Money, money, money

Die Basler Regierung macht den hier ansässigen Grossunternehmen den Hof: Sie zahlen zwar mehr Steuern, aber sollen auch mehr Fördergelder beantragen können. Warum das nötig ist, erklärt Wirtschaftsdirektor Kaspar Sutter (SP).

Kaspar Sutter Medienkonferenz Standortpaket 11.04.2025
«Basel ist keine Insel», sagt Kaspar Sutter und meint: Wir müssen uns dem Standortwettbewerb stellen. (Bild: David Rutschmann)

Auf den Punkt:

  • Wegen der OECD-Steuerreform müssen grosse Unternehmen in der Schweiz mehr Geld zahlen. Basels Steuereinnahmen sind massgeblich von diesen Unternehmen abhängig.
  • Um zu verhindern, dass die Unternehmen abwandern, will die Basler Regierung die Mehreinnahmen verwenden, um zwei Fördertöpfe zu schaffen.

  • Dieses sogenannte «Standortpaket» wird von linksaussen bekämpft. Vor der Volksabstimmung am 18. Mai legt die Regierung ihre Argumente für ein «Ja» dar.

Vor lauter Eurovision-Stimmung in der Stadt ist es schwierig, über das trockene Thema Finanzen ins Gespräch zu kommen. Genau am 18. Mai, also einen Tag nach dem ESC-Finale, kommt das Basler Standortpaket zur Abstimmung. Dieses Paket wurde schnurstracks noch in der ersten Sitzung des neu konstituierten Basler Grossen Rats im Februar durch das Parlament gepeitscht – und die Volksabstimmung auf den frühestmöglichen Termin gelegt.

Dabei geht es um viel Geld. Und damit die Öffentlichkeit Bescheid weiss, über was sie da genau abstimmt, lud Wirtschaftsdirektor Kaspar Sutter (SP) zur Medienorientierung ins Rathaus. Dort versuchte er die komplizierte Vorlage verständlich zu machen – und mit Nachdruck für eine Annahme zu werben. Es ist erst die zweite kantonale Volksabstimmung, die Sutter in vier Jahren als Vorsteher des Wirtschaftsdepartements zu verantworten hat. Bübisch sass er vor seinem Laptop, die Hände schüchtern unter dem Tisch verschränkt, hinter ihm die Power-Point-Präsentation. Die Argumente sollten sitzen.

Standortwettbewerb ist real

Worum geht es? Dazu muss man etwas ausholen: Die wichtigsten Industrienationen, die OECD-Staaten, haben beschlossen, die grössten Unternehmen (ab einem Jahresumsatz von 750 Millionen Franken) mit mindestens 15 Prozent zu besteuern. Und solche Unternehmen gibt es in Basel zuhauf: Sie machen hier mehr als die Hälfte der Wirtschaftsleistung und 80 Prozent der Gewinn- und Kapitalsteuereinnahmen aus.

Vor bald zwei Jahren stimmte die Schweiz für die Einführung dieser neuen Steuer. Gleichzeitig tut aber die USA beispielsweise nichts dergleichen, um die Steuer umzusetzen. Die Rechnung ist einfach: Mit der Mindeststeuer ist das Wirtschaften in Basel für die Unternehmen unattraktiver, weil teurer geworden. «Mit der OECD-Steuerreform kriegen wir den Standortwettbewerb nicht weg», sagte Sutter.

Das Wort Standortwettbewerb ist ein bisschen verrucht, grade aus dem Mund eines Sozialdemokraten: Offen zugestehen, dass man sich im Steuerwettbewerb befindet, macht Politiker*innen nicht gerade beliebt. Aber: Basel ist eben keine Insel, Firmen sind mobil, wie Sutter mehrfach betonte – auch er als Linker könne den real existierenden Standortwettbewerb nicht ignorieren.

Kaspar Sutter am Infoanlass zum Wohnhaus für Geflüchtete im Mai 2024
«Wir wollen das zusätzliche Geld in den Standort investieren – konkret in Forschung und Entwicklung, in die Elternzeit und für die Umwelt.»
Kaspar Sutter, Wirtschaftsdirektor

Deshalb macht auch Sutter keinen Hehl daraus, dass das Standortpaket ein Zückerli für die Unternehmen ist. «Wir mussten uns als Regierung fragen, wie wir das zusätzliche Geld ausgeben: Das wollen wir in den Standort investieren – aber eben konkret in Forschung und Entwicklung, in die Elternzeit und für die Umwelt.»

Und das soll so gehen: Der Kanton errichtet zwei Fonds, die jährlich aus dem Staatshaushalt (inklusive der Mehreinnahmen durch die OECD-Steuerreform) geäufnet werden. Der Beitrag in diese Fonds soll bei mindestens 150 beziehungsweise höchstens 500 Millionen Franken liegen – «die vielzitierten 500 Millionen Franken sind die Obergrenze, aber das wird nicht der Normalfall sein», so Sutter. Die jüngst publizierte Deloitte-Studie, die die Erwartungen an die Höhe der OECD-Mehreinnahmen gedämpft hatte, kommentierte Sutter mit: «Wir gehen davon aus, dass es mehr Geld sein wird.»

Die Wirtschafts- und Abgabekommission des Grossen Rats hat den ursprünglich geplanten Einzelfonds in seine zwei Bestandteile aufgesplittet: 80 Prozent des Gelds sollen in einen Innovations-Fonds gehen und 20 Prozent in einen Fonds für Gesellschaft und Entwicklung. Mit zweiterem fördert der Kanton beispielsweise die Steigerung der Energieeffizienz und die Reduktion von Treibhausgasen von Unternehmen – und zahlt drei Wochen Elternzeit (80 Prozent des Lohnes bis 220 Franken pro Tag).

Alle sollen profitieren, nicht nur Roche & co.

Sutter betont dabei: Diese Elternzeit, die über die gesetzliche Elternzeit von 14 beziehungsweise zwei Wochen hinausgeht, kommt allen in Basel zugute. «Fälschlicherweise denken einige, dass nur jene Unternehmen diese Elternzeit beantragen dürfen, die jetzt von der OECD-Steuerreform betroffen sind. Aber das umfasst alle Unternehmen, die ihren Arbeitsort im Kanton Basel-Stadt haben.»

Daher nämlich sei es auch eine falsche Interpretation, dass das Standortpaket einfach das OECD-Geld wieder an Roche und co. zurück verteilen soll. Auch der weitaus gewichtigere Innovationsfonds steht allen Basler Unternehmen offen – zumal es Kriterien zur Vergabe dieser Gelder geben soll, die noch in einer Verordnung festgelegt werden müssten. «Da dürfen sich auch Start-ups bewerben», sagt Sutter. 

Konkret könnten Firmen aus Basel und der Nordwestschweiz, die in der Forschung, Entwicklung und Innovation tätig sind, Unterstützungsbeiträge beantragen, um Löhne zu bezahlen. Weiter sollen innovative Unternehmen Geld erhalten, um ihre Anlagen abzuschreiben und um Forschungsprojekte vorantreiben zu können – in Basel und der gesamten Schweiz.

Bis zum 18. Mai hat Sutter noch Zeit, die Basler*innen von diesem Konzept zu überzeugen – die Gegner*innen, die das Referendum ergriffen haben und kritisieren, dass man das Geld solidarischer hätte verwenden können, bringen sich nämlich schon in Stellung.

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David Rutschmann

Das ist David (er/ihm):

Von Waldshut (Deutschland) den Rhein runter nach Basel treiben lassen. Used to be Journalismus-Student (ZHAW Winterthur) und Dauer-Praktikant (Lokalzeitungen am Hochrhein, taz in Berlin, Wissenschaftsmagazin higgs). Besonderes Augenmerk auf Klimapolitik, Wohnpolitik, Demopolitik und Politikpolitik. Way too many Anglizismen.

Kommentare

Daniel
12. April 2025 um 06:24

Geld ausgeben aber nicht einnehmen?

Eine Ablehnung des Standortpakets wäre im Vergleich zu heute eine massive Steuererhöhung für Unternehmen. Gerade in der heutigen Situation hochriskant. Auch schade, dass ausgerechnet jene politischen Kreise, welche am liebsten Geld ausgeben, sich nicht ernsthaft mit den Mechanismen auseinandersetzen wollen, wie die dazu notwendigen Einnahmen zustande kommen. Einfach nur „wünsch dir was“ wird sich als Bumerang erweisen - insbesondere für linke Anliegen.

Marcus Denoth
12. April 2025 um 09:21

23 Milliarden Investitionen in den USA - ein Vorbote?

Novartis will 23 Milliarden in den USA investieren und alle notwendigen Medis für den US-Markt dort produzieren. Dann das Ziel über 50% des Umsatzes dort zu generieren. Da liegt es dann nahe, wenn die Bedingungen sich in Basel verschlechtern, dass man dann gleich auch den hauptsitz in die USA verlegt und dort zu besseren Konditionen versteuert als in Basel. Man kann ja mit dem Maga-Typen einen guten Deal abschliesen. Und das Aktionarat und der US-Novartis-Chef, welcher wohl lieber in Manhatten bummeln geht als in der Freien Strasse, kann sagen, ja, die Bedingungen zwingen uns zu diesem Schritt. Angstmacherei? Nein, in diesen Zeit absolut realistisch. Und wer bezahlt dann all die (linken) Wünsche? Im Titel und Header zeigt Bajour klar, wie sie zum Paket stehen. Schade, sind sie sich der Tragweite eines neins nicht bewusst. Denn alle Unternehmen erhalten etwas, sogar gemeinnützige Vereine. Nicht nur die Grossen. Gesetz einmal richtig durchlesen hilft.

Michaela Egger
12. April 2025 um 22:00

Wer nicht profitiert

Von den Subventionen an Elternzeit sind Betriebe wie das Unispital oder die BVB ausgenommen. Herr Sutter vergisst das leider jeweils zu erwähnen. Dies schafft eine Ungleichheit, die nicht zu rechtfertigen ist. Und gleichzeitig klagen sie über Fachkräftemangel. "Standortförderung" mag nötig sein, aber hier stimmt der Verteilschlüssel nicht.