Vier Vorstösse für ein Halleluja!
Lockerungen hin oder her, die Basler Kulturszene leidet unter anhaltender Flaute. Die Politik zieht erste Lehren aus der Misere und versucht, den Kultur-Sommer 2020 zu retten.
Gibt es ein in Basel ein politisches Bewusstsein dafür, wie tiefgreifend die lokale Kulturlandschaft durch die Corona-Krise erschüttert wurde?
Diese Frage stellten wir anlässlich unserer Diskussionsrunde am vergangenen Donnerstag zur Lage der Basler Nachtkultur in den Raum.
Nimmt man die heutige Grossratssitzung zum Gradmesser, so zeigt sich: Ja, gibt es. Mit Lisa Mathys (SP), Sebastian Kölliker (SP) und Jo Vergeat (jgb) warfen gleich drei Vertreter*innen von «Kulturstadt Jetzt» ihre Forderungen in die Waagschale. Es geht um konkrete Forderungen und Vorschläge, wie die Folgen der Corona-Pandemie für die lokale Kultur abgefedert werden könnten.
Die Vorstösse umfassen:
- Eine Motion für eine Taskforce Kultur. Eine Art Super-Gremium, das Vertreter*innen aus den betroffenen Kultur-Sparten, Performance, Musik, Theater und anderen darstellenden Künsten mit Vertreter*innen aus der Verwaltung an einen Tisch bringt. Die Motion wurde am späteren Nachmittag mit 76 Ja-Stimmen gegen 12 Nein-Stimmen bei 6 Enthaltungen angenommen und dem Regierungsrat überwiesen.
- Eine Interpellation zur Nachwuchsförderung. Die Bühnen sind jetzt besonders begehrt, das Publikum ist ausgehungert. Die Interpellantin Lisa Mathys drängt darauf, jetzt bei den Line-Ups nicht nur an die etablierten Künstler*innen zu denken und fragt die Regierung, ob diese bereit sei, 2021 mit einer Defizitgarantie für Veranstaltungen mit Nachwuchskünstler*innen in die Bresche zu springen? Mit der Interpellation will die Grossrätin erreichen, dass langfristige Pandemie-Schäden an der Kultur vor lauter Soforthilfe nicht ausgeklammert werden. Mathys: «Wenn wir die junge Generation vergessen, haben wir bald eine grosse Leere und dann wars das mit der Kulturstadt.»
- Einen Anzug, professionelle Online-Kultur-Plattformen zu ermöglichen. Do-it-yourself-Hilfsprojekte wie die Kulturklinik entstanden durch Eigeninitiative, aber die Ressourcen schwinden. Wie kann der Kanton wenigstens das Hilfs-Gerüst aufrecht erhalten? Lisa Mathys will mit dem Anzug ein «Learning» aus der Krise ziehen. Es habe sich gezeigt: Wenn der Courant normal zusammenbricht, ist die freie Kulturszene erstmal auf Eigeninitiative und enorme Strukturarbeit angewiesen. Das fresse Ressourcen. Wenigstens die Infrastruktur für die Selbsthilfe zur Soforthilfe solle der Kanton unterstützen.
- Eine Interpellation zur erleichterten Bespielung des öffentlichen Raums im Sommer 2020. Damit Platzkonzerte, Jams im Park, Freiluftperformances stattfinden können, brauche es Schneisen im Bewilligungsdickicht. Die Grüne Grossrätin Jo Vergeat bringt deshalb eine Beratungsstelle ins Spiel. Der Gedanke dahinter: Mehr Outdoorkultur gleich mehr Verdienstmöglichkeiten gleich mehr Publikum, weil im Sommer eh alle draussen sind. Die Interpellation reagiert auf die nach wie vor strengen Schutzauflagen für geschlossene Räume und fragt nach einem grosszügigen Umgang der Behörden für freie Aktionen im öffentlichen Raum.
Die pointierteste Forderung steckt in der Motion für eine Taskforce Nachtkultur. Nur: Was kann diese Taskforce, was die bereits bestehenden Lobbys wie Kulturstadt Jetzt, Kultur und Gastronomie oder der Wirteverband nicht können? Sebastian Kölliker sagt: «Die entscheidende Verbesserung ist die direkte Mitsprache und das Gespräch auf Augenhöhe mit der Verwaltung.»
Und warum ist das so wichtig? Weil der Bund sich aus den Entscheidungen, wie die neuen Schutzmassnahmen umgesetzt werden, zurückzieht, so Kölliker. Das Mikro-Management, das machen ab jetzt wieder die anderen, heisst: Die Kantone müssen aus Köllikers Sicht mehr Verantwortung übernehmen.
Die Taskforce möchte erreichen, dass die Verwaltung nicht an den realen, praktischen Bedürfnissen und Gegebenheiten der Lokale, Clubs und Bars vorbeientscheidet. «Dass eine Zweidrittelmehrheit der Grössrät*innen heute morgen entschieden hat, die Motion als dringlich auf die Tagesordnung zu setzen zeigte mir, dass der Vorstoss in fast allen Fraktionen Anklang findet» sagt Kölliker.
«Je schneller diese Zusammenarbeit zustande kommt, desto besser.»Sebastian Kölliker zur Taskforce Nachtkultur
Der Anzug für professionelle Online-Kultur-Plattformen wird wohl erst im September trakandiert. Ist es dann nicht ein wenig spät dafür? Nein, findet Lisa Mathys: «Wir sollten daran denken, dass es für viele Kulturschaffende noch sehr lange dauern wird, bis sie normal auftreten können.» Ausserdem könne eine solche Plattform auch dann zum Tragen kommen, wenn keine Verbote herrschen. Sie könnte Platz bieten für Kultur im online-Format und damit als Schnittstelle dienen zwischen Publikum und Künstler*in.
Die Antworten auf die Interpellation erwartet sie ebenfalls nach den Sommerferien. Kölliker drängt auf eine raschere Entscheidung in Sachen Taskforce Nachtkultur: «Je schneller diese Zusammenarbeit zustande kommt, desto besser.»