Fürchten Sie, dass viele SVP-Mitglieder auf der Intensiv landen?

Die SVP ist die Partei mit den meisten Impfgegner*innen. Gleichzeitig wollen ihre beiden Bundesräte, dass Nicht-Geimpfte ihre Covid-Tests selbst übernehmen sollen, wenn sie an ein Konzert wollen. Was sagt der Basler Fraktionschef Pascal Messerli zur Corona-Strategie seiner Partei?

Pascal Messerli
Zur Person

Pascal Messerli ist Fraktionspräsident der SVP Basel-Stadt im Grossen Rat. Von Beruf ist er Jurist.

Pascal Messerli, sind Sie geimpft?

Ja. 

Und Ihre Parteikolleg*innen der SVP Basel-Stadt?

In der Fraktion ist die überwiegende Mehrheit geimpft, in der Basis sind auch viele geimpft, vor allem ältere Mitglieder. Es gibt aber auch einen Flügel, der das nicht will. 

Löst das intern Diskussionen aus, wie offenbar andernorts in der Schweiz?

Wir diskutieren schon intern darüber, aber es wird als Privatsache gesehen. In der SVP gibt es ein breites Spektrum an Meinungen, die aufeinanderprallen. 

Sicher? Kein Streit wegen des Impfens?

Mir ist nichts bekannt.

Die SVP Schweiz ist die Partei mit den meisten Impfgegner*innen: 51 Prozent der Basis wollen sich ja nicht impfen lassen, wie eine Sotomo-Umfrage ergeben hat.

Ich weiss nicht, ob die Umfrage stimmt. Persönlich sage ich jedem: Impfen wäre vernünftig, es ist der einzige Weg aus der Pandemie. Aber man muss akzeptieren, dass das nicht alle Menschen wollen, für diese muss man andere Wege finden.

Haben Sie keine Angst, dass überdurchschnittlich viele SVP-Mitglieder in der vierten Welle auf der Intensivstation landen, weil sie sich weder impfen noch testen lassen?

Gute Frage. Ich habe um jeden Angst, der sich nicht impfen lässt. Aber ich habe die Hoffnung, dass die Impfquote noch steigt, wenn man sich bei den Hausärzten impfen lassen kann.

«Impfen wäre vernünftig, es ist der einzige Weg aus der Pandemie.»

Hat die SVP die Impfskepsis nicht regelrecht bewirtschaftet? Ich erinnere an Bundesrat Ueli Maurer, der zuerst sagte, er lasse sich nur den ersten Schuss setzen. Mittlerweile hat er sich ein zweites Mal geimpft. 

Es gibt halt verschiedene Meinungen. Impfen steht schliesslich nicht im Parteiprogramm.

Aber ich frage nochmals: Hat Ihre Partei die Impfskepsis nicht absichtlich geschürt? Etwa, in dem sie die Covid-Taskforce lächerlich gemacht hat?

Das ist jetzt etwas weit hergeholt.

SVP-Nationalrat Marcel Dettling forderte einen Maulkorb für die Taskforce und Thomas Matter sagte, die Wissenschaftler*innen würden «Horrormärchen» erzählen.

Ich finde es weit hergeholt, zu sagen, unsere Mitglieder lassen sich nicht impfen, weil wir die Taskforce kritisiert haben. Es gibt halt verschiedene Meinungen, die SVP-Basis denkt differenziert. Es gibt solche, die sagen: «Astrazeneca niemals, Pfizer ist okay.»

Astrazeneca ist in der Schweiz bis jetzt auch nicht zugelassen. Beim Impfen geht es auch um Vertrauen in die Wissenschaft und die Behörden. Sät die SVP Misstrauen in Staat und Wissenschaft?

Nein, wir haben grosses Vertrauen in den Staat, zum Beispiel bei der Sicherheit, auch wenn es aus der SVP Kritik an den polizeilichen Massnahmen zur Bekämpfung von Terrorismus (PMT) gab, über die wir im Juni abgestimmt haben. Mit dem Impfen hat das wenig zu tun.

Warum haben SVPler*innen mehr Vertrauen in die Polizei als zum Beispiel in Forscher*innen des Biozentrums?

Vielleicht, weil die SVP einen Schwerpunkt in die Sicherheitspolitik setzt und dort auch eigenes Personal vertreten hat, beispielsweise beim Militär. Aber mittlerweile haben wir auch den einen oder anderen Gesundheitspolitiker, zum Beispiel Pierre Alain Schnegg in Bern oder Natalie Rickli in Zürich. 

«Die SVP hat grosses Vertrauen in den Staat, zum Beispiel bei der Sicherheit.»

Wer nicht geimpft ist, aber an ein Konzert möchte, muss einen Corona-Test machen. Der Bundesrat will nun, dass man die Tests selbst bezahlen muss – auf Druck der SVP-Bundesräte. Wollen Sie Ihren eigenen impfskeptischen Wähler*innen den Konzertbesuch verunmöglichen?

Ich persönlich finde, dass der Bund die Tests weiterhin bezahlen soll. Sonst nimmt man ein wirksames Mittel aus der Pandemiebekämpfung und hat weniger Zahlen zur Lage. Aber Ueli Maurer und Guy Parmelin haben die finanzielle Verantwortung, da sie das Finanz- respektive Wirtschaftsdepartement leiten. Und sie erhoffen sich, dass sich mehr Leute impfen, wenn sie die Tests bezahlen müssen.  

Was ist denn die Strategie der SVP, um eine vierte Welle im Herbst zu verhindern?

Es gibt unterschiedliche Meinungen in der SVP, auch in den Kantonen. Es gibt kein Parteiprogramm zu Corona. Aber grundsätzlich will die SVP möglichst viel öffnen und möglichst wenig Massnahmen, und das Covid-Zertifikat aufheben. 

Alles öffnen, keine Massnahmen: Sehen Sie das auch so?

Man muss situativ schauen, die Zahlen beobachten und handeln, wenn die Spitäler zu überlasten drohen. Ich fand den Lockdown vor einem Jahr gut, aber ich finde es auch richtig, dass im Juni die Beizen und so weiter geöffnet haben. Ich hoffe, dass der Impffortschritt vorangeht und dass man an strengeren Massnahmen vorbeikommt. Aber wenn die Zahlen der Patienten in den Spitälern wieder explodieren, dann braucht es Massnahmen.

Ihre Strategie ist also: Abwarten und schauen.

Ja, das ist meine Meinung. Nicht die der SVP.

Könnte dann nicht dasselbe passieren wie im November: Wir warten zu lange und schon überrollt uns die vierte Welle?

Ja, deshalb hätte der Bundesrat viel mehr vorwärts machen müssen mit dem Impfen. Die Hausärzte hätten viel früher impfen sollen, man hätte Impfmobile vor die Discos schicken müssen wie in Israel. Dann wäre die Schweizer Impfquote jetzt vielleicht höher. Mir ist wichtig, dass wir die Spitäler nicht überlasten.

Wir trauen den Fakten.
Journalismus unterstützen

Basel Briefing

Das wichtigste für den Tag
Jetzt Abonnieren
Jetzt Member Werden

Das könnte dich auch interessieren

Stefan Suter 2024

Michelle Isler,Ina Bullwinkel am 03. September 2024

«Ich entscheide, was ich für gut oder recht befinde»

Im Interview erfährt Bajour vor allem, was SVP-Regierungskandidat Stefan Suter nicht ist, was er alles rückgängig machen würde, wieso er dankbar für die 10-Millionen-Initiative ist, obwohl er die Zuwanderung von Arbeitskräften befürwortet und weshalb das nächste Mal lieber er die Fragen stellt.

Weiterlesen
DSC06709

Valerie Wendenburg am 07. Mai 2024

«Philosophisch liegt Rassismus im Auge des Betrachters»

Im Nachgang zur turbulenten Vorstandssitzung der Jungen SVP äussert sich Demi Hablützel, Präsidentin der JSVP Basel-Stadt, zur geforderten Abgrenzung der Partei zum Rechtsextremismus und zu problematischen Begriffen.

Weiterlesen
Dominik Straumann Pantheon Muttenz

David Rutschmann am 22. April 2024

«Eine Abspaltung wäre für beide Seiten sehr dumm»

Dominik Straumann gilt als moderater SVPler, den jetzt der extreme Regez-Flügel als Parteichef im Baselbiet zu Fall gebracht hat. Hat er die Hardliner*innen selbst zu lange geduldet? Ein Interview über chaotische Tage in der Kantonalpartei, den Weg aus der Krise und warum es bei der SVP kein Co-Präsidium geben wird.

Weiterlesen
Baselbieter SVP Collage

David Rutschmann am 16. April 2024

Regez, Riebli und Co.: So verteilt sich die Macht

In der Baselbieter SVP brodelt es; in einer Woche kommt es beim Parteitag zur Kampfwahl. Wer geht wem auf den Geist und wessen Finger ziehen beim Putschversuch die Fäden? Eine kleine Übersicht.

Weiterlesen
Foto Pino Covino

Bei Bajour als: Journalistin.

Hier weil: Das Hobby meines Mannes finanziert sich nicht von alleine.

Davor: Chefredaktorin im Lokalmedium meines ❤️-ens (Bajour), TagesWoche (selig), Gesundheitstipp und Basler Zeitung

Kann: alles in Frage stellen

Kann nicht: es bleiben lassen

Liebt an Basel: Mit der Familie am Birsköpfli rumhängen und von rechts mit Reggaeton und von links mit Techno beschallt zu werden. Schnitzelbängg im SRF-Regionaljournal nachhören. In der Migros mit fremden Leuten quatschen. Das Bücherbrocki. Die Menschen, die von überall kommen.

Vermisst in Basel: Klartext, eine gepflegte Fluchkultur und Berge.

Interessensbindungen:

  • Vorstand Gönnerverein des Presserats
  • War während der Jugend mal für die JUSO im Churer Gemeindeparlament. Bin aber ausgetreten, als es mit dem Journalismus und mir ernst wurde.

Kommentare