Überflüssiges Baschi-Bashing

Die Basler Polizei zeigte am 1. Mai Fingerspitzengefühl und desinfizierte sich gegen politische Seuchengefahr von rechts und links. Ein Kommentar.

1.Mai-Demo
«Kinder gegen Kapital». Sonst noch Fragen? (Bild: Eleni Kougionis)

Eigentlich wollten wir von Bajour nicht auch noch unseren Senf zur Demo am 1. Mai dazugeben. Da waren nicht viel mehr als ein paar hundert Vermummte, die mit Medizinalmasken vor dem Gesicht dem Coronavirus trotzen und gleichzeitig den Kapitalismus überwinden wollten. Denen da oben sollte ein bisschen gezeigt werden, dass sie da unten imfall machen, was sie wollen. Im nicht immer ganz eingehaltenen Zwei-Meter-Abstand wurde soweit friedlich der Aufstand gegen das Versammlungsverbot geprobt.

Politisch sind solche Treffen eine leichte Beute und für die Medien ein gefundenes Fressen. Ob Antikapitalist*innen oder Impfgegner*innen – wer sich derzeit gruppenweise zum Protest auf die Strasse wagt, ist der Depp und hat von Kommunikation nicht viel begriffen. Die Empörung ist garantiert, die pauschalen Schlagzeilen ebenfalls.

«Alle Linken»?

Die «BaZ» kesselte grad mal alle Linken verbal ein und titelte zunächst: «Die Linken sind sich selbst am nächsten». Dabei hatte sich das rotgrüne Establishment – SP und Grüne – schleunigst beeilt, keinen Anlass für Kritik zu geben und sich von der Demo zu distanzieren. Die «Linke» an dieser Demo bestand eigentlich aus einer einzigen  Politikerin – Tonja Zürcher von der Linksaussenpartei BastA! Details...

So erwartbar wie der Pauschalvorwurf an alle Linken dieser Welt war der zweite feste Bestandteil der 1.-Mai-Nachbearbeitungsfolklore: die Kritik an der Polizei. Diese hatte die Demo verfolgt, aber nicht eingegriffen und twitterte nachher: 

Protest und Anschuldigungen erreichte die Verantwortlichen für den vermeintlichen Kuschel-Polizeieinsatz postwendend. SVP-Politiker sprachen von «tolerierter Anarchie» und kritisierten den Polizeidirektor: «Linke stehen in Basel über dem Gesetz». SVP-Fraktionschef Pascal Messerli sagte «Telebasel»: «Man hätte diese Versammlung sofort auflösen müssen». 

Really?

Genau das hat nämlich die Zürcher Polizei gemacht. Dort erstickten die Uniformierten die versuchte Demo im Keim. Gibt es dort deswegen weniger Kritik? Natürlich nicht. Dort kommt sie einfach von linker Seite. Der grüne Gemeinderat Luca Maggi kritisierte gegenüber Tsüri.ch, die Polizei habe Menschen zusammengetrieben und so grössere Menschenansammlungen verursacht. Jetzt fordert der Grüne eine «politische Aufarbeitung der Vorkommnisse».

Basler Polizei hat Fingerspitzengefühl gezeigt

Es zeigt der Direktvergleich: Egal, was die Polizei macht, Kritik gibt’s immer. Angesichts von Corona muss man aber sagen: Die Basler Polizei von FDP-Regierungsrat Baschi Dürr hat ziemlich viel Fingerspitzengefühl gezeigt. Was wäre die Alternative gewesen? Wie hält man als Polizist*in die Zwei-Meter-Abstandsregel ein, wenn man Demonstrant*innen durch die Gassen jagt? Wie viele Fünfergruppen darf man maximal verhaften? Muss man bei Tränengas-Alarm in die Armbeuge heulen? Die Absurdität der Fragen zeigt, dass Deeskalation das probate Mittel war. Und zum krawalligen Auftritt mit Maximalforderungen fürs Gemüt kam die Law-&- Order-Fraktion ja dann an den Tagen darauf in den Zeitungsspalten und auf den Frontseiten.

Dass wir uns richtig verstehen: Die 1.-Mai-Demo war zu diesem Zeitpunkt schon rein aus kommunikativer Sicht so intelligent wie ein gezielter Pflastersteinwurf ins eigene Stubenfenster. Jetzt reden alle wieder über «idiotische Demonstrant*innen» und «mehr Repression» statt über faire Löhne für das Pflege- oder das Verkaufspersonal im Baumarkt, wo sich die Leute längst wieder dichter drängen als an der 1.-Mai-Demo. Danke dafür, Comrades.

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Foto Pino Covino

Bei Bajour als: Journalistin.

Hier weil: Das Hobby meines Mannes finanziert sich nicht von alleine.

Davor: Chefredaktorin im Lokalmedium meines ❤️-ens (Bajour), TagesWoche (selig), Gesundheitstipp und Basler Zeitung

Kann: alles in Frage stellen

Kann nicht: es bleiben lassen

Liebt an Basel: Mit der Familie am Birsköpfli rumhängen und von rechts mit Reggaeton und von links mit Techno beschallt zu werden. Schnitzelbängg im SRF-Regionaljournal nachhören. In der Migros mit fremden Leuten quatschen. Das Bücherbrocki. Die Menschen, die von überall kommen.

Vermisst in Basel: Klartext, eine gepflegte Fluchkultur und Berge.

Interessensbindungen:

  • Vorstand Gönnerverein des Presserats
  • War während der Jugend mal für die JUSO im Churer Gemeindeparlament. Bin aber ausgetreten, als es mit dem Journalismus und mir ernst wurde.

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