaunternehmen keine Mindeststeuern zahlen müsste, ein Pharmaunternehmen aus der Schweiz hingegen schon.

Damit gewinnt das «Basler Standortpaket» nochmals zusätzlich an Bedeutung. Dieses Standortpaket wurde entwickelt, weil die Mindeststeuer in Basel-Stadt zu einer Steuererhöhung für die betroffenen Unternehmen führt. Damit unser Standort trotzdem attraktiv bleibt, sind Fördermassnahmen im Bereich Innovation, Gesellschaft und Umwelt vorgesehen.

Musterschüler zu sein, nützt niemandem

Wenn der Grosse Rat im Februar über das «Basler Standortpaket» entscheidet, sollte er das im Bewusstsein tun, dass es bei dieser OECD-Mindeststeuer nicht um Steuergerechtigkeit geht, wie gerne behauptet wird. Es geht um knallharten Standortwettbewerb, bei dem die grossen Länder nicht zimperlich sind. Es ging von Anfang an darum, attraktiven Ländern wie der Schweiz zu schaden.

Dagegen sollten wir uns entschieden wehren. Das Recht des Stärkeren erfordert Intelligenz des Kleineren. Wir dürfen nicht naiv sein und müssen uns anstrengen, dass wir attraktiv bleiben. Es nützt niemandem, wenn wir Musterschüler sind, aber Forschungsinvestitionen, unsere Arbeitsplätze und unser Wohlstand in andere Länder wie die Vereinigten Staaten abwandern. Das «Basler Standortpaket» ist ein wirksames Gegenmittel dagegen.

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