Schnapsidee oder Zukunftsmodell?

Unsere Frage des Tages zu Verkehrsabgaben für Velofahrer*innen hat einen Nerv getroffen. Die Zürcher Idee, neu auch Velofahrer*innen für den Bau und Unterhalt der Strassen aufkommen zu lassen, kommt in Basel gar nicht gut an und bringt andere, kreative Ideen zutage.

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Veloverkehr vorm Bajour-Büro in der Clarastrasse. (Bild: Valerie Wendenburg)

Es geht auch im Strassenverkehr wie so oft im Leben um Gleichberechtigung. Wie könnte eine Gleichbehandlung im Strassenverkehr aussehen, wenn es darum geht, die Kosten aufzuteilen? In Zürich hat der Kantonsrat am Montag eine Einzelinitiative an den Regierungsrat überwiesen. Sie will, dass auch Velofahrer*innen neben den allgemeinen Steuern neu eine Verkehrsabgabe zahlen, berichtet der Tagesanzeiger. Auch der Bund prüft gemäss Blick «Modelle für eine verursachergerechte Finanzierung von Veloinfrastruktur». Unterstützung erhielt die Idee im Zürcher Kantonsparlament von der SVP und FDP, weil auf Kosten des Autos immer mehr Velospuren gebaut würden und sichere Velowege nicht nur essentiell seien, sondern auch viel Geld kosten. Kritisch äusserten sich GLP, Mitte, SP und Grüne.

In Basel steht das Thema im Moment nicht auf dem Plan. Tobias von Rohr, Kommunikation Bau- und Verkehrsdepartement, sagt auf Nachfrage: «Nein, aktuell sind wird nicht daran, eine Verkehrsabgabe für Velofahrende zu prüfen oder einzuführen.» Da wird das Gros der Bajour-Community aufatmen, denn rund 950 der 1315 Abstimmenden halten nichts von dieser Zürcher Idee.

2025-02-19 Frage des Tages-2
Frage des Tages

Abgesehen von allgemeinen Steuern zahlen Velofahrer*innen nicht für Bau oder Unterhalt von Strassen. Sollen auch Velofahrer*innen eine Verkehrsabgabe zahlen? Darüber diskutieren wir in der Frage des Tages.

zur Debatte

In den mehr als 20 Kommentaren wird deutlich, dass auch unsere Leser*innen sich eine Gleichberechtigung im Strassenverkehr wünschen, diese aber anders interpretieren als der Touring Club Schweiz (TCS).

Birgit Kron TCS
«Wir begrüssen eine Velo-Abgabe, die zur Finanzierung der Velorouten eingesetzt wird.»
Birgit Kron, stv. Geschäftsführerin TCD, Sektion beider Basel,

Deren stv. Geschäftsführerin, Sektion beider Basel, Birgit Kron schreibt: «Der TCS beider Basel setzt sich für die Gleichbehandlung aller Verkehrsarten ein. Daher begrüssen wir eine Velo-Abgabe, die zur Finanzierung der Velorouten eingesetzt wird.» Hier liegt der Knackpunkt, denn Leser Michael Aschwanden antwortet, er sei «absolut für die entsprechende Gleichbehandlung zu haben», was laut seinen Berechnungen aber zu deutlich höheren Kosten für Autofahrer*innen führen würde. 

Lisa Mathys
«Velofahrer*innen müssten also wenn schon Geld ausbezahlt erhalten.»
Lisa Mathys, Grossrätin und Präsidentin SP BS

Lisa Mathys, Grossrätin und Präsidentin SP BS, denkt noch eine Schritt weiter, wenn sie schreibt, Velofahrer*innen müssten, wenn schon Geld ausbezahlt bekommen als welches zu bezahlen. Geteilt wird ihre Meinung von Raum- und Verkehrsplaner Claude Wyler. Mathys’ Argument lautet: Velofahrende bringen volkswirtschaftlich gesehen «negative Kosten», also einen Nutzen.

Sie verweist auf mehrere Arbeiten zu dem Thema. So habe eine Studie berechnet, dass das Fahrrad einen gesamtgesellschaftlichen Nutzen von 30 Cent pro Kilometer hat, während Autofahrer*innen 20 Cent Kosten pro Kilometer erzeugen, die derzeit nicht durch Steuern und Abgaben gedeckt sind. «Das sollte als Argumentation eigentlich seit Jahren genügen, oder?», sagt Mathys, die die Forderungen an die Velofahrer*innen als «ewige Leier» bezeichnet und zu Bajour sagt: «Es ist unglaublich, wie hartnäckig sich die Erzählung hält, die Velofahrenden würden ‹nur kosten und nichts bezahlen›.»

Christoph Hochuli
«Wir müssen also das Velofahren unbedingt fördern und nicht behindern!»
Christoph Hochuli, EVP-Grossrat

Auch die Bürokratie gibt zu reden: EVP-Grossrat Christoph Hochuli hält es für «sehr aufwändig und sehr schwierig umsetzbar», eine Velosteuer zu erheben. Und er fügt hinzu, dass der Veloverkehr einen externen Nutzen, zum Beispiel in der Gesundheitsförderung ausweise. Daher sollte das Velofahren unbedingt gefördert und nicht behindert werden. 

Leser*in P.S. hält den Vorschlag aus Zürich schlicht für eine «Schnapsidee» und empfiehlt einen Blick in den Norden zu werfen: Denn in Schweden, Dänemark oder Holland sei schon vor Jahren in die Zweiradinfrastruktur investiert worden, während hier immer noch über Parkplatzabbau gejammert wird». Velofahren «ist umweltfreundlich, gesund und das beste Verkehrsmittel in der Stadt und Agglo. Das sollte mit einem Steuerbonus belohnt werden». 

Die vermeintliche Gleichbehandlung der verschiedenen Verkehrsteilnehmer*innen bewegt Basel. Zerschmetterling schreibt: «Das Auto ist ein privilegierter Verkehrsteilnehmer. In Anbetracht dessen, von Gleichbehandlung zu sprechen, finde ich befremdlich.» Es würde Symbolpolitik betrieben, anstatt den Fokus auf Themen wie Verkehrstote, Lärmbelästigung und höhere CO2-Werte zu legen. 

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Feierabendverkehr auf der Mittleren Brücke. (Bild: Valerie Wendenburg)

Das Thema bewegt nicht nur, es nervt einige der Abstimmenden offensichtlich auch. Stephan Lüthi, ehemaliger Lehrer, stört das «ewige Gerede von der nicht existierenden ‹Gleichberechtigung› unter den verschiedenen Verkehrsträgern». Und Biologe D. Eicher findet, eine Gleichbehandlung aller Verkehrsteilnehmenden würde heissen, «dass wir dem Auto viel öffentlichen Raum wegnehmen müssten, um den ‹Langsamverkehr› zu fördern».

Kreative Vorschläge bringt der Lehrer Markus Würgler in die Diskussion ein. Als «nerdiger Velofahrer» würde er sich unter bestimmten Bedingungen auf Verkehrsabgaben für Zweiräder einlassen. Vor allem fordert er, die gesundheitsfördernde Wirkung des Velofahrens zu berücksichtigen, etwa durch reduzierte Krankenkassenprämien.

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Valerie Wendenburg

Nach dem Studium, freier Mitarbeit bei der Berliner Morgenpost und einem Radio-Volontariat hat es Valerie 2002 nach Basel gezogen. Sie schreibt seit fast 20 Jahren für das Jüdische Wochenmagazins tachles und hat zwischenzeitlich einen Abstecher in die Kommunikation zur Gemeinde Bottmingen und terre des hommes schweiz gemacht. Aus Liebe zum Journalismus ist sie voll in die Branche zurückgekehrt und seit September 2023 Redaktorin bei Bajour. Im Basel Briefing sorgt sie mit ihrem «Buchclübli mit Vali» dafür, dass der Community (und ihr selbst) der Lesestoff nicht ausgeht.

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