Nicole Strahm: «Die Freie Strasse finde ich sehr schlimm»
Ein einziger Baum soll bald die Freie Strasse zieren. Viele Grossrät*innen sind not amused. Wann handelt Esther Keller?
Es ist bald geschafft. Die vierte von fünf Bauetappen zur Umgestaltung und Erneuerung der Freien Strasse kommt in die Endphase. In etwa einem Jahr wird alles vorbei sein. Das Ziel war «das Sicherstellen einer hohen Aufenthaltsqualität für Anwohner und Besucher» und «die Umgestaltung der Freie Strasse zu einer attraktiven und zeitgemässen Fussgängerzone und Flaniermeile», gemäss den neuen Gestaltungsprinzipien des Gestaltungskonzepts Innenstadt (GKI). Kostenpunkt: 15,6 Millionen Franken.
Mit der zitierten Aufenthaltsqualität während den Sommerwochen ist es so eine Sache: Wegen fehlenden Schattens und vielen Betons kann sich eine extreme Hitze entwickeln. Dass während der Bauarbeiten gewisse Abstriche in Kauf genommen werden müssen, ist für alle klar. Aber wie ist das nach der Fertigstellung geplant?
So:
Wo sind die aktuell viel beschworenen Grünflächen oder andere Schattenorte, die zum Verweilen einladen, geplant? Sieht so eine 16 Millionen Franken, via Steuergelder finanzierte, zeitgemässe und nutzungsgerechte Flanier- und Einkaufsmeile mit hoher Aufenthaltsqualität aus?
Nein, finden Grossrät*innen von links bis rechts. Hier eine Auswahl kritischer Voten:
«Die Freie Strasse finde ich sehr schlimm. Es wurde nichts besser gemacht, einfach nur ein neuer Strassenbelag. Keine Bänke und keine Grünflächen. Die Ziele wurden bei der Freie Strasse nicht erreicht.»
«Die Freie Strasse hat nach dem Umbau genau gleich wenig Grünfläche und Schatten wie davor. Das ist ein grosses Problem und wird uns noch lange beschäftigen.»
«Die Freie Strasse hat mit dem Umbau die Aufgaben und Ziele nicht erfüllt. Es gibt zu wenig Grünflächen und Bäume.»
«Ich hätte mir sehr gewünscht, dass die Freie Strasse mit der Umgestaltung grüner wird. Das bedauere ich sehr. Die Klimaanalyse zeigt auch: Hier wird man nachjustieren müssen. Aus diesen Erfahrungen müssen wir lernen und in Zukunft das Klima bei der Planung einbeziehen.»
«Vor der Freien Strasse graut es mir. Ich bin sicher, mit genügend gutem Willen wäre eine Begrünung möglich gewesen. Ein paar Pflanztöpfe von der Stadtgärtnerei reichen da bei Weitem nicht.»
«In der Freie Strasse muss noch mehr gemacht werden. Aber vieles ist wegen den Leitungen im Boden und den Nutzungsanforderungen erschwert. Sind Baumpflanzungen nicht möglich, so sind gleichwertige Alternativen vorzusehen.»
«Eine Freie Strasse mit mehr Bäumen und Grünflächen wäre wünschenswert gewesen. Jedoch muss bei solchen Massnahmen immer auch vieles beachtet werden.Von einer verpassten Möglichkeit möchte ich deshalb nicht sprechen.»
Mehrere Grossrät*innen fordern von der Regierung, dass sie bei der Planung nachbesser:
«Das Ziel des Umbaus wurde ganz klar nicht erfüllt. Wir müssen bei der Freie Strasse nochmals über die Bücher und gezielt nachbessern.»
«Es ist schade, dass bei der Umgestaltung der Freien Strasse keine Bäume Platz fanden. Nun müssen wir halt kreativ werden, man könnte zum Beispiel Fassaden begrünen.»
Zuständig für die Planung ist das Departement von Baudirektorin Esther Keller (GLP). Sie hat die Planung der Freien Strasse von Vorgänger Hans-Peter Wessels geerbt. Noch im Jahr 2019 hatte Keller den mangelnden Grünraum auf der geplanten Freien Strasse kritisiert – damals noch als Grossrätin.
In einer Interpellation mit dem Namen «Freie Strasse mit Grünräumen attraktiver gestalten», schreibt Keller, dass die komplette Versiegelung des Bodens eine verpasste Chance für mehr Grünfläche sei. Die Auswirkungen der flächendeckenden Verlegung des grauen Quarzsandstein, analog zur Greifengasse, sind auf den Visualisierungen zu sehen. Zitat Keller: «Der dunkle Boden ohne Grünflächen wirkt abweisend und verwandelt sich im Sommer in eine Hitzewüste, der die Menschen aus der Innenstadt fernhält.» Sie merkt auch an: «Diese Planung ist umso erstaunlicher, als dass das Baudepartement in eigenen Berichten darauf hinweist, dass die Aufenthaltsqualität in der Stadt durch den Einsatz von hellen Böden sowie Grünflächen mit Bäumen deutlich steigt.»
Wessels argumentierte damals, Grünelemente und eine Entsiegelung seien nicht realisierbar. Der Grund: «die vergleichsweise geringe Breite des Raumes und das enge Netz an Werkleitungen im Untergrund lassen eine Bepflanzung mit Bäumen jedoch nicht zu.» Auch eine unversiegelte Fläche würde den Nutzungsansprüchen in der Freien Strasse nicht genügen.
«Wir prüfen für die Freie Strasse den Einsatz von mobilen Beschattungselementen, Sonnensegeln und mobilen Pflanzentrögen.»Esther Keller, Baudirektorin GLP
Reisst Keller das Steuer noch herum, jetzt, da sie selbst am Hebel sitzt? Antwort: «Wir prüfen für die Freie Strasse den Einsatz von mobilen Beschattungselementen, Sonnensegeln und mobilen Pflanzentrögen.» Sie können die Bedenken der Grossrät*innen gut nachvollziehen. Doch «die vor ziemlich genau drei Jahren erteilte Interpellationsantwort», welche sie vom damaligen Regierungsrat erhalten hat, «ist nach wie vor aktuell».
Ausserdem glaube sie, dass die umgestaltete Freie Strasse auch im Sommer attraktiv sei, dank Sonnensegeln und mobiler Begrünung.
In der Stadt geht es derweil weiter mit Baustellen. Im nächsten Jahr steht die Gesamterneuerung der Clarastrasse an, da die Tramgleise das Ende ihrer Lebensdauer erreicht haben. Und auch dort will das Baudepartement die gleichen Quarzsandsteinplatten verlegen wie in der Freie Strasse und Greifengasse.
Lernt das Baudepartement aus den Erfahrungen mit der Freien Strasse und plant im Kleinbasel mehr Grünflächen ein? Keller schreibt: «Auch hier möchten wir mit mobilen Beschattungselementen usw. die Hitze reduzieren.» Doch zusätzlich werden auch noch, zu der bestehenden Baumreihe mit 17 Bäumen, drei neue Bäume gepflanzt. Grund für die bescheidenen Begrünungspläne sei die ober- und unterirdische Strassennutzung, welche keine weiteren Massnahmen erlauben würde.
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