SP – Linke Stimme der Vernunft

Die grösste Fraktion in Basel-Stadt hat in der Steuerdiskussion die Kurve gekriegt und überlässt den Widerstandskampf der Opposition von Basta und Grünen. Ein Kommentar.

Pascal Pfister, Tanja Soland, Lisa Mathys
Pascal Pfister, Tanja Soland und Lisa Mathys. (Bild: Keystone-SDA / Grosser Rat Basel-Stadt)

Kinder haben Trotzphasen, Parteien haben Oppositions-Phasen. Manchmal ist das klug, bei Kindern etwa, wenn die Eltern unter Zeitdruck stehen und erpressbar sind. Bei Parteien, wenn sie keine Regierungsmacht, dafür viel Volk im Rücken haben. Und manchmal einfach, um der Basis zu zeigen, dass man immer noch seinen Grundwerten treu ist.

Basta und Grüne haben keine Regierungsvertretung mehr, dafür – vor allem im Fall der Basta – viele Wähler*innen, die starke Ideologietreue einfordern. Es macht also durchaus Sinn, das Referendum gegen ein Steuerpaket zu ergreifen, das auch Topeinkommen und Vermögende entlastet. Auch wenn die Opposition die Abstimmung verlieren dürfte, denn es profitieren wohl auch viele ihrer Wähler*innen von den tieferen Einkommenssteuern und höheren Sozialabzügen.

Anders ist die Ausgangslage bei den Sozialdemokrat*innen. Auch der SP steckt traditionellerweise die Forderung nach möglichst hohen Vermögenssteuern in der DNA (Stichwort: Kapital statt Einkommen besteuern). Und auch sie leidet naturgemäss unter der verlorenen linken Mehrheit in der Regierung, welche ihr dieses Steuerpaket beschert hat. Aber in Basel-Stadt trägt die wählerstärkste Partei auch überdurchschnittlich viel politische Verantwortung: Die SP hat nach wie vor 3 Regierungsrät*innen und 30 Sitze im Parlament.

Und das Steuerpaket, das der Grosse Rat am Mittwoch angenommen hat, stammt aus der Feder ihrer Finanzdirektorin Tanja Soland und das merkt man der Vorlage an: So können gemäss Ratschlag beispielsweise neu auch Personen, die Prämienverbilligungen bekommen, ihre Prämie von den Steuern abziehen.

Umso erstaunlicher war es daher, als die SP im März auf Vollkonfrontation ging und mit einem Referendum gegen die eigene Finanzdirektorin drohte.

Doch so rasant die Sozialdemokrat*innen im Frühling in die Opposition gingen, so schnell kam sie auch wieder raus. In der Mittwochsdebatte fand die Partei nun einen Weg, ihren sozialdemokratischen Werten treu zu bleiben und das Paket ihrer Regierungsrätin mitzutragen.

So sagte Fraktionssprecher Pascal Pfister (der auch in der zuständigen Wirtschaftskommission sitzt): «Es ist kein Geheimnis, Vermögenssteuersenkungen finden wir falsch.» Aber aktuell erlebe die Bevölkerung einen Kaufkraftverlust bei höheren Ausgaben, vor allem bei den Krankenkassenprämien. Und Tanja Soland habe soziale Aspekte in die Steuersenkungsvorlage gebracht, «dafür sind wir dankbar».

Daher kommt Pfister zum Schluss: «Wir von der SP sind grundsätzlich einverstanden mit der Steuersenkung mit Mass.» Der Spielraum sei vorhanden. Basel-Stadt verzeichnete in den letzten Jahren regelmässig strukturelle Überschüsse, auch für nächstes Jahr ist ein Plus von 70 Millionen Franken budgetiert.

Fragezeichen
Das hat der Grosse Rat beschlossen

Der Grosse Rat sprach sich mit 77 zu 15 Stimmen bei einer Enthaltung deutlich für das Steuersenkungspaket aus. Es bedeutet für den Kanton Mindereinnahmen von 88 Millionen Franken. Das sind 20 Millionen Franken mehr, als von der Regierung vorgeschlagen. Die Steuer zahlende Bevölkerung profitiert für tiefere Steuersätze bei tiefen, mittleren und hohen Einkommen sowie von höheren Sozialabzügen. Die umstrittene Vermögenssteuersenkung kostet den Kanton 12 Millionen Franken.

Die sozialdemokratische Ambivalenz zeigte sich auch im Abstimmungsverhalten: Zwar unterstützte die Mehrheit der Fraktion zwischendurch (erfolglos) einen Änderungsantrag des Grünalternativen Bündnisses. Es forderte, die moderate Vermögenssteuersenkung aus dem Paket rauszustreichen. Doch in der Schlussabstimmung stimmte die SP-Fraktion für das Steuerpaket.

Das fiel einigen Sozialdemokrat*innen offenbar schwerer als anderen. SP-Co-Präsidentin Lisa Mathys Stimme war die Verachtung deutlich anzuhören, als sie sagte: «Zur Senkung der Vermögenssteuern lag kein Grund vor.» Sie führe dazu, dass immer noch mehr Menschen einen noch grösseren Anteil des Vermögens besitzen. «Das ist halt einfach kein guter Weg. Ungleichheit führt zu Spannungen und das ist gefährlich.»

Bei der Schlussabstimmung war sie abwesend. Offenbar, weil das Abstimmungssystem streikte. Der Grosse Rat musste zweimal abstimmen. Die zweite Abstimmung habe sie dann verpasst, schrieb Mathys auf Anfrage.

Finanzdemokratin Tanja Soland entgegnete auf die Kritik von links, die grösste Steuerentlastung gebe es nicht bei den Vermögenden und Gutverdienenden, sondern weiter unten. Und es stimme zwar, dass die Vermögen in der Bevölkerung ungleich verteilt seien. Der Regierungsrat finde es aber trotzdem sinnvoll, auch gegenüber diesen Menschen Wertschätzung zu zeigen, da sie einen grossen Teil der Steuerlast tragen. «Ich bin überzeugt, dass diese Menschen damit einverstanden sind und es damit zeigen, dass sie hierbleiben.»

Die Bürgerlichen zeigten sich naturgemäss befriedigt über die «längst fällige Steuersenkung».

Sicher ist den Bürgerlichen die Unterstützung der SP aber noch nicht ganz: Am Schluss entscheidet bei den Sozialdemokrat*innen die Basis, ob sie das Referendum der Grünen und der Basta mittragen.

Herz Vorlage
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Foto Pino Covino

Bei Bajour als: Journalistin.

Hier weil: Das Hobby meines Mannes finanziert sich nicht von alleine.

Davor: Chefredaktorin im Lokalmedium meines ❤️-ens (Bajour), TagesWoche (selig), Gesundheitstipp und Basler Zeitung

Kann: alles in Frage stellen

Kann nicht: es bleiben lassen

Liebt an Basel: Mit der Familie am Birsköpfli rumhängen und von rechts mit Reggaeton und von links mit Techno beschallt zu werden. Schnitzelbängg im SRF-Regionaljournal nachhören. In der Migros mit fremden Leuten quatschen. Das Bücherbrocki. Die Menschen, die von überall kommen.

Vermisst in Basel: Klartext, eine gepflegte Fluchkultur und Berge.

Interessensbindungen:

  • Vorstand Gönnerverein des Presserats
  • War während der Jugend mal für die JUSO im Churer Gemeindeparlament. Bin aber ausgetreten, als es mit dem Journalismus und mir ernst wurde.

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