Regez, Riebli und Co.: So verteilt sich die Macht

In der Baselbieter SVP brodelt es; in einer Woche kommt es beim Parteitag zur Kampfwahl. Wer geht wem auf den Geist und wessen Finger ziehen beim Putschversuch die Fäden? Eine kleine Übersicht.

Baselbieter SVP Collage
Wer kennt sie alle? Das Who's who der Baselbieter SVP. (Bild: SVP Baselland / Collage: Bajour)

Spätestens seit Mitte März die Kampfkandidatur ums Kantonalpräsidium am 25. April bekannt wurde, wird der schon seit längerem andauernde Richtungsstreit in der Baselbieter SVP medial und offen ausgetragen. Falls du den Überblick verloren hast: nicht schlimm! Hier sind die zehn Namen der involvierten Baselbieter SVP-Politiker*innen, die du kennen musst:

Sarah Regez SVP Baselland
Sarah Regez (Bild: SVP Schweiz)

Sarah Regez – die Gallionsfigur

Ihr Name wurde zur Causa für die SVP. Alles begann mit einem 20-Minuten-Artikel, in dem die junge SVPlerin erklärte, warum sie sich weigere, an der Uni Basel zu gendern. Es folgten eine steile Karriere in der nationalen Jungen SVP, wo sie heute Strategiechefin ist, und das fünftbeste Ergebnis bei den Nationalratswahlen im Baselbiet. Sie würde nachrücken, wenn Thomas de Courten oder Sandra Sollberger vorzeitig zurückträten.

In den vergangenen Monaten schockierte sie auch SVP-Sympathisant*innen immer wieder mit ihrer kompromisslosen Anti-Migrations- und Anti-Gender-Rhetorik. Als antisemitisch eingestufte Plakatmotive hier, rechtsextreme Kampfbegriffe da. Bis zu den Enthüllungen über ihre Kontakte zu Rechtsextremist*innen und Staatsverweigerer*innen (Bajour berichtete) hielt (Ex-)Fraktionschef Peter Riebli seine schützende Hand über Regez. Der baldige Ex-Parteichef Dominik Straumann hingegen ging auf Distanz.

Dominik Straumann SVP Baselland
Dominik Straumann (Bild: marc gilgen)

Dominik Straumann – der Abgeschriebene

Auch Straumann galt einst wie Regez als «Shooting Star», er war bei seiner Wahl in den Landrat 27-jährig und damit jünger als Regez jetzt. 2011 übernahm er nach Thomas de Courtens Wechsel in den Nationalrat das Fraktionspräsidium. Seit 2019 ist er Parteichef der SVP. Unter seiner Leitung konnte die Partei bei kantonalen und nationalen Wahlen zulegen. Jedoch ging 2023 der SVP-Sitz in der Kantonsregierung verloren. Seine eigenen Regierungsambitionen konnte Straumann in der Partei nie durchsetzen. «Ein Sunnyboy, der immer im Schatten steht», schrieb die bz.

Kritik an seiner konsensorientieren Führung («Weichei» schimpften ihn seine Gegner*innen in der BaZ) gibt es schon länger. Der Unternehmer und ehemalige Polizist aus Muttenz ist vor allem in der Migrationspolitik eher moderat unterwegs für einen SVPler. Bald nachdem bekannt wurde, dass es beim Parteitag im April eine Kampfwahl geben wird, kündigte der 48-Jährige an, nicht für die Wiederwahl zu kandidieren.

Peter Riebli
Peter Riebli (Bild: c FOTOLABOR SPIESS AG)

Peter Riebli – der Laute

Der Exil-Innerschweizer polarisiert seit 2015 im Landrat. Als Straumann Parteipräsident wurde, wurde Riebli Fraktionspräsident. Medial gilt er als mächtigere Figur als Straumann, dessen moderater Stil Riebli nicht zusagt. Weil die Parteileitung Sarah Regez als «Nachwuchstalent» nicht genug gefördert habe, nahm Riebli, der immer vorprescht, das selbst in die Hand: Er half ihr bei der Lancierung der Genderverbot-Initiative ohne Straumann zu informieren.

Die Unterstützer*innen Straumanns finden, Riebli würde die Parteileitung einseitig unterwandern wollen. Im Herbst wurden Unterschriften gesammelt, um ihn als Fraktionschef abzusetzen. Nach all den Querelen wurde er tatsächlich jüngst deutlich von der Fraktion abgewählt. Ende April wird der 68-Jährige auch aus dem Landrat zurücktreten. Seine Nachfolgerin soll Sarah Regez sein.

Caroline_Mall (1)
Caroline Mall (Bild: SVP Schweiz)

Caroline Mall – die Opportunistin

Riebli hat Caroline Mall als Gegenkandidatin für das Parteipräsidium aufgetrieben, um Ende April Dominik Straumann absägen zu können. Mall war Vize-Fraktionspräsidentin und wurde nun gemeinsam mit Riebli abgewählt. Wie auch Riebli gilt die 56-Jährige als eine, die kein Blatt vor den Mund nimmt. Die Reinacher Hausfrau mit Jura-Studium sagte dere BaZ, sich am rechtspopulistischen Stil Joël Thürings orientieren zu wollen.

Interessanterweise zeigt ihr Smartvote-Profil ein für eine SVPlerin äusserst moderates Bild: Nur in der Migrationspolitik ist sie auf Linie, sonst befürwortet sie mehr Sozialstaat und Umweltschutz als viele ihrer Kolleg*innen. Auch bei Bildungsthemen sieht die BaZ Mall «mehr in der Rolle der verständnisvollen Mama als einer harten Parteisoldatin». Sie ist sicherlich die umtriebigste Vorstoss-Autorin in der Baselbieter SVP-Fraktion, seit sie 2011 in den Landrat gewählt wurde.

Update: Mall zieht zurück; Riebli will Präsidium

Nach Veröffentlichung dieses Artikels hat die Medien eine Mitteilung von Caroline Mall erreicht. Sie ziehe ihre Kandidatur zurück und unterstütze neu die Kandidatur von Peter Riebli fürs Präsidium der SVP Baselland. Aufgrund der jüngsten Ereignisse in der SVP-Landratsfraktion habe sie sich dazu entschieden. Sie schreibt, Rieblis Abwahl als Fraktionspräsident sei «ohne substanzielle inhaltliche Begründung» erfolgt. Riebli stehe «für eine klare und erfolgreiche Politik im Sinne unserer Wählerinnen und Wähler». Deshalb werde er sich am 25. April zur Wahl stellen.

Johannes Sutter, SVP Baselland
Johannes Sutter (Bild: Fotolabor Spiess AG)

Johannes Sutter – der Vermittler

Sutter ist der andere Kandidat fürs Parteipräsidium. Seit zehn Jahren ist er Vizepräsident, nun soll er die Partei im Sinne des Straumann-Flügels leiten. Mit einem Blick-Interview bringt sich der 51-Jährige schon mal als neues Gesicht der Kantonalpartei in Stellung. Dort macht er klar, dass er die Partei als im Kern konstruktiv und moderat versteht. Das müsse nun auch für die Oppositionspolitik gelten.

Sein Ziel werde demnach zunächst sein, die zerstrittenen Gruppen wieder zusammenzuführen, wie er sagt. Schon seit Jahren gilt der Arboldswiler Gemeindepräsident als Vermittler zwischen den Flügeln. Die bz bezeichnete ihn als «einflussreichen Rebell vom Berg», er gilt als beredter und engagierter Exekutivpolitiker – und wird schon länger als Regierungsratskandidat gehandelt.

Reto Tschudin
Reto Tschudin (Bild: SVP Baselland)

Reto Tschudin – der Treue

Der neue Fraktionspräsident – nachdem Peter Riebli abgewählt wurde – gehört zu den Straumann-Unterstützer*innen. Der Staatsangestellte und Jurist, seit 2015 im Landrat, wurde immer wieder als möglicher SVP-Regierungsratskandidat genannt. Das spricht für eine Konsensfähigkeit und Wählbarkeit über das SVP-Lager hinaus: Wenn der 39-Jährige mehr Grenzschutz fordert, dann ohne Polemik.

Als er zum neuen Fraktionspräsidenten gewählt wurde, äusserte er in der BaZ auch Mitleid für seinen Vorgänger Peter Riebli, den er «nach wie vor schätze». Er fand dessen Absetzung «hart, aber nötig». Unter ihm soll sich die Fraktion nach dieser Phase der Unruhe wieder sachpolitischen Themen zuwenden.

Hanspeter Weibel
Hanspeter Weibel (Bild: SVP Baselland)

Hanspeter Weibel – der Provokateur

Manche bürgerliche Politiker*innen sagten gegenüber Bajour, sie sähen im aktuellen Richtungsstreit der Baselbieter SVP ein letztes Aufbäumen des Hanspeter Weibel, seinerzeit eine der prägendsten Figuren im Landrat und noch immer auf Gemeindeebene umtriebig. Als er 2023 nicht zur Wiederwahl in den Landrat antrat, schrieb die BaZ, dass er «den Kanton verändert» habe. Zumindest schaffte er es, als Parteileitungsmitglied 2013 den Regierungssitz der SVP zurückzugewinnen.

Die aktuelle Krise der Kantonalpartei befeuerte er, indem er in der BaZ (als einziger SVPler öffentlich) Straumann für dessen Führung kritisierte. Straumann identifizierte Weibel daraufhin im bz-Interview deutlich als Fädenzieher des Grabenkampfs («Hanspeter Weibel geht mir so langsam auf den Geist»).

Sandra Sollberger Foto
Sandra Sollberger

Sandra Sollberger – die Unterschätzte

Eigentlich hätte sie Anfang 2023 Nachfolgerin des zurücktretenden Regierungsrats Thomas Weber werden sollen. Dass die 50-Jährige politisch so weit rechts politisiert wie Roger Köppel und ihr «aussergewöhnlich passiver Wahlkampf» (SRF) kosteten die SVP den Regierungssitz. Immer wieder haftet der Malermeisterin ein farbloses Image an. Einfluss hat sie dennoch, wurde sie schon als SVP-Präsidentin gehandelt.

Sie ist seit sechs Jahren im mächtigen Parteileitungsausschuss der SVP. So sagte sie beim Thema Abgrenzung zum Rechtsextremismus im Namen der SVP, dass man sich nicht bei den Angelegenheiten der «komplett eigenständigen» Jungpartei einmischen werde. Dennoch: Sie unterstützt gemäss Onlinereports die Kandidatur des gemässigten Johannes Sutter fürs Baselbieter SVP-Präsidium. Auch ein vorzeitiger Rücktritt, um für Regez Platz im Nationalrat zu machen, ist von ihr nicht zu erwarten.

Nationalrat Thomas de Courten, SVP-BL, portraitiert am Montag, 9. Dezember 2019 in Bern.
Thomas de Courten (Bild: Parlamentsdienste/Alessandro della Valle)

Thomas de Courten – der Hardliner

Thomas de Courten gilt als Hardliner, er ist direkt neben Andreas Glarner am parlamentarischen rechten Rand der SVP. Aktuell befindet er sich in seiner vierten Legislatur als Nationalrat. Wenn befürchtet wurde, Sarah Regez könnte in den Nationalrat nachrücken, wurde vor allem an de Courten gedacht. Doch der Basler Zeitung sagte der 58-Jährige klar, er wolle diese Legislatur sicher beenden.

Ausserdem hat sich de Courten im Vergleich zu vielen anderen SVPler*innen klar von Regez’ Kontakten zu Rechtsextremismus distanziert. Er sagte gegenüber SRF, die SVP-Parteileitung müsse ihre Verantwortung wahrnehmen und das Gespräch mit der Jungen SVP zu den Vorwürfen suchen. Trotz der klaren Kante gegen Extremismus gehört de Courten zu den Straumann-Gegner*innen – er will Vize-Präsident neben Caroline Mall werden.

Nicole Roth
Nicole Roth (Bild: SVP Schweiz)

Nicole Roth – die Übergangene

Eigentlich wäre ihr Platz auf der Baselbieter SVP-Liste für den Nationalrat im vergangenen Herbst sicher gewesen. Doch die Basis nominierte damals nicht die langjährige Präsidentin der Jungen SVP Baselland, sondern Sarah Regez. Ein Affront für die 29-Jährige, die gerade erst in den Landrat gewählt wurde. Roth ist auf SVP-Linie, doch laut BaZ mit feineren Tönen und kompromissfähig. 

So teilt sie zwar auch die SVP-Migrationspolemik und will Asylbewerber*innen nach deutschem Vorbild das Bargeld wegnehmen. Mit dem Anti-Woke-Kurs der Gesamtschweizer Jungpartei kann sie sich allerdings nicht identifizieren. Und bei der Bajour-Frage des Tages distanzierte sie sich von rechtsextremen Gedankengut und forderte klare Zeichen von JSVP und der Mutterpartei. Schon 2021 gehörte sie zu denjenigen, die in einem internen Schreiben den umstrittenen damaligen JSVP-Präsidenten David Trachsel kritisierten.

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Von Waldshut (Deutschland) den Rhein runter nach Basel treiben lassen. Used to be Journalismus-Student (ZHAW Winterthur) und Dauer-Praktikant (Lokalzeitungen am Hochrhein, taz in Berlin, Wissenschaftsmagazin higgs). Besonderes Augenmerk auf Klimapolitik, Wohnpolitik, Demopolitik und Politikpolitk. Way too many Anglizismen.

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