Treffen sich Sascha und Testosteron auf einen Schwatz

Kommt ein cis Klischee vorbei. Was macht ihr da? Beide: «Halbwissen wegflanken, sieht man doch.» Ein Trashtalk.

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Foto: Anne Gabriel-Jürgens

Sascha: Hallo Testosteron (höfliche Coronaverbeugung). Wenn mich Leute fragen, was ich mir von dir verspreche, dann sag ich: Testo, geil! Mehr Muskeln, mehr Fitness – eventuell sogar mehr Libido? Testo: Ja, vielleicht. Schauen wir mal. Ist mega individuell, weisch. Ich entscheide mich von Körper zu Körper.

Sascha: Also, falls du der Weihnachtsmann wärst, ich wünschte mir mehr Muskeln und generell mehr körperliche Fitness.

Testo: Klar, kannst du haben!

Sascha: Geil! Wie lange dauert das??

Testo: Also erst einmal wächst deine Klitoris. Sie wird so mega gross.

Sascha: For real? Also wie gross?

Testo: Mega gross! Du wirst dich in medizinischen Abbildungen nie wieder repräsentiert fühlen und sogar queere, intersektionale Festivals werden vergessen dass es dich gibt. Ok?

Sascha: Hej! What? Shit! Das ist ja jetzt schon passiert! Wird sie noch grösser?

Testo: Ich weiss es nicht, ich mach wie gesagt einfach so bitzli hier und da etwas grösser, das andere kleiner. Je nach Person unterschiedlich, wie es mir passt.

Sascha: Also … ich finds grad recht anstrengend … diese Reibungen an der Klitoris ... IMMER! Es ist schmerzhaft! Hört das auf? Oder muss ich dich dafür absetzen?

Testo: Hej, das mit der Klit geht allen so. Ist aber schon sehr bald vorüber. Bis jetzt haben es fast alle akzeptiert, weil sie nicht nach einer Woche schon aufgeben wollten. Gibst du etwa nach einer Woche schon auf?

Sascha: Ähm. Fuck you, Testo! Das ist ziemlich beschissen von dir, das ist so voll dieses toxische Männlichkeit-Zeugs. «AUFGEBEN!». Ich will keine Hahnenkämpfe! 

Testo: Aber findest du’s nicht geil, wie viel Kraft du plötzlich fühlst? Weisch, so à la du könntest dir jetzt eine Strassenschlacht leisten. Fühlst du diese Muskeln in deinen Oberschenkeln und diese Kontrolle in deinen Unterarmen? Hättest du nicht Lust … also mal so … Lust darauf, eine kleinere Schlägerei auszuprobieren?

Wir nehmen die volle Dröhnung

Sascha: Äh nein! Hej, Testo! Vielleicht hast du das nicht gewusst, aber ich bin non-binary! Also ich nehm dich nur ein bitzeli. Nicht die volle Dröhnung.

Testo: Wait! Das ist mir neu! Also du bist nicht ein trans Mann? Du willst nicht «transitionieren»?

Sascha: Genau, das will ich nicht. Aber ich glaube, für unsere Leser*innen müssen wir erklären, was dieses «Transitionieren» bedeutet?

Testo: Ich finds uhuere anstrengend zu erklären, was «transitionieren» bedeutet. Ich mach das ja immer sehr unterschiedlich, je nach Lust und Laune. Magst du das für mich ausführen?

Sascha: Ja klar. 

(Rhythmische, nicht zu laute Musik setzt ein im Hintergrund. Wahrscheinlich ein Xylophon oder sonst etwas Konzentrationsförderliches.)

Sascha: Also, liebe Leser*innen: Wenn ein Körper, der «natürlichweise» wenig Testosteron produziert viel Testo einnimmt, dann verändert das den Körper dieser Person. Identifiziert sich eine Person z.B. als trans Mann und transitioniert hormonell, hat diese Person zwar bis zu einem bestimmten Zeitpunkt einen weiblichen Körp-

Testo: -er und dann kann ich dieser Person helfen, dass er sich darin wohlfühlt. Er kriegt zum Beispiel Stimmbruch und Barthaare und-

Sascha: -eine grosse Klitoris, die nirgends repräsentiert wird. Aber äh, Testo. Ist das jetzt Dominanzkultur oder so? Ich war grad am Erklären …

Testo: Ah, ja, ja. Go, go!

Sascha: ... Also, und wenn so ein Körper Testo einnimmt, dann findet zum Beispiel eine Fettumverteilung statt. Das in den Hüften und den Reiterhosen gespeicherte Fett wandert in den Bauch-

Testo: -Aber Männer finden das geil, oder? Sie sind dann so Grill-Bierbauch-Männer!

Sascha: Nein, glaub nicht und zwar, weil – entgegen dem allgemeinen Fokus auf Frauen –, alle Geschlechter unter Schönheitsidealen leiden und Fett, egal wo, als 1 Fett zu viel betrachtet wird. Aber, so wie ich’s mitgekriegt hab, finden’s die meisten trans Männer nicht meega schlimm, wenn ihre «weiblichen Kurven» woanders hingehen. – Also glaub einfach lieber am Bauch als an den Beinen?

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Foto: Anne Gabriel-Jürgens

Testo: Whatever. I don’t care about social beauty standards. Weiss du eigentlich, wie’s den cis Männern geht? Ich bin als Hormon ja eigentlich auf cis Männer ausgerichtet und nicht auf euch transmaskuline sowieso-Menschen. 

Sascha: Nein, shit. Keine Ahnung, wie’s den cis Männern geht, die das gleiche Produkt brauchen wie ich. Die haben ja so «Unterfunktionen», sagen die Ärzt*innen, andere Quellen sprechen etwas wertungsfreier von Testosteronmangel. Denkst du, sie fühlen sich dadurch unmännlicher?

Testo: Ach, Menschen, die sich unmännlich fühlen, that’s my daily bread.

Sascha: Ja eh! Also nein! Eigentlich nicht! Das lässt sich ja nicht am Testo festmachen. Also ob ein Mensch männlich ist oder nicht.  

Testo: Nein, safe nicht, lol. Ich bin ja erstmal überhaupt keine Eigenschaft, nur eben dieses Hormon. Für dich bin ich ein auf alkoholbasis erstelltes Gel, das du aufträgst, oder ein Öl, das du in deinen Popo injizierst. Aber die meisten Menschen checken das ja nicht. 

Sascha: Und was sagst du diesen Menschen?

Testo: Ich habe keine Moralvorstellungen, ich funktioniere einfach genau so, wie man mich einsetzt. Unabhängig davon, wie man sich dazu positioniert. Also auch wenn Männlichkeit auf anderen Ebenen stattfindet: I don’t care. I have only one job. And I do that right.

Und bei den Fitnessdudes mache ich, dass ihre Eier weich werden, aber ihre Muskeln hart und gross.
Testosteron

Sascha: Mega schön eigentlich. Du bist ja total offen. Egal ob non-binary afab, trans Mann, cis Mann mit Unterfunktion oder Fitnessdude – du machst keinen Unterschied.

Testo: Ja voll! Ich werde einfach eingesetzt, fange dann an zu wirken und mache mein Ding. Bei trans Männern mache ich, dass sie in der Gesellschaft irgendwann als Männer eingelesen werden–

Sascha: –weil sie durch dich z.B. Stimmbruch kriegen und Fettumverteilung, Muskeln und einen Bart …

Testo: Ja, genau. Und bei cis Männern, die eine Unterfunktion haben, mache ich halt, dass die kompensiert wird. Und bei den Fitnessdudes mache ich, dass ihre Eier weich werden, aber ihre Muskeln hart und gross.

Sascha: Wirst du da eigentlich oft gedealt, in Fitnessclubs? 

Testo: Ja, sehr oft, aber niemand spricht darüber. In der Umkleide wissen es aber alle, wenn mich einer konsumiert. Sie sehen meine Klienten mit ihren vielen Pickeln auf dem Rücken und exorbitantem, schnellem, unwahrscheinlichem Muskelwachstum. 

Sascha: Sind es eigentlich trans Menschen, die den Fitnessdudes das Testo verticken?

Testo: Hmm … Nein, ich glaube eher nicht. Die trans Personen verticken wenn, dann untereinander. Also du solltest das ja auch kennen: Eine*r hat ein Rezept, aber eine andere Person (noch) nicht und dann teilen die halt ein bisschen. Hast du das auch schon gemacht?

Sascha: Das würde ich niemals zugeben. 

Testo: Heheh. Alright! ;-) Wie findest du das eigentlich, dass ich von Ärzt*innen nicht auf dich ausgeschrieben werde?

Sascha: Ähm ja, also ich glaub, ich finds schon ziemlich krass, die gesamte Verpackungsbeilage spricht nur cis Männer mit Testosteronmangel an, obwohl sooo viele transmaskuline Menschen das Produkt auch brauchen. Das ist frustrierend. 

Testo: Sorry kurz, nur weil du ja vorhin schon bedacht auf unsere Leser*innen eingehen wolltest: Wen meinst du eigentlich, wenn du von «transmaskulinen Menschen» sprichst?

Sascha: Cutie! Das sind Menschen, die bei der Geburt dem weiblichen Geschlecht zugewiesen wurden und sozusagen auf einem Spektrum von Männlichkeit Angleichungen vornehmen. Das Spektrum ist wirklich gross. Es reicht vom absolut angepassten trans Mann, der jegliche Geschlechtsangleichungen an ein männliches Ideal vornimmt, bis hin zur non-binären Person, die ein weibliches eingetragenes Geschlecht hat und nur bitzli mit Testo umepröblet. Öppe so. 

Testo: Ah ja. Jaja, been with them, done them. Aber hej, noch was wegen der Pharmakonzerne: Du musst halt eifach bitzli sichtbarer sein! So Roche und Novartis und Beyer, die müssen wissen, dass viele Menschen, die keine cis Männer sind, ein Hormon wie mich brauchen! Dann machen sie schon ein Produkt für dich. 

Sascha: Ja genau, die positionieren sich dann als queer-friendly und we care about LGBTIQ-Rights und haben 2022 plötzlich einen Wagen an der Zürich PRIDE, weil sie uns ein Produkt verkaufen können, sobald sie uns als lukrative Zielgruppe einschätzen.

Aber weisch, sie könnten auch einfach das Wording der jetzigen Produkte ändern, also halt schreiben, dass das Produkt auch von trans Personen gebraucht wird und nicht nur auf cis Männer mit Testomangel ausgerichtet ist. Es würde auch bedeuten, dass die Verschreibung von Testosteron an trans Menschen allgemein anerkannt wird und nicht nur von wenigen Spezialist*innen vorgenommen wird.

Testo: True.

Danke fürs Mutmachen. Und danke, dass du auf meinem Bauch nicht so viele Haare wachsen lässt. 
Sascha zu Testosteron

Sascha: Wie, also ganz konkret, jetzt mal so körperlich, wie würdest du am liebsten eingesetzt werden?

Testo: Ich habe keine Präferenzen, ich wirke einfach, egal wo du mich aufträgst. Aber deine Zuneigung freut mich natürlich schon, wenn du mich jeden Morgen aufstreichst. 

Sascha: Aber nur auf die Innenseite meiner Oberschenkel und Innenarme!

Testo: Hehe, ja, ich mache schnell Bauchhaare, gell? Auch wenn in der Packungsbeilage steht, dass du mich auch regelmässig auf den Bauch auftragen solltest. Warum machst du das eigentlich nicht, magst du Bauchhaare nicht?

Sascha: Nein, und es tut mir wirklich aufrichtig leid. Bis jetzt mochte ich dich auf meinem Bauch nicht. Bist du enttäuscht?

Testo: Nein. Du hast einfach gerade Glück, dass ich da bei dir nicht so hart greife heheh. Weisst du, durch wie viele Threads ich in den Sozialen Netzwerken von Tumbler über Twitter bis Tiktok schon geschleift wurde, weil ich erst einen Urwald auf dem Bauch, aber kein einzelnes Haar im Gesicht wachsen liess? Und weil ich keinen Stimmbruch einsetzen liess? Die trans Männer sind sehr oft enttäuscht von meiner Willkür. Ich kann aber nichts dafür: Es kommt wie es kommt. 

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Zwei Testo-Gels und ein Mooncup. Foto: Anne Gabriel-Jürgens

Sascha: Hihi, ja, ich weiss! Einer der ersten trans Männer, dem ich begegnete, beklagte sich, dass die ersten Haare, die bei ihm spriessen, auf seinem grossen Zehen wuchsen.

Testo: Siehst du!

Sascha: Sag noch schnell: Wirst du eigentlich lieber gespritzt oder als Gel aufgetragen?

Testo: Hard to say. Werde ich gespritzt wollen die Leute meist so schnell wie möglich so viel wie möglich von mir haben. Also sie machen nicht dieses Microdosing, wie du das machst. Allerdings chille ich dann einfach so als Depot für zwei bis drei Wochen oder zwei bis drei Monate in ihrer Arschbacke oder ihrem Oberschenkel, bis ich wieder nachgespritzt werde. Die Wirksamkeit nimmt dadurch aber nicht zu. Bei Dir werde ich jeden Tag in einer mini-Dosis aufgetragen. Ich mag das. <3

Sascha: Die Freude ist ganz auf meiner Seite, Testo. Es war schön mit dir zu schwatzen. Noch viel schöner wäre, wenn du jeder transmaskulinen Person ihre individuellen Wünsche erfülltest – und wenn du als Produkt für transmaskuline Menschen angeboten würdest.

Testo: It’s all about economy, honey. It’s all about economy. Aufmerksamkeitsökonomie ist da explizit mitgemeint. Seid mehr und sichtbarer und ich werde als trans-Medikament für euch angeboten werden, wirst schon sehen. ;-) 

Sascha: Danke fürs Mutmachen. Und danke, dass du auf meinem Bauch nicht so viele Haare wachsen lässt. 

Testo: You’re welcome.

_

Die Fotos dieser Serie sind Arbeiten der freiberuflichen Fotografin Anne Gabriel-Jürgens. Sie lebt und arbeitet in Zürich und Hamburg und begleitet Sascha für ein Langzeitprojekt mit dem Titel «Outbetweeninside». Die Fotografin beschreibt die Arbeit als visuellen Dialog mit Sascha. Alle Bilder dieser Artikelserie sind Teil dieser Zusammenarbeit.

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