Warum die Eidechse eben doch das Klima schützt

Generationenübergreifend spielen sich die pensionierte Protestlerin Anita Fetz und die klimabewegte Aktivistin Pauline Lutz die Bälle zu. Pauline serviert heute eine fadengrade Meinung zum Hafenbecken 3.

Nightnurse-Images-Zürich_Bajour-Illu
(Bild: Nightnurse Images / Illustration: Bajour)

Liebe Anita,

heute will ich dir sagen, warum ich gegen das Hafenbecken 3 und damit auch gegen das Gateway Basel Nord bin.

Hafenbecken wie bitte was? Für politikinteressierte Basler*innen ist vielleicht klar, wovon ich spreche – eventuell aber auch nicht. Worum geht es also? (Nur mal so als Warnung: Es ist inhaltlich echt ein harziges Thema.)

Es geht um die Abstimmung über das Hafenbecken 3, also um ein neues Hafenbecken – und indirekt auch um den Containerterminal, das «Gateway Basel Nord». Dieser Containerterminal soll in einem Naturschutzgebiet auf dem ehemaligen Rangierbahnhof der Deutschen Bahn gebaut werden.

Der Containerterminal wurde von SBB Cargo und dem Bundesamt für Verkehr aufgrund der zentralen Lage im Land zunächst als «Gateway Limmattal» im Mittelland geplant, tatsächlich sogar mit denselben Personen in der Projektleitung. Dieses Terminal scheiterte am Widerstand der Bevölkerung. Nun soll es in Basel gebaut werden, kombiniert mit einem technisch ungenügenden Hafenbecken. (Sogar die «Interessensgemeinschaft Schiffsführer Basel» spricht sich aus fachlichen Gründen gegen das Hafenbecken 3 aus!)

Artenschutz = Klimaschutz

Das Naturschutzgebiet auf dem ehemaligen DB-Rangierbahnhof ist ein Paradies für Flora und Fauna. Das 20 Hektar grosse Areal ist im Bundesinventar der «Trockenwiesen und -weiden von nationaler Bedeutung» als «Badischer Bahnhof» verzeichnet und wurde sogar als Singularität ausgewiesen. Es ist also einer der wertvollsten Trockenlebensräume der Schweiz. Die Artenvielfalt auf solchen Gebieten ist aussergewöhnlich hoch. Laut Pro Natura, die sich auch gegen das Projekt ausspricht, leben 347 Pflanzenarten auf dem Trockenlebensraum. (Liebe Laien: Das ist viel.)

Ausserdem nimmt es eine wichtige Rolle als ökologischer Vernetzungskorridor ein, dessen Bedeutung mit der vom Klimawandel verursachten Artenwanderung noch steigt. Was bedeutet das genau? Dass Pflanzen- und Tierarten, die durch höhere Temperaturen gezwungen sind, weiter nördlich zu ziehen, oftmals dieses Naturschutzgebiet als Weg benutzen.

Und nun soll ein Containerterminal draufgeklatscht werden.

«Wie bitte kann ein Stück zerstörte Natur, das erwiesenermassen eine Singularität war, ersetzt werden?»

Da das Gebiet aber geschützt ist, muss laut Gesetz ein vergleichbares Ersatzgebiet erschafft oder gefunden werden, bevor es überbaut werden darf. Ein solches Ersatzgebiet wurde noch nicht gefunden – aus dem simplen Grund, dass ein solches Ersatzgebiet kaum zu finden ist. Und überhaupt: Wie bitte kann ein Stück zerstörte Natur, das erwiesenermassen eine Singularität war, ersetzt werden?

Klimaschutz und Biodiversität gegeneinander auszuspielen im Stil von «Ihr wollt ein paar Eidechsen retten, wir haben das grosse Ganze im Blick», ist nicht nur zynisch, sondern auch gefährlich. Klimawandel und Biodiversität sind untrennbar miteinander verknüpft. Der Klimawandel gilt als wichtigster Treiber des Artensterbens. Und Artenvielfalt selber reguliert das Klima. In der Schweiz ist der Zustand der biologischen Vielfalt alarmierend. Seit 1900 sind 95% der Trockenlebensräume der Schweiz verschwunden.

Artenschutz bedeutet Klimaschutz bedeutet Umweltschutz – das ist untrennbar miteinander verbunden.

Unendliches Wachstum – ein Idealismus, für den ich leider zu jung bin

Eines der sogenannten Klimaschutz-Argument für das Hafenbecken 3 ist, dass mit dem Gateway 100'000 Lastwagen eingespart werden, eine Zahl, die tatsächlich auf nicht nachvollziehbaren Berechnungen beruht. Es werden unrealistisch hoch eingeschätzte Wachstumszahlen benutzt. Klar hingegen ist jedoch, dass bei einer fünffachen Menge von umgeschlagenen Containern mehr Lastwagen auf Basels Strassen unterwegs sind, laut Angaben der Gegner sogar bis zu 125'000 mehr.

Schlussendlich ist es für mich aber auch fast ein bisschen egal, wie diese Zahlen nun berechnet werden oder nicht.

Du bist uns nicht egal.

Denn eines versteht jedes Kind: Ein neuer, riesiger Umschlagplatz mit fünffacher Kapazität fährt auf der Linie der neoliberalen Idee des unendlichen Wachstums, die nicht mehr zeitgemäss ist. Wir leben auf einem Planeten mit endlichen Ressourcen, der in jeder Hinsicht nur eines fordert: Ein Umdenken hin zu einer Wirtschaft, die nicht «Besser, schneller, höher» als ihr Paradigma versteht, sondern die tatsächlich auf uns Lebewesen und unsere Lebenswelt zugeschnitten ist.

Das ist keineswegs unrealistisch oder realitätsfern, wenn wir uns die immer wiederkehrenden Warnungen von Forschenden auf der ganzen Welt durchlesen. Wachstumskritik ist der Realismus, den man sich in der heutigen Zeit zulegen muss. Klimafreundliche Politik bedeutet langfristig, Güterströme zu reduzieren, anstatt sie zu fördern. Darum sage ich klar Nein zum Hafenbecken 3.

__________

Anitas Replik liest du bald hier bei Bajour.

Pauline Lutz (2002) engagiert sich bei der Basler Klimajugend und studiert internationale Beziehungen in Genf. Die Kleinunternehmerin und ehemalige Ständerätin Anita Fetz (1957) politisierte bei der SP.

Das könnte dich auch interessieren

Plakate, die fuer und gegen den Autobahnausbau in der Schweiz werben, haengen in Birsfelden, am Dienstag, 12. November 2024. Am 24. November 2024 wird ueber den Bundesbeschluss ueber den Ausbauschritt 2023 fuer die Nationalstrassen abgestimmt. (KEYSTONE/Georgios Kefalas)

David Rutschmann am 24. November 2024

Am Ende des Tunnels

Der Rheintunnel konnte nicht genug Versprechen für die Entlastung der staugeplagten Bevölkerung kreieren – und stand quer zum Klimaziel 2037. Für die Ablehnung des Projekts im Autoland Schweiz brauchte es aber auch eine ordentliche Dosis Sparsamkeit und Wachstumskritik.

Weiterlesen
***SYMBOLBILD*** Muster eines neuen Schweizer Passes fuer eine auslaendische Person, fotografiert am Dienstag, 1. November 2022, in Bern. Seit dem 31. Oktober 2022 gibt es eine neue Pass-Serie. Die neue Pass-Serie entspricht den neuesten Standards fuer Identitaetsdokumente. Das Buechlein enthaelt Designelemente, die von der Schweizer Landschaft inspiriert sind. (KEYSTONE/Christian Beutler)

Michelle Isler am 24. November 2024

Beerdigt ist das Einwohner*innen-Stimmrecht noch nicht

Ausländer*innen dürfen auch künftig in Basel nicht politisch mitbestimmen. Auch in einem dritten Anlauf scheitert das Anliegen an der Urne. Es dürfte aber nicht der Letzte sein.

Weiterlesen
Abst. Nov24 | Musikvielfalt Ablehnung konstenierte Gesichter bei La Nefera und Kaspar von Grünigen

Helena Krauser am 24. November 2024

Die Initiative, die keine Harmonien fand

Die Musikvielfaltinitiative wurde deutlich abgelehnt. Sie kam trotz lautstarken Kampagnen nicht gegen die Gegner*innen an und verharrte innerhalb der eigenen Bubble. Am Ende siegten die Angst und die Kulturskeptiker*innen.

Weiterlesen
Abst. Nov24 | Jennifer Perez La Nefera

Helena Krauser am 24. November 2024

«The Hustle must go on»

Bei der Musikvielfaltinitiative zeichnet sich ein deutliches Nein ab. Die Initiant*innen sind trotzdem froh, einen Stein ins Rollen gebracht zu haben und hoffen, dass die Mobilisierung dennoch Früchte trägt.

Weiterlesen
Porträt Pauline Plainpalais

Bei Bajour als: Community-Managerin – ich schreibe über die Geschichten, die in der Gärngschee-Gruppe passieren. Und als wahre Homeoffice-Redaktorin, hauptsächlich in Genf stationiert.

Hier weil: Schreiben 😍

Davor: Corona-Matur am Leo und ein Semester Internationale Beziehungen in Genf

Kann: Mich in seltsamen WGs einrichten & kalt duschen

Kann nicht: Ohne meine Friends

Liebt an Basel: Rhein. Entspanntheit. Die Menschen

Vermisst in Basel: das Chaos!

Interessensbindung: Ich war aktiv in der Basler Klimabewegung, habe damit aber aufgehört (alles für den Journalismus)

Kommentare