Wieder einmal gewinnt das Velo – und jetzt?

Mit 59,21 Prozent Ja-Stimmen hat Basel dem Gegenvorschlag zur Velo-Initiative den Vorzug gegeben. Die flexiblere Option hat überzeugt, lässt aber in beiden politischen Lagern Fragen offen.

Abstimmungsonntag Standortpaket
Ruedi Rechsteiner freut sich über die Annahme des Gegenvorschlags. (Bild: Ernst Field)

Die Initiative wollte ein sicheres, durchgehendes Netz von Velo-Vorzugsrouten in Basel schaffen. Es sollte 50 Kilometer lang sein und verbindliche Mindeststandards erfüllen – zum Beispiel eine Breite von 2,4 Metern pro Fahrrichtung. Die Regierung war grundsätzlich einverstanden mit der Stossrichtung der Initiant*innen rund um den ehemaligen SP-Nationalrat Ruedi Rechsteiner und wollte ebenfalls Massnahmen ergreifen, um den Velo- und Autoverkehr zu entflechten. Allerdings wollte sie weniger Geld investieren und die Vorgaben lockerer definieren. Deshalb hat sie einen Gegenvorschlag erarbeitet.

Dieser gilt als pragmatische Alternative: Er ist flexibler in der Umsetzung und verursacht geringere Kosten. Der vorgegebene Zeitrahmen ist länger, und die geplante Strecke des Velonetzes beläuft sich nur auf 40 Kilometer.

Dieser Pragmatismus hat nun gesiegt: 59,21 Prozent der Stimmen gingen an den Gegenvorschlag. Die Initiative erhielt hingegen nur 37,25 Prozent.

Velokomm
Kommentar zur Abstimmung

Mit dem Gegenvorschlag zur Velo-Initiative soll die Sicherheit für Velofahrende verbessert werden. Das ist dringend nötig. Um nun keinen Parkplatzstreit vom Zaun zu brechen, sollte der Kanton die Auslastung von Tiefgaragen erhöhen. Ein Kommentar von Valerie Zaslawski.

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Die Verfechter*innen des Gegenvorschlags argumentierten, dass mit dieser Option direkt mit der Umsetzung der Velorouten begonnen werden könne. Bau- und Verkehrsdirektorin Esther Keller (GLP) zeigt sich erfreut: «Dadurch sind heute 23 Millionen Franken gesprochen worden, mit denen wir bei den Velo-Vorzugsrouten und den Haupt- und Nebenstrassen jetzt schnell vorwärts machen können.» Was genau nun als Erstes angegangen wird, beantwortet Keller nicht. Man sei ohnehin ständig dabei, die Velowege zu verbessern – beispielsweise im Zuge des Fernwärmeausbaus. Mit den bereitgestellten Mitteln könne man nun aber einen Zahn zulegen.

Auch wenn es bei einzelnen Strassen weiterhin Einspracheverfahren geben wird, sei die Marschrichtung nun klar. Ebenso klar sei, dass der eine oder andere Parkplatz den Velowegen weichen müsse, so Keller. Dies erhöhe den Druck auf die Parkplatzsituation auf den Strassen und lenke den Fokus vermehrt auf unterirdische Parkplätze. «Ich denke, dass wir die Auslastung der unterirdischen Parkings nun erhöhen können», sagt sie. Aktuell arbeite man bereits daran, sowohl das Horburg-Parking als auch das Schwarzwald-Parking der Roche in Quartierparkings umzuwandeln – das brauche jedoch Zeit.

Anina Ineichen
«Ich werde nachfragen, welche Sofortmassnahmen umgesetzt werden und was der Zeithorizont ist.»
Anina Ineichen, Grüne-Grossrätin und Pro-Velo-Co-Präsidentin

«Vom Ja zur Velosicherheit profitieren nicht nur die Velofahrenden, sondern alle Verkehrsteilnehmenden – und letztlich auch die Volkswirtschaft, weil damit die gesunde und klimafreundliche Mobilität gefördert wird», sagt Grünen-Grossrätin und Pro-Velo-Co-Präsidentin Anina Ineichen. Nun möchte sie dem Tempo des Gegenvorschlags auf den Zahn fühlen und wissen, wie schnell die Umsetzungen angegangen und Gefahrenstellen beseitigt werden. Deshalb will sie eine Interpellation einreichen: «Ich werde nachfragen, welche Sofortmassnahmen umgesetzt werden und was der Zeithorizont ist.»

Ruedi Rechsteiner zeigt sich trotz Ablehnung seiner Initiative zufrieden: «Wir haben 99 Prozent von dem erreicht, was wir verlangt haben.» Es sei gut, dass der Gegenvorschlag nun sofort in Kraft treten könnte. Durch den Volksentscheid sei das Velonetz nun mit Normen reguliert, die von der Verwaltung verbindlich umgesetzt werden müssten. Trotzdem betont Rechsteiner, dass man mit Augenmass operieren müsse: «Wo es eng ist, müssen auch die Velorouten Abstriche machen.»

Der Co-Präsident des Umweltschutz- und Verkehrsverbands in der Region Basel (VCS), Hannes Hui, erhofft sich mit dem Ja zum Gegenvorschlag vor allem mehr Sicherheit auf den Strassen: «Dank dem heutigen Ja können bald alle sicher durch Basel fahren.»

«Ich werde nun genau beobachten inwiefern es für Autofahrer eine Verbesserung geben wird.»
Laetitia Block, SVP-Grossrätin

Sogar von bürgerlicher Seite gibt es Hoffnung auf eine positive Wendung im ewigen Streit zwischen Velo- und Autofahrenden: SVP-Grossrätin Laetitia Block hofft auf eine Entflechtung von Velo- und Autoverkehr, damit Autos in der Stadt besser vorankommen. Vor allem aber ist sie froh, dass die Initiative – bei der man «wirklich nicht wusste, woran man ist» – abgelehnt wurde. Sie werde nun genau beobachten, inwiefern es auch für Autofahrende eine Verbesserung geben werde. Schliesslich sei das immer versprochen worden. Besonders die Frage, durch welche Strassen genau die Velorouten führen sollten, sei noch offen und müsse nun rasch und nicht zulasten der Autos geklärt werden.

Auch Benjamin von Falkenstein, Präsident der Jungliberalen, kritisiert die Unklarheit. Zudem zweifelt er an der Kompetenz des Bau- und Verkehrsdepartements. Seiner Meinung nach hätten bisherige Erneuerungen – etwa an der St. Jakobstrasse – keine Verbesserungen gebracht. Der Gegenvorschlag trage nun ebenfalls nicht zum guten Miteinander bei. Seine Sorge: «Für Velos wird es nicht besser und für Autos schlechter.»

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