Hakenkreuz und Hitlergruss

In der Schweiz ist es nach wie vor erlaubt, ein Hakenkreuz auf dem Käppi zu tragen oder den Hitlergruss zu zeigen. Der Ständerat will nun extremistische Symbole verbieten – Nazisymbole inbegriffen. Die jüdischen Dachverbände äussern sich skeptisch.

ARCHIV - 20.01.2016, Hessen, Marburg: Der Spruch «Gegen jeden Antisemitismus!» prangt an einer Toilettenwand der Philipps-Universität. Beleidigungen auf dem Schulhof, Schmierereien, Witze und Äußerungen in sozialen Netzwerken: Wie verbreitet ist Antisemitismus in Sachsen-Anhalt? Neue Strukturen sollen Aufschluss geben - und Hilfe anbieten. (zu dpa «Antisemitismus in Sachsen-Anhalt stärker im Fokus » vom 24.02.2019) Foto: Arne Dedert/dpa +++ dpa-Bildfunk +++ (KEYSTONE/DPA/Arne Dedert)
Es gibt vermehrt antisemitische Vorfälle in der Schweiz. (Bild: Keystone / Arne Dedert)

Die Debatte darüber, ob und in welcher Form Nazi-Symbole in der Schweiz verboten werden sollen, ist wieder aktuell: Seit dem Krieg im Gazastreifen steigen antisemitische Vorfälle. Für die jüdische Gemeinschaft scheint es gerade jetzt wichtig, dass der Bund schon bald Nazisymbole verbietet. 

Am 20. Dezember hat der Ständerat die Motion «Verbot der öffentlichen Verwendung von rassendiskriminierenden, gewaltverherrlichenden oder extremistischen, wie beispielsweise nationalsozialistischen Symbolen» gutgeheissen. Ziel ist es, extremistische Symbole zu verbieten. Nazi-Symbole auch, aber nicht nur. Die Kommission für Rechtsfragen, die die Motion (siehe Box) eingereicht hat, macht klar: Das Verbot soll nicht auf Symbole, die mit dem Nationalsozialismus in Verbindung gebracht werden, limitiert werden. Auch andere rassendiskriminierende, extremistische und gewaltverherrlichenden Symbole werden berücksichtigt.

Text der Motion

Der Bundesrat schafft eine gesetzliche Grundlage, welche die öffentliche Verwendung, das öffentliche Tragen, das öffentliche Zeigen sowie das öffentliche Verbreiten von rassendiskriminierenden, gewaltverherrlichenden oder extremistischen, wie beispielsweise nationalsozialistische Propagandamitteln, Zeichen und Symbolen, wie Gesten, Parolen, Grussformen, Zeichen und Fahnen, insbesondere einer Vereinigung, die auf die systematische Herabsetzung oder Verleumdung von Angehörigen einer Rasse, Ethnie oder Religion gerichtet ist, unter Strafe stellt.

Mit dem Verbot möchte der Bundesrat eine gesetzliche Grundlage schaffen, die bisher in der Schweiz fehlt. Der Schweizerische Israelitische Gemeindebund (SIG) und die Plattform der Liberalen Juden in der Schweiz (PLJS) sind aber nicht erfreut über diesen Schritt. Sie zeigen sich besorgt und befürchten, dass sich der parlamentarische Prozess verzögern und ein baldiges Verbot von Nazi-Symbolen gar verhindert werden könnte.

Jonathan Kreutner, SIG-Generalsekretär, sagt: «Unser Ziel ist ein konkretes Resultat: ein Verbot von Nazi-Symbolen. Wir mussten die Erfahrung machen, dass die Debatte um einen Katalog, der alle denkbaren extremistischen Symbole umfasst, genau dieses Resultat verhindert. Wir müssen hier schrittweise vorgehen, in der Debatte und in der Umsetzung. Ein Verbot des Hakenkreuzes oder der gelben Judensterne ist klar und nachvollziehbar.»

Jonathan Kreutner
Jonathan Kreutner möchte ein klares Verbot von Nazi-Symbolen. (Bild: SIG)

Die jüdischen Dachverbände haben also Sorge vor einer ausufernden Debatte und sehen das «Gesamtprojekt gefährdet», wie der SIG auf seiner Website schreibt. Aus ihrer Sicht sollten in einem ersten Schritt zuerst Symbole wie das Hakenkreuz, der Hitlergruss, die Sieg-Rune der SS, der SS-Totenkopf sowie der gelbe «Judenstern» verboten werden. Was nicht ausschliessen soll, dass in einem späteren Schritt weitere extremistische Symbole verboten werden. SIG und PLJS sprechen sich klar für ein Spezialgesetz aus, damit Nazi-Symbole zeitnah in der Schweiz verboten werden.

Irritiert zeigen sich die Dachverbände auch darüber, dass der Ständerat mit einer eigenen Motion andere Vorlagen, wie jene von Marianne Binder-Keller («Keine Verherrlichung des Dritten Reiches. Nazisymbolik im öffentlichen Raum ausnahmslos verbieten.») in den Hintergrund drängt.

Tatsächlich könnte die Umsetzung eines generellen Verbots von nationalsozialistischen und rassistischen Symbolen in der Schweiz «eine grosse Herausforderung» sein, wie das Bundesamt für Justiz kürzlich in einem Bericht schrieb. 

Michela Seggiani
Michela Seggiani ist für eine differenzierte politische Debatte. (Bild: Photo Basilisk AG)

«Ich begrüsse den Kurswechsel des Bundesrats und dass der Ständerat die Motion der Kommission für Rechtsfragen angenommen hat, weil Antisemitismus und die dazugehörenden Symbole massiv zugenommen haben», sagt Michela Seggiani, SP-Fraktionspräsidentin im Grossen Rat. «Ebenfalls begrüsse ich, dass die Motion weitergehen will, als ausschliesslich Nazi-Symbole zu verbieten.» Da es sich um eine Gesetzesänderung handele, findet Seggiani es wichtig, dass die politische Debatte differenziert und mit Bedacht geführt wird.

Anouk Feurer
Anouk Feurer findet das Vorgehen des Ständerats richtig und wichtig. (Bild: Grosser Rat Basel-Stadt)

Ähnlich äussert sich Grossrätin Anouk Feurer (Junges Grünes Bündnis), die im Dezember einen Vorstoss zur Antisemitismusprävention an allen Sekundarschulen im Grossen Rat lanciert hat. Sie sagt: «Ich finde das Vorgehen des Ständerats richtig und wichtig. Es ist auch sinnvoll, nicht nur Nazi-, sondern auch andere extremistische Symbole zu verbieten.

Sonst würden wir nicht-jüdische Minderheiten diskriminieren.» Sie stellt sich eher die Frage, inwieweit es machbar ist, eine Liste mit Symbolen zu erstellen, die schlussendlich verboten werden sollen. «Das ist ein sehr umfangreiches und anspruchsvolles Unterfangen», sagt Feurer. Sie hofft aber dennoch darauf, dass die Motion im Ständerat angenommen wird.

Pascal Messerli
Pascal Messerli ist dafür, eine gute gesetzliche Grundlage zu schaffen. (Bild: zvg)

Grossrat Pascal Messerli (SVP) betont gegenüber Bajour, dass er sich schon lange für ein Verbot von Nazi-Symbolen in der Schweiz ausspricht. «Es ist aber wichtig, dieses Verbot auf eine gute gesetzliche Grundlage zu stellen. Ich erkenne die Bedenken einer Verzögerung, halte es aber für sinnvoll, auch andere extremistische Symbole miteinzubeziehen.» Messerli ist der Ansicht, es sei durchaus richtig, sich Zeit zu lassen, um eine rechtliche Grundlage zu schaffen, die dann auch verhebt.

Er und auch Anouk Feurer geben zu Bedenken, dass die Strafnorm gegen Rassismus Art. 261bis StGB (siehe Box) nicht ausreichend sei. So ist zum Beispiel der öffentlich gezeigte Hitlergruss – so geschehen 2010 auf dem Rütli – nicht strafbar, wenn er hauptsächlich dem Ausdruck des eigenen Bekenntnisses zur Nazi-Ideologie dient. Also wer aus rein persönlichen Motiven den Hitlergruss zeigt und nicht nachweisbar öffentlich Ideologien verbreitet, darf dies tun. Messerli findet, es sei wichtig, in Zukunft sicherzustellen, dass eine gesetzliche Grundlage geschaffen wird, die besser greift und Unklarheiten aus dem Weg räumt.

Strafnorm gegen Rassismus Art. 261bis StGB
  • Wer öffentlich gegen eine Person oder eine Gruppe von Personen zu Hass oder Diskriminierung aufruft,
  • wer öffentlich Ideologien verbreitet, die auf die systematische Herabsetzung oder Verleumdung dieser Personen oder Personengruppen gerichtet sind,
  • wer mit dem gleichen Ziel Propagandaaktionen organisiert, fördert oder daran teilnimmt,
  • wer öffentlich durch Wort, Schrift, Bild, Gebärden, Tätlichkeiten oder in anderer Weise eine Person oder eine Gruppe von Personen wegen ihrer Rasse, Ethnie, Religion oder sexuellen Orientierung in einer gegen die Menschenwürde verstossenden Weise herabsetzt oder diskriminiert oder aus einem dieser Gründe Völkermord oder andere Verbrechen gegen die Menschlichkeit leugnet, gröblich verharmlost oder zu rechtfertigen sucht,
  • wer eine von ihm angebotene Leistung, die für die Allgemeinheit bestimmt ist, einer Person oder einer Gruppe von Personen wegen ihrer Rasse, Ethnie, Religion oder sexuellen Orientierung verweigert,

wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.

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Valerie Wendenburg

Nach dem Studium, freier Mitarbeit bei der Berliner Morgenpost und einem Radio-Volontariat hat es Valerie 2002 nach Basel gezogen. Sie schreibt seit fast 20 Jahren für das Jüdische Wochenmagazins tachles und hat zwischenzeitlich einen Abstecher in die Kommunikation zur Gemeinde Bottmingen und terre des hommes schweiz gemacht. Aus Liebe zum Journalismus ist sie voll in die Branche zurückgekehrt und seit September 2023 Redaktorin bei Bajour. Im Basel Briefing sorgt sie mit ihrem «Buchclübli mit Vali» dafür, dass der Community (und ihr selbst) der Lesestoff nicht ausgeht.

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