Videoüberwachung – bringt’s das?
Immer wieder sorgt die Dreirosenanlage aufgrund ihrer Sicherheitslage für negative Schlagzeilen. Diese Woche werden Überwachungskameras installiert, um die Situation zu beruhigen. Wir haben nachgefragt, ob es Daten gibt, die diese Massnahme rechtfertigen.
Schon wieder steht die Dreirosenanlage negativ in den Schlagzeilen. Am Wochenende wurde ein junger Mann beraubt und die Basler Verkehrsbetriebe nehmen aufgrund eines Überfalls auf einen ihrer Fahrer im vergangenen Juli ab dieser Woche keine Fahrer*innen-Ablöse mehr an der Haltestelle Dreirosenbrücke vor.
Ab dieser Woche soll alles besser werden. Doch ist dem wirklich so?
Das Justiz- und Sicherheitsdepartement (JSD) kündigte vergangenen Monat an, ab Kalenderwoche 32 (also der frisch angebrochenen) Videokameras auf der Dreirosenanlage zu installieren. Zweck sei «der Schutz von Personen und Eigentum vor strafbaren Handlungen und die Verfolgung solcher Straftaten».
Die Faktenlage
Dieser Entscheid wurde von vielen in der Stadt begrüsst, von manchen aber auch kritisiert. So äusserte GAB-Grossrätin Fleur Weibel gegenüber der bz Bedenken; sie bezweifelt, dass Videoüberwachung auch gegen die Ursachen der Delikte helfe. Zudem sei unklar, was die Kameras, die 2021 an der Uferstrasse installiert und mittlerweile wieder abgebaut worden sind, gebracht hätten.
Das wollten wir vom JSD wissen. Doch Toprak Yerguz, Leiter Kommunikation, kann dazu nichts Genaueres sagen. Denn: «Wir arbeiten im Alltag einer Stadt und nicht in einem Labor.» Über den Einfluss der einzelnen Faktoren lasse sich nur mutmassen.
Setzt man also trotz mangelnder klarer Resultate auf Videoüberwachung? Dabei muss zwischen Prävention und Ermittlung unterschieden werden.
«Niemand wird bezweifeln, dass die Strafverfolgung mit bestehendem Videomaterial effektiver ist als ohne», sagt Yerguz dazu, während die Präventivwirkung auch vom Bewusstsein der Anwesenden abhänge. An der Dreirosenanlage werden aus diesem Grund zu den Videokameras auch Piktogramme angebracht, die auf die Anlage aufmerksam machen.
Dass Videokameras präventiv wirken, findet auch Christopher Geth, Professor für Strafrecht an der Universität Basel, plausibel. Er sagt aber gleichzeitig: «Einen Beleg dafür zu finden, dass die Kriminalität insgesamt betrachtet zurück geht, ist schwierig.»
Beweise sichern
Und was ist mit Videokameras für eine einfachere Ermittlung? Eine allgemeine Aussage zu treffen, ist schwierig. Die Staatsanwaltschaft Basel-Stadt hat keine statistischen Daten dazu, wie sehr Videokameras bei der Ermittlung von Straftaten helfen – auch aus ermittlungstaktischen Gründen, man wolle sich nicht zu tief in die Karten blicken lassen. Martin Schütz, Kommunikationschef bei der Staatsanwaltschaft, hält fest: «Ganz grundsätzlich ist es aber so, dass die Auswertung von vorhandenem und rechtlich zulässigem Bildmaterial sowohl für die Identifizierung mutmasslicher Täterinnen und Täter als auch zur Klärung von Tatabläufen sehr hilfreich bis entscheidend sein kann.»
Auch Christopher Geth von der Uni Basel findet, dass sich Videoüberwachung positiv auf die Strafermittlung auswirken mag. «Wenn Straftaten auf legale Weise gefilmt werden, können diese Aufnahmen hilfreiche Beweise darstellen», sagt der Professor.
Offene Fragen
Bleibt die Frage, ob durch die Videokameras das Problem nicht einfach verlagert wird? Doch, gibt Geth zu bedenken: Die Kriminalität würde sich auf der Dreirosenanlage durch den Einsatz von Kameras vielleicht reduzieren, aber gewisse Kriminalitätsphänomene, wie beispielsweise der Drogenhandel, würden dann vermutlich woanders hin abwandern.
Für den Strafrechtler ist das jedoch kein Argument gegen eine Videoüberwachung in Brennpunkten: «Solange die rechtlichen Rahmenbedingungen eingehalten werden, ist es ein politischer Entscheid, in welchen Bereichen des öffentliches Raums eine Videoüberwachung stattfinden soll.»
Ob Videokameras die Lösung sind, die die Dreirosenanlage braucht, wird sich erst noch zeigen. Das weiss auch das JSD. «Es wäre ein Trugschluss zu glauben, dass eine Videoüberwachung das alleinige Allheilmittel ist», sagt Toprak Yerguz. Sie sei mit anderen Massnahmen wie Beleuchtung und Polizeipräsenz ein Mosaikstein. Da aber die bisher angewandten Massnahmen nicht wie gewünscht funktionierten, sei man «der Bevölkerung schuldig, auch das Mittel der Videoüberwachung beizuziehen».
Die Frage nach der Wirkung der Kameras wird vermutlich im November zur Diskussion kommen. Denn das Reglement für die Videoüberwachung ist vorerst bis zum 31. Oktober gültig.