«Der Wolf könnte die Hardbrücke von Basel werden»
Auf dem Güterbahnhofareal sollen Wohnungen und Arbeitsplätze entstehen. Damit verbaue man sich die Möglichkeit, ein vielversprechendes Quartier mit S-Bahn-Anschluss zu entwickeln, heisst es nun von einer Gruppe. Mit einem Referendum will «PlanBasel» den Bebauungsplan verhindern.
Das Güterbahnhofareal auf dem früheren Wolfsfeld, heute «Wolf» genannt, soll zum neuen Stadtquartier transformiert werden. Die Logistikinsel zwischen den Bahnlinien gehört der SBB. Laut dem Bebauungsplan, der Mitte März fast einstimmig vom Grossen Rat genehmigt wurde, sind Wohnraum für 1200 Menschen (davon mindestens ein Drittel «preisgünstig») und 1000 Arbeitsplätze angedacht.
Nun gibt es Widerstand gegen das Projekt. Die Gruppe «PlanBasel» hat ein Referendum gegen den Bebauungsplan gestartet, wie auf einer Website ersichtlich ist. Viel Zeit für bleibt nicht: Die Referendumsfrist endet bereits am 29. April.
Wer die auf der Website ersichtlichen Argumente studiert, merkt: Es geht dem Komitee nicht darum, dass nicht auf dem Wolf gebaut wird, sondern wie. Der jetzige Plan wird als «überhastet» bezeichnet. «Das zentral gelegene und grossflächige Wolf-Areal bietet mit einer neuen S-Bahnstation eine riesige Chance für die Stadtentwicklung und die Region Basel.» Doch dieses Potenzial wird laut Komitee mit dem jetzigen Bebauungsplan nicht genutzt.
Die Erwähnung einer S-Bahnstation kommt nicht von ungefähr: Hinter PlanBasel stecken Interessenten, welche sich für einen «einfachen S-Bahn-Ausbau» in der Region stark machen – allen voran der Reinacher Oliver Bippus. Dieser hat sich auch schon gegen das Gewerbegebiet Aesch-Nord oder für eine Magnetschwebebahn durch Basel engagiert.
Zu seinen Vorschlägen einer kostengünstigen Modernisierung des Bahnknotens Basel (die Kritiker*innen als Konkurrenz zum seit Jahren geplanten Bahnprojekt Herzstück betrachten, wie Bajour analysierte) gehört auch die Entwicklung des Wolf-Areals mit S-Bahn-Station. Diese ist momentan zwar angedacht, aber nicht Teil des Bebauungsplans.
Die Vision steht seit Jahrzehnten, die Ausgestaltung wird ebenso lang wild diskutiert: ein verbesserter Bahnknoten Basel. Die aktuelle Planung umfasst eine unterirdische Verbindung der grossen Bahnhöfe Basel SBB, St.Johann und Badischer Bahnhof sowie neue Bahnstationen bei der Roche, bei Novartis und am Rhein, inmitten der Basler Altstadt. Bis Mitte des Jahrhunderts soll das Herzstück existieren, so sieht es die Planung aktuell vor. Kostenrahmen laut Schätzungen des Bundesamts für Verkehr: 9 Milliarden Franken. Kritiker*innen wie PlanBasel sagen, dass das viel zu teuer sei und einfacher gehen müsste. Zum Vergleich: Der Gotthard-Basistunnel hat 12,7 Milliarden Franken gekostet.
Unterstützung erhält Bippus von weiteren Interessenten aus dem Baselbiet, dem Elsass und Süddeutschland, die sich auch in der Bürgerbewegung «S-Bahn-Dreiland-jetzt» organisieren. Dass das Anliegen eines Referendums gegen den Wolf-Bebauungsplan auch im Elsass Gehör findet, liegt abermals an der S-Bahn.
Stefan Suter vom Verein «Climat 3 Frontières» erklärt, dass die französischen Grenzgänger*innen sehr betroffen von der Belastung durch die Autobahn seien: «Wenn die S-Bahn rasch entwickelt wird, würde das dem Autobahnausbau den Wind aus den Segeln nehmen.» Er hofft deshalb, dass sich auch Klimajugend und die Klimabewegung dem Referendum anschliessen werden.
«Meine Vision vom Wolf ist eine Basler Variante von Zürich Hardbrücke», sagt Hans-Peter Vetsch. Der Bahnexperte, der PlanBasel berät, hat für die SBB die Gesamtperspektive Basel mitentwickelt, ein Projekt zur Abstimmung von Verkehrs- und Arealplanung in der Region. Der Wolf als S-Bahn-Haltestelle könnte, sagt er, ein Umsteigeknoten sein, der den Bahnverkehr in Basel entlaste.
Wenn wie geplant auf dem Wolf gebaut wird, befänden sich immer noch viele Abstellgleise und die Wagenwerkstatt auf dem Gelände. «Die SBB könnte problemlos zum Beispiel die Wagenwerkstätte nach Delémont verlagern. Wir müssen uns fragen: Können wir es uns leisten, bei den heutigen hohen Bodenpreisen ein so zentrales Gelände in der Stadt mit Abstellgleisen zu belagern?», so Vetsch. Wie die SBB auf Anfrage erklären, ist das Verlagern der Werkstätten aktuell kein Thema – sie soll in den kommenden Jahren bahnbetrieblich genutzt und ausgebaut werden.
Heisst also: Man könnte aus dem Wolf Vetschs Ansicht nach noch mehr rausholen. So steht es auch im Argumentarium des Referendumskomitees: Bis zu 40 Hektar könnten entwickelt werden. Darüber hinaus könne noch dichter gebaut werden: «Hochhäuser auf dem Wolf stören am wenigsten.» Damit könne auch der Verdichtungsdruck in anderen Quartieren geschmälert werden.
Den jetzt geplanten Wohnungsbau zwischen 40 Gleisen südlich und der Autobahnausfahrt nördlich des Wolf-Quartiers hält Oliver Bippus von PlanBasel für wenig sinnvoll, er bezeichnete den Bebauungsplan als «überhastet». Er denkt grösser: an eine Autobahn, die unter die Erde verlegt wird, wodurch das Wolf-Quartier mit dem Gellert verknüpft wird. Und an den Wolf als überkantonales Wirtschaftsgebiet mit einem Verteilerschlüssel der Steuereinnahmen zwischen Basel-Stadt und Baselland.
Das sind grosse Visionen – und über genau solche will Oliver Bippus sprechen, bevor der Wolf bebaut wird. Er weiss, die Zeit für ein Referendum ist knapp. Aber zumindest die Möglichkeit, eine Debatte über die weiteren Entwicklungsmöglichkeiten des Wolf zu führen, will er nicht verstreichen lassen – nun eben möglichst öffentlichkeitswirksam mit einem Referendum.
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