Als Drämmliführer*in bist du dein eigener Chef
Drämmli und Busse kommen wieder vermehrt zu spät. Denn viele BVB-Angestellte sind krank, andere müssen einspringen. Das macht Drämmli-Chauffeur*innen wie Beat Hammer zu schaffen. Dennoch gefällt ihm sein Job. Was macht die Faszination aus?
Beat Hammers Tag startet fast immer gleich. Sein Wecker klingelt – für die Frühschicht – um 2.15 Uhr morgens. Hammer trinkt einen Kaffee, isst einen Joghurt und dann fährt er ins Depot am Morgartenring, schreibt sich ein und kontrolliert das Drämmli. Dann fährt er los. Der gepflegte 60-Jährige mit Ohrring arbeitet seit 1991 als Wagenführer bei den Basler Verkehrs-Betrieben, kurz BVB.
Hammer selbst ist ein Quereinsteiger. Er war früher Maler, «doch als meine Frau und ich Pläne für die Zukunft machten, war klar, dass ich einen anderen und sicheren Job brauche. So wurde ich Wagenführer – ein Beruf, bei dem der Lohn höher war».
Am Nachmittag um 15.45 Uhr endet nach der Frühschicht Hammers Tag. Er geniesst die freien Nachmittage. Zurzeit sind allerdings viele Drämmliführer*innen krank, andere müssen einspringen und kommen an den Anschlag. Die BVB kämpfen einmal mehr mit Personalmangel: Ihnen fehlten im Jahr 2023 nach eigenen Angaben etwa 20 Fahrzeugführer*innen (*Korrektur).
Einspringen müssen dann die Drämmliführer*innen, die noch da sind. So wie Beat Hammer: «Wir geben unser Bestes», sagt er. Doch es brauche dringend mehr Personal.
Ihm gefällt der Job: «Kein Tag ist wie der andere», erzählt er. Es gebe viel Abwechslung, und sei es nur beim Wetter oder der Jahreszeit. Ausserdem sei es schön, immer Menschen zu sehen. «Manchmal mit lachenden Gesichtern, manchmal eben nicht, weil sie müde sind», so Hammer.
Auch gebe es zurzeit in Basel viele Baustellen, das führe oft zu Zeitverlust. «Ich wünsche mir in diesem Bezug mehr Verständnis von den Menschen.» Beispielsweise, wenn ihnen das Tram vor der Nase wegfährt.
Manchmal kann Beat Hammer gar nicht anders: «Wenn die Türen geschlossen sind, müssen wir weiterfahren, um nicht noch mehr Zeit zu verlieren. Oft verstehen die Leute das aber nicht, daraufhin wird man beschimpft.» Hammer hält das mittlerweile aus: «Nach so vielen Jahren habe ich da ein dickes Fell.»
Der Job hat sich in den letzten 30 Jahren verändert, das merkt Hammer schon: «Man muss mehr denken als früher», sagt er, der Verkehr habe zugenommen, die Verantwortung sei gestiegen. «Es gibt vermehrt Vortrittsmissachtungen und Fussgänger, die im letzten Moment vor dem Tram durchlaufen.»
Hammer stört das. «Ich habe das Gefühl, die Menschen verstehen gar nicht, wie viele Tonnen auf sie zukommen, wenn sie übers Gleis huschen.» Sie müssten wissen, dass der Bremsweg des Trams viel länger sei als beim Auto oder Velo. «Das kann wirklich gefährlich sein.» Und: «Für uns Tramführer ist das purer Stress.»
Loan Flückiger steht dagegen noch ganz am Anfang: Der 35-Jährige kommt ursprünglich aus Biel, wohnt seit 8 Jahren in der Region und macht zur Zeit die Ausbildung zum Wagenführer bei den BVB. Wir treffen uns im Café «Huguenin» am Barfüsserplatz. Verkehr habe ihn schon immer interessiert, erzählt Flückiger.
Wenn er nun am Steuer sitzt, fühlt er sich wieder wie das Kind, das davon geträumt hat, so ein grosses Fahrzeug durch die Stadt zu fahren. «Es ist ein bisschen wie Spielen», sagt Flückiger, aber natürlich mit dem Verantwortungsgefühl und dem Fokus eines Erwachsenen, ergänzt er lächelnd.
Auch Jenny Heupel befindet sich mitten in der Ausbildung. Sie schätzt, «dass man sehr selbständig ist und der eigene Chef sein kann».
Die Ausbildung zum*zur Fahrer*in dauert acht Wochen – bei vollem Lohn von Anfang an. Zwei Mal die Woche haben die Schüler*innen eine Nachtfahrt, diese dauert von 15 Uhr bis Mitternacht. Zur Ausbildung gehören Theorie und praktischer Unterricht.
Das klingt sehr verlockend. Warum kämpfen dann die BVB mit Personalmangel? Die Frage geht an Matthias Steiger, Mediensprecher der BVB. Es gäbe mehrere Gründe, sagt er, etwa Lieferschwierigkeiten bei den neuen E-Bussen. Ausserdem müsse man bei den neuen Fahrzeugen die Führer*innen weiterbilden, das brauche Zeit.
Dennoch sei die Situation nicht so schlimm, betont Steiger, Basel sei nicht so betroffen wie zum Beispiel Zürich. So komme Basel bisher ohne Fahrplananpassungen aus. «Darüber sind wir sehr froh», so Steiger. «Jede Verspätung und jeder Ausfall macht uns wirklich weh.»
Der Verkehrsbetrieb arbeite daher mit Hochdruck an einer Verbesserung der Situation.
Donnerstag, der 30. November 2023. Am Aeschenplatz fällt Schnee. Flückiger, Heupel und Jäckel warten an der sogenannten Kante J,K,L, dort wo das alte Führerhäuschen steht. Eine Lernfahrt mit Ausbildner Philipp Schneeberger im grünen Tram aus dem Jahr 1986/87 steht an. Jäckel setzt sich vorne ins Fahrzeug. Es ruckelt kurz, als er startet, dann geht es los. Bei jedem entgegenkommenden Tram winken alle vier höflich.
Das Tram fährt Richtung Denkmal, über den Tellplatz aufs Bruderholz, anschliessend in Richtung Aeschenplatz. Während der Fahrt erzählt Heupel vom Unterricht. Zurzeit lernt sie die Vortrittsregeln. Am Bahnhof geht's durch die Unterführung Richtung Centralbahnplatz, die Perspektive im Führerhäuschen ist eine ganz andere. Am Bahnhof wird es unangenehm: Menschen rennen knapp vor dem fahrenden Tram über das Gleis.
An der Schifflände endet die Fahrt, für die Fahrschüler*innen ist der Tag allerdings noch nicht vorbei. Für sie steht heute noch ein Französisch-Kurs an. Ihr Leben als Drämmliführer*innen beginnt erst. Beat Hammer und die anderen BVB-Drämmliführer*innen freuen sich auf die Verstärkung.
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*Korrektur, 4.1.2023: In einer früheren Version des Artikels hiess es, es fehlten 20 Fahrzeugführer*innen pro Tag, diese Zahl bezog sich allerdings auf das ganze Jahr 2023.
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