(K)eine Velovignette für Basel

Die nationalen Forderungen der Bürgerlichen nach einer Velovignette kommen bei Basler Velofahrer*innen nicht gut an. Auch die Verkehrspolitik des Kantons geht in eine andere Richtung.

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Priorisierte Velorouten in Basel-Stadt. (Bild: Mobilität Basel-Stadt)

Die Zeichen stehen auf verkehrspolitischer Wende: Vergangene Woche hat das Parlament an der Frühjahrssession in Bern das Velo-Gesetz ins Ziel gebracht. Finally – nach über drei Jahren. Das Veloweg-Netz soll nun also ausgebaut, das Fahrradfahren sicherer gemacht werden. Auch auf kantonaler Ebene erhält das Zweirad weiter Schub: Anfang März lancierte ein überparteiliches Personenkomitee eine Volksinitiative für sichere Velorouten in Basel-Stadt, denn die Velounfälle mit Verletzungsfolge haben sich in Basel zwischen 2012 und 2019 verdoppelt

«Eine Autobahnvignette kostet 40 Franken, da finde ich 20 Franken für eine Velovignette ganz schön happig. Ausserdem, finde ich, sollte die Infrastruktur für Fahrräder von Steuergeldern bezahlt werden, wie alles andere auch. Ich möchte dem Staat lieber nicht noch mehr Geld bezahlen.»
Salome, 41

Die geforderte Sicherheit kostet Geld. Viel Geld. Wie viel ist noch unklar: Weder das Bundesamt für Strassen noch das Basler Verkehrsdepartement möchte zum Ausbau des Veloweg-Netzes Schätzungen abgeben. Der Aargauer SVP-Nationalrat Benjamin Giezendanner hingegen schätzt die geplanten Ausgaben für die neue Infrastruktur Pi mal Daumen auf zwei Milliarden Franken. Er möchte die Kosten nun auf die Fahrradfahrer*innen abwälzen und fordert mit einem Vorstoss eine finanzielle Beteiligung. Konkret schwebt ihm eine Identifikationsmarke analog der Autobahnvignette vor, eine Velovignette für 20 Franken pro Velo und Jahr. Gemäss Berechnungen der Sonntagszeitung müssten private Fahrradbesitzer*innen so jährlich rund 110 Millionen Franken zahlen.

«Ich finde eine Velovignette positiv. Als Autofahrer kaufe ich auch eine Autobahnvignette, damit ich mich an den teuren Bauten beteilige. Und als Velofahrer profitiere ich von gewissen Privilegien, das kostet Geld. Der Staat muss das bezahlen, aber als Konsument darf ich mich daran beteiligen. Ausserdem wäre ich für ein Nummernschild für Velofahrer*innen, damit sie sich nicht bewegen können, als wären sie in einem rechtsfreien Raum.»
Beat, 69

In dem Blatt wird Transportunternehmer Giezendanner mit folgenden Worten zitiert: «Künftig sollen Velofahrer gleich wie Autofahrer, Töfffahrer und Zugreisende behandelt werden.» Wer, wie die Radler, mit dem neuen Veloweg-Gesetz zusätzliche Rechte bekomme, müsse auch zusätzliche Pflichten auf sich nehmen, das gelte ebenso in finanzieller Hinsicht. Die Motion mitunterzeichnet haben 45 Bundespolitiker*innen, darunter SVP-Fraktionschef Thomas Aeschi, die Zürcher FDP-Nationalrätin Doris Fiala sowie Fabio Regazzi von der Partei Die Mitte.

«Ich wäre bereit, 20 Franken für eine Velovignette zu bezahlen, aber dann fordere ich auch eine velogerechte Verkehrsplanung, bei der Fahrräder priorisiert oder zumindest gleich behandelt werden wie Autos. Zudem fordere ich einen schnellen Ausbau mit nahtlosen Verbindungen, insbesondere entlang der Hauptachsen. Ich möchte sicher und komfortabel ans Ziel kommen und dabei nicht von einem SUV überfahren werden.»
Laura, 38

In Basel halten jene, die selbst in die Pedale treten, von der Idee einer Velovignette eher wenig, wie eine Umfrage auf der Strasse zeigt (siehe Zitatboxen). Roland Chrétien, Geschäftsführer Pro Velo beider Basel, sagt auf Anfrage von Bajour: «Das ist reiner Populismus!» Das Fahrradfahren solle gefördert, der Zugang so einfach wie möglich gehalten werden. Dies gelte sowohl für die im Januar abgelehnte Helmpflicht für Jugendliche im Alter von 12 bis 16 Jahren als auch für die neue Idee einer Velovignette. Alle profitierten, wenn möglichst viele Menschen Velo fahren – auch Herr Giezendanner, ist Chrétien überzeugt.

Ähnlich tönt es beim Verkehrsdepartement: «Der Fuss- und Veloverkehr ist eindeutig die umweltverträglichste Form der Mobilität», sagt Mediensprecherin Nicole Ryf, «man ist platzsparend, emissionsarm und leise unterwegs.» Hinzu kämen positive Effekte mit Blick auf Bewegung und Gesundheit. 

«Ich finde eher, den Velofahren sollte Geld bezahlt werden. Sie sind es doch, die wegen des Co2-Ausstosses der Autos am Schluss an Lungenkrankheiten sterben.»
Sandra, 34

Vor diesem Hintergrund entspreche die Idee einer Velovignette nicht der Basler Verkehrspolitik. Diese möchte möglichst viele zum Fahrradfahren animieren. Mit Erfolg: In den letzten 10 Jahren hat der Anteil der Fahrradfahrer am gesamten Verkehrsaufkommen laut dem Verkehrsindex um 45 Prozent zugenommen. Und der Anteil aller Wege, die die Bevölkerung mit dem Velo zurücklegen, macht 16 Prozent aus. Im schweizerischen Städtevergleich liegt Basel damit an der Spitze. 

Durch das neue Veloweg-Gesetz sind die Kantone künftig verpflichtet, Veloinfrastrukturen verbindlich zu planen und für ein zusammenhängendes Velowegnetz zu sorgen. Welche Routen in Basel nun durch den Ausbau des schweizweiten Velo-Netzes profitieren werden, ist noch unklar. Aber es gibt Routen, die priorisiert werden – und zwar jene, die quer durch die Stadt führen sowie der äussere Ring (siehe Grafik).

Die Grundlage zur Entwicklung einer velofreundlichen Infrastruktur ist der sogenannte Teilrichtplan Velo. Ausserdem hat die Basler Regierung ihre Mobilitätsstrategie im Januar 2022 in die öffentlichen Vernehmlassung geschickt; sie sieht ebenfalls eine Förderung des Veloverkehrs vor.

«Ich habe vier verschiedene Fahrräder. Wenn ich für jedes eine eigene Vignette bräuchte, wäre das ganz schön teuer. Ausserdem kommt die Idee von der SVP und fühlt sich drum an wie eine Strafe für Velofahrer.»
David, 29

Auch aus finanzieller Sicht würde eine Velovignette der Stadt laut dem Verkehrsdepartement nichts bringen. Gemäss der Forderung von Giezendanner ginge es um einen Beitrag seitens der Velofahrenden an die Veloinfrastruktur – sprich: Die Velofahrenden müssten für einen Teil der Kosten aufkommen, die aktuell die Kantone oder die Gemeinden tragen. Mediensprecherin Ryf sagt: «Unter dem Strich stünden nicht mehr finanzielle Mittel zur Verfügung.» Das Amt geht demnach davon aus, dass mit einer Velovignette keine Verbesserung einhergehen würde. Im Gegenteil, meint Ryf: «Die Kosten könnten das Velofahren für Einzelne weniger attraktiv machen, was der Basler Verkehrspolitik zuwider laufen würde.» 

Übrigens: Es gab in der Geschichte der Zweiräder bereits einmal eine Velovignette. 5 Franken kostete diese pro Velo und Jahr. 2012 wurde die Versicherungsabgabe abgeschafft, seither müssen für Schäden, die durch Radfahrer*innen verursacht werden, die privaten Haftpflichtversicherungen aufkommen. Ihre Abschaffung damals war ebenfalls eine Forderungen der Bürgerlichen.

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Nach einem ersten journalistischen Praktikum bei Onlinereports hat Valerie verschiedene Stationen bei der Neuen Zürcher Zeitung durchlaufen, zuletzt als Redaktorin im Bundeshaus in Bern. Es folgten drei Jahre der Selbständigkeit in Berlin, bevor es Valerie zurück nach Basel und direkt zu Bajour zog, wo sie nun im Politikressort tätig ist.

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