Von der Pharma direkt in dein Portemonnaie
Grossunternehmen müssen bald 15 Prozent Steuern zahlen, so will es die OECD. Am 18.Juni stimmt die Schweiz über die Details ab. Für die Basler Pharma ist die Abstimmung entscheidend. Nun lanciert Johannes Sieber eine Idee: OECD-Millionen für ein Grundeinkommen.
Basel-Stadt ist reich. Und könnte bald noch reicher werden: Nimmt die Schweizer Stimmbevölkerung am 18. Juni die OECD-Steuerreform an, fliessen Millionen in die Basler Staatskasse. Wieviel ist unklar, die Schätzungen liegen zwischen 100 und 700 Millionen Franken im Jahr.
Die Frage ist: Was macht man mit dem Geld?
Finanzdirektorin Tanja Soland hat schon ziemlich genaue Vorstellungen, wo die Millionen bei einem Ja hinfliessen sollen: zurück zu den Unternehmen, über einen Umweg der «Standortattraktivität». Damit die Firmen wegen der steigenden Steuern nicht auswandern. Soland denkt unter anderem an Förderung für Forschung und Innovation in Hochschulen und Unternehmen.
Bei Solands Genoss*innen auf nationaler Ebene kommt ihre Position bekanntlich schlecht an. Die Basler Partei steht mehrheitlich hinter ihrer Regierungsrätin, hat aber Stimmfreigabe beschlossen.
Nun bringen ausgerechnet die Grünliberalen eine weitere Idee ins Spiel, wie man das OECD-Geld für die Bevölkerung einsetzen könnte. Grossrat Johannes Sieber will das Grundeinkommen wieder aus der Schublade holen. Er möchte mittels schriftlicher Anfrage erfahren, ob es für die Regierung denkbar sei, einen Teil der Einnahmen in Form eines «Wirtschaftsstandort Bonus» direkt an die Einwohner*innen des Kantons Basel-Stadt weiter zu geben? Oder gleich ein bedingungsloses Grundeinkommen einzuführen?
Das klingt etwas utopisch, aber Sieber meint es ernst. Er will die Umverteilung neu denken. «Die Linke spricht gerne von einer Umverteilung von Reich zu Arm. Was sie aber tatsächlich macht, ist eine Umverteilung von Reich zu Staat.»
Der Staat werde so mächtiger, und ob die Steuern dann wirklich für die Armutsbetroffenen eingesetzt würden, sei überhaupt nicht sicher. Beispiel nationale Ebene: Dort hat das Parlament die Militärausgaben erhöht, während Bundesrätin Karin Keller-Sutter bei der AHV sparen will, wie eine Blick-Recherche aufdeckte.
Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung OECD verlangt mit der 2021 von den G7-Staaten beschlossenen Steuerreform, dass grosse, international tätige Unternehmen (mit mindestens 750 Millionen weltweit erwirtschaftetem Umsatz pro Jahr) mindestens 15 Prozent Gewinnsteuern abgeben.
Auch die Schweiz muss die Steuerreform umsetzen. 250 Basler Firmen wären betroffen – sie machen die Hälfte der Wertschöpfung aus, die im Kanton entsteht.
Die jährlichen Mehreinnahme werden auf 1 bis 2,5 Milliarde Franken geschätzt. 75 Prozent der Steuereinnahmen sollen in den Kantone bleiben, 25 Prozent zum Bund fliessen. Die SP Schweiz bekämpft die Reform. Sie kritisiert, die reichen Kantone Basel-Stadt und Zug würden 40 Prozent der Zusatzeinnahmen einstreichen. Die SP Basel-Stadt hat Stimmfreigabe beschlossen. Die Basta bekämpft die Reform, die Grünen sind dafür, die Bürgerlichen sowieso.
*Im Originaltext stand, die SP habe das Referendum ergriffen. Das stimmt natürlich nicht. Es handelt sich um eine Verfassungsänderung, da braucht es zwingend eine Abstimmung. Entschuldigung.
Johannes Sieber würde das Geld lieber direkt zu den Bürger*innen umverteilen. Sobald die Regierung seine schriftliche Anfrage beantwortet hat, möchte er einen verbindlicheren Vorstoss einreichen. Für ein Pilotprojekt, beispielsweise mit anderen Städten wie Bern, wo ebenfalls über das Thema diskutiert wird.
Punkto Höhe des Grundeinkommens will sich Johannes Sieber nicht festlegen. Er hat aber Sympathien für ein Grundeinkommen, das den Verwaltungsaufwand für die diversen Sozialversicherungen senkt und allen zugute kommt, egal ob reich oder arm.
Gar nichts anfangen mit der Idee kann Luca Urgese. Der Freisinnige Grossrat und Leiter Finanzen und Steuern bei der Handelskammer hat zwei Kritikpunkte.
Erstens die Verknüpfung des Grundeinkommens mit der OECD-Steuerreform: «Das ist fehl am Platz», sagt Urgese. Die zusätzlichen Einnahmen müssten dringend für den Erhalt der Standortattraktivität eingesetzt werden, damit es für die Unternehmen trotz höherer Steuern attraktiv bleibe, in Basel-Stadt zu bleiben. «Zur Standortattraktivität gehören Experimente mit einem Grundeinkommen nicht dazu.»
Urgese und die Handelskammer haben durchaus Einfluss auf die Basler Steuerpolitik, was sich etwa beim Steuerpaket zeigte, das die Basler Bevölkerung im März 2023 angenommen hat.
Aber auch unabhängig von der OECD-Steuerreform findet Urgese die Idee eines bedingungslosen Grundeinkommens grundsätzlich zu wenig durchdacht. «Niemand hat aufgezeigt, wie sich ein Grundeinkommen selbst finanzieren könnte.»
Der Freisinnige befürchtet einen Teufelskreis: «Wenn man ein Grundeinkommen bekommt, arbeiten die Menschen weniger, um etwa Care-Arbeit zu leisten oder sich weiterzubilden. Also zahlen sie weniger Steuern und das Geld fehlt nachher wiederum, um das Grundeinkommen zu finanzieren.» Ausserdem glaubt Urgese nicht, dass die Linke tatsächlich bereit wäre, die Kosten bei der Sozialleistungen zu senken. Und: «Es gibt genug Versuche mit dem Grundeinkommen. Basel-Stadt muss nicht alles selbst pilotieren.»
Melanie Eberhard sieht das etwas anders: «Ich persönlich begrüsse Überlegungen zu einem Grundeinkommen.» Die Grossrätin ist in der Sozialkommission des Grossen Rats. Und gehört zu den Sozialdemokrat*innen Basel-Stadts, die wegen des vorgesehenen Verteilschlüssels ein Nein zur OECD-Steuerreform in die Urne legen werden. «Ich finde es prüfenswert, zu analysieren, ob sich mit einem Grundeinkommen Ungleichheit minimieren allen Menschen eine Basis für die Existenzsicherung bieten lässt.» Aus ihrer Sicht gehören auch die Förderung der Vereinbarkeit, zum Beispiel durch Kitas oder Betreuungsstrukturen in den Ferien, sowie eine starke Bildung zur Standortattraktivität.
Die Idee des Grundeinkommens ist nicht neu. Johannes Sieber hat schon 2022 eine schriftliche Anfrage zum Grundeinkommen eingereicht. Die Regierung war nicht begeistert: Die Wirkung lasse sich auf kantonaler Ebene schlecht testen, da die bestehenden Sozialversicherungen und Sozialleistungen im Bundesrecht verankert seien. Daher könne nur ein Teil der finanziellen Grundsicherung durch ein kantonales Grundeinkommen gedeckt werden, beispielsweise ergänzend zur oder anstelle der kantonalen, beziehungsweise kommunalen Sozialhilfe.
Auch die Mehrheit der Bevölkerung war bislang skeptisch. 2016 sagten 76.9 Prozent der Schweizer*innen Nein zu einer entsprechenden Initiative. In Basel-Stadt waren es 64 Prozent.
Sehr begeistert ist dagegen Sieber selbst. Er ist überzeugt, wenn man das bedingungslose Grundeinkommen richtig aufgleist, könnte man nicht nur Verwaltungsaufwand bei den Sozialausgaben sparen. Auch Teile der Kulturförderung könnten laut Sieber neu gedacht werden. Beispielsweise Werk- oder Recherchebeiträge, die heute an Bedingungen geknüpft und von Jurys beurteilt werden.
Mit einem Grundeinkommen wären Künstler*innen weniger abhängig davon, sagt Sieber. «So könnten sich auch Kulturschaffende verwirklichen, die heute nicht in der Gunst der Jurys stehen.» Er sehe das Grundeinkommen als «Innovationstreiber im Kulturschaffen und der Kreativwirtschaft», sagt Sieber: «Ich bin Fan.»
Und was, wenn die Bevölkerung die OECD-Steuerreform wider Erwarten ablehnen sollte? Tanja Soland hatte einst angedeutet, dann die Steuern in Basel-Stadt einfach eigenständig zu erhöhen. Heute sagt sie auf Nachfrage der CH Media offenbar nichts mehr dazu.