Ein Bus für den Brennpunkt
Im Zuge der Aufhübschung des Centralbahnplatzes stellt sich auch der Verein für Gassenarbeit Schwarzer Peter neu auf. Künftig will man mit einem Bus vor Ort sein, um die Bedürfnisse der sich dort gruppierenden Menschen ohne Wohnsitz abzuholen.
Auf den Punkt:
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Der Centralbahnplatz ist nicht nur das Eingangstor zur Stadt und damit der erste Eindruck, den Reisende von Basel erhalten – sondern, wie in vielen Städten, ein Aufenthaltsort für Menschen ohne festen Wohnsitz. Unter verschiedenen Gruppen kommt es dort immer wieder auch zu Konflikten. Die Kantonspolizei bezeichnete den Ort kürzlich als «Hotspot».
Die Nachricht, dass der Centralbahnplatz umgestaltet wird, liess deshalb aufhorchen. Unter anderem mehreren Begrünungselemente – zum Beispiel zwischen den Bankreihen vor dem Bahnhofsgebäude sollen helfen, räumliche Distanz zwischen konkurrenzierende randständige Gruppen zu bringen. Zudem gibt es jetzt zwei grosse Pflanzkübel mit Rundbänken, also insgesamt mehr Sitzmöglichkeiten.
«Aufwertung entschärft die Situation am Bahnhof mehr, als wenn man Menschen ohne festen Wohnsitz verdrängt.»Lyn Huber, Co-Geschäftsleiterin Schwarzer Peter
Die Aufhübschung geht zurück auf einen runden Tisch, den der Kanton im Frühjahr 2024 veranstaltete. «Die Stadt hat den Bahnhof als Brennpunkt wahrgenommen», erzählt Lyn Huber, Co-Geschäftsleiterin beim Schwarzen Peter. Der Verein für Gassenarbeit wurde in diesen Austausch mit einbezogen.
Huber erzählt, dass sie damals auf die deutsche Studie «Sichere Bahnhöfe für alle» verwiesen habe – eine 2023 publizierte Studie der Deutschen Bahn. Für die Studie wurden an den Hauptbahnhöfen in Frankfurt am Main und Hamburg sowie am Ostbahnhof in Berlin durch Ortsbegehungen, Beobachtungen und Befragungen von Gästen der Bahnhofsmissionen und anderer Einrichtungen der Obdachlosenhilfe, Gewerbetreibenden, Mitarbeiter*innen der Sicherheitsdienste und Polizeibeamt*innen sowie Reisenden und Passant*innen Aspekte objektiver und subjektiver Sicherheit erforscht.
«Die Studie kommt unter anderem zum Ergebnis, dass eine Aufwertung des Bahnhofs die Situation mehr entschärft, als wenn man mit Repression und Verdrängung von Menschen ohne festen Wohnsitz reagiert», sagt Huber. Sie ist zufrieden, dass der Kanton offensichtlich versucht hat, diesem Ansatz bei der Umgestaltung gerecht zu werden.
Was würdest du am Centralbahnplatz ändern? Schreib es bei der Frage des Tages.
Manche erwarten allerdings, dass die Umgestaltung zu einer Verdrängung führen würde, wie sich bei unserer Frage des Tages zeigte. Julie schreibt beispielsweise, dass die Rundbänke möglicherweise so designt seien, damit man nicht darauf schlafen könne. «Solange die bestehenden Sitzflächen, auf denen man liegen kann, nicht verschwinden und die Rundbänke als Ergänzung installiert wurden, sehen wir diese Art von Umgestaltung zum jetzigen Zeitpunkt nicht als Verdrängungsmassnahme», sagt dazu Lyn Huber. Sie ist gespannt, wie die Menschen, die sich am Bahnhof aufhalten, die Neugestaltung auffassen werden: «Erst dann wissen wir mehr.»
Im Rahmen des runden Tischs machte der Schwarzen Peter zudem eine Recherchearbeit zu innovativen Ansätzen an sogenannten Brennpunkten. «Unsere Herausforderung ist, dass die Szenenbildung im öffentlichen Raum in Basel stärker verschwindet. Am Bahnhof ist, anders beispielsweise als am Claraplatz, die Zusammensetzung sehr wechselhaft – und nicht alle kennen unser Angebot», erklärt Huber.
Sie seien nur hier um zu betteln, heisst es über rumänische Wohnungslose am Bahnhof SBB. Dabei würden sie liebend gerne arbeiten. Unterwegs mit der Gassenarbeit.
Um also die Sichtbarkeit der Gassenarbeit zu erhöhen, orientiert sich der Schwarze Peter an bestehenden Projekten aus anderen Städten – unter anderem mit Zürich und Berlin sei man eng in Austausch gewesen. Das Ergebnis: ein Kleinbus, mit dem die Gassenarbeit künftig beim Bahnhof regelmässig präsent sein will. «So ein Büsli fällt auf und bietet innen drin dennoch einen Schutzraum», sagt Huber. «Wir wollen dort Klappstühle aufstellen und Kaffee anbieten. Dieses Angebot weckt die Neugier – so wollen wir mit den Menschen in Kontakt kommen und Vertrauen aufbauen.»
So könnte es künftig einfacher sein, auch Menschen ohne geregelten Aufenthalt Orientierung im Hilfesystem zu bieten: «Wir haben unser Büro quasi dabei und können einfacher erklären, was für Möglichkeiten und eben auch Grenzen es für die individuelle Hilfe dieser Menschen gibt.»
In Kooperation mit dem Suchtambulatorium der Universitären Psychiatrischen Kliniken soll es auch ein Angebot zur einfachen Wundversorgung geben. «Wir haben in unserer bisherigen Arbeit auf der Gasse gemerkt, dass es da wirklich eine Lücke im Versorgungsangebot gibt», so Huber. Also wird wohl einmal pro Woche ein*e Ärzt*in im Bus vor Ort sein. «Oft kümmern sich Menschen auf der Strasse aus vielerlei Gründen nicht um ihre Gesundheit – es das Thema ist schambehaftet. Hier brauchen wir ein niederschwelliges Angebot.»
Der Bus wird demnächst von einer Camping-Ausbau-Firma innen gemäss Tipps aus Berlin und Zürich ausgestattet – in dieser Zeit wird sich beim Schwarzen Peter überlegt, wie die Schichtpläne aussehen könnten. Im September soll das Projekt starten.