Patti Basler: «Liebe Simonetta Sommaruga»
Es ist ja die Zeit der offenen Briefe. Kabarettistin und Bühnenpoetin Patti Basler wendet sich in ihrer Bajour-Kolumne an den Bundesrat. Was Zensurbalken und Alain Bersets Augenbrauen miteinander zu tun haben? Lest selbst.
Deine krisenfreie Zeit als Bundespräsidentin dauerte nur rund zwei Monate. Du bist quasi ein Schtartöpp, wie dein Kollege sagen würde.
Doch du bespielst die Klaviatur der Corona-Katastrophe gekonnt, wie es sich für eine Bundespräsidentin gehört. Mit gewaschenen Händen. Natürlich wäre es dir als Pianistin lieber wie immer – as always: mit Flügel.
Die hiesige Fluggesellschaft ist zwar praktisch gegroundet, du jedoch hast einen Flügelmann: Partei- und Bundesratskollege Berset stiehlt dir fast ein bisschen die Show. Ein echter Landesvater, der seine eigene Familie vernachlässigt, um fürs Volk da zu sein während der Pestilenz. Pestalozzi lässt grüssen. Berset in seiner Berner Bundesrats-Klause wie einst Bruder Klaus.
Ein Titel für Hollywood: «Berset. Alain zu Haus.»
Doch als gute Sozialdemokratin überlässt du ihm gerne den Lead-Part. Oder lässt die Suppe grad direkt vom Koch auslöffeln. Nur vor Misstönen scheut ihr euch alle. Natürlich muss zuerst der Grund-Tenor stimmen: Bleibt zu Hause, wascht die Hände, macht die Kurve flacher als das meliorierte Mittelland, flacher als einen Altherren-Witz! Und ihr habt es tatsächlich hingebogen mit halbwegs strikten Massnahmen.
«...und dicker als Bersets Augenbrauen.
Nur wenn es um die Begründung der Massnahmen geht, sind die gefühlten Zensurbalken schwärzer als die Halbtöne auf dem Piano und dicker als Bersets Augenbrauen.
Wenn wir dich als Landesmutter fragen, ob denn Masken helfen würden und, wenn ja, ob wir genug hätten, da druckst du plötzlich herum, als würdest du die klaren Töne nicht beherrschen. Wie im alten Tanzliedchen: Einmal hin, einmal her, rundherum, es ist nicht schwer.
Das grenzt schon an Notlügen in Notlagen. Klar, ein gute Mutter mutet ihren Kindern auch nicht zu viele nackte Tatsachen zu, sondern klärt sie dosiert auf. Wieso sollte eine Landesmutter da eine andere Tonart anschlagen?
«Was du nicht sagst: 'Liebe Bevölkerung, wir halten euch für zu blöd, die Masken richtig handzuhaben.'»
Was du nicht sagst: «Liebe Bevölkerung, wir halten euch für zu blöd, die Masken richtig handzuhaben, für zu dumm, um zwei Meter Distanz einzuschätzen, zu inkonsequent, um mit einer generellen Öffnung umgehen zu können.»
Was du nicht sagst: «Wir haben zu wenig Personal für diese Krise, weil Pflegejobs inzwischen so unattraktiv sind, dass wir Pflegende sogar lieber fertig ausgebildet aus Deutschland importieren. Wir haben zu wenig Schutzmaterial. Wir haben nicht vorgesorgt.»
Was ihr als Bundesrat nicht sagt: «Coiffeurbesuche sind einfacher zum Tracken, zum Nachverfolgen, zum Überwachen als generelles Shopping. Wir müssen euch überwachen, um Corona zu besiegen.»
«Viele Köche müssen nicht unbedingt den Brei verderben. Aber sie sollten alle dieselbe Sprache sprechen.»
Was der Bundesrat sagt: «Schtartöpps» und «Herr Koch, übernehmen Sie.» Und wahrscheinlich habt ihr recht.
Viele Köche müssen nicht unbedingt den Brei verderben. Aber sie sollten alle dieselbe Sprache sprechen. Klar, gradlinig, in verschiedenen Tonlagen, aber möglichst in derselben Tonart. Ein Staat ist kein schlankes Kammerspiel, sondern ein grosses Orchester. Entsprechend muss es auch gut alimentiert sein mit den nötigen Instrumenten.
Oder bedeutet «sozial distanziert» automatisch «SVP-nah»?
Wobei die Parteigrenzen für einmal keine Rolle zu spielen scheinen. Zumindest bisher. Nun werden die Liberalen und die bürgerlichen Staatsabbauer*innen ihre eigenen Versäumnisse ausgerechnet dir und deiner Partei um die Ohren hauen. Spare in der Zeit, werden sie sagen, damit du in der Not hast.
Und sie haben recht. Denn eigentlich weisst du ja, ein Staat muss keine Gewinnmaximierung erzielen und braucht kein Lean-Management. Ein Staat muss dick und fett sein und kurvenreich wie Helvetia, deren voralpine Hügelzonen mit staatlichen Direktzahlungen in Form gehalten werden, welche jedes Push-up-Körbchen vor Neid erblassen lassen. Ein bisschen wie bei den Schtartöpps, eine Art Grass-Root-Bewegung, eine Graswurzelbewegung.
Alle zahlen mit: Kraut-Fönding.
Drum hier, liebe Simonetta, noch meine Spartipps für Schtartöpps:
Die fetten Bäume, die den Gräsern das Wasser abgraben, sollen gerne etwas mehr bezahlen, um vorzusorgen. Du bist schliesslich Chefin über eine gigantische Umverteilungsmaschine.
Und wenn du Flügel bevorzugst: Vielleicht möchtest du ja die Swiss zurückkaufen. Oder zumindest für Treibstoff sorgen, damit sie wieder abheben kann.
Investier in Rohöl. Ist grad im Angebot.
Es grüsst,
leicht flügellahm,
Patti Basler