Ein Kompromiss bis weit in die Mitte

Mit dem Gegenvorschlag zur Velo-Initiative soll die Sicherheit für Velofahrende verbessert werden. Das ist dringend nötig. Um nun keinen Parkplatzstreit vom Zaun zu brechen, sollte der Kanton die Auslastung von Tiefgaragen erhöhen. Ein Kommentar.

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Für die Veloinitiative liefs nicht ganz so rund, wie erwünscht. Trotzdem sind (fast) alle happy.

Auch der Applaus bis weit in die politische Mitte hat an diesem Abstimmungssonntag im Rathaus davon gezeugt: Der Gegenvorschlag zur Velo-Initiative, die ein sicheres Velonetz mit breiten Fahrradwegen für Basel schaffen will, ist alles andere als ein linkes Projekt.

Es ist ein sorgfältig ausgehandelter und breit getragener Kompromiss, der nun auch von der Stimmbevölkerung als solcher wertgeschätzt wurde. Knapp 60 Prozent der brieflich Stimmenden haben Ja gesagt zu einer pragmatischen Alternative. Die Initiative wurde mit knapp 63 Prozent der Stimmen abgelehnt. 

Hinter dem nun angenommenen Gegenvorschlag standen die SP, die GLP sowie EVP und die Mitte. Die Initiative wurde von den Grünen, der Basta sowie Juso unterstützt. Gegen beides waren lediglich die Bürgerlichen, weil sie Angst hatten, die Katze im Sack zu kaufen.

Das Ja zum Gegenvorschlag ist nun ein klarer Auftrag an die Verwaltung, sofort – hat der Grosse Rat das Budget von 23 Millionen Franken dafür doch bereits bewilligt – eine velofreundlichere Infrastruktur im Kanton zu schaffen und den Velo-Richtplan zu vervollständigen.

Ein behördenverbindliches Velonetz soll nun also Realität werden: Bis 2035 sollen 40 Kilometer sichere Velowege geschaffen werden. Dabei sollen Sofortmassnahmen als Erstes die gefährlichsten Stellen in der Stadt beseitigen. 

Das Ja ist ein klarer Auftrag an die Verwaltung.

Das heutige Ja zum Gegenvorschlag darf demnach auch als Wunsch nach mehr Sicherheit im Strassenverkehr gelesen werden. Die Velowege zu verbessern dürfte das Hauptargument gewesen sein, wieso sich letzten Endes eine breite Koalition hinter den Gegenvorschlag stellte: Denn es stimmt zwar, dass die (leichten) Unfallzahlen trotz steigendem Veloverkehr gesunken sind. Doch die schweren Unfälle haben gleichzeitig stark zugenommen. Das muss sich dringend ändern. Die Basler Bevölkerung will sich auf dem Zweirad (wieder) sicher fühlen.

Und ja, einige tun dies offenbar heute schon. Ein gutes Beispiel dafür war im Abstimmungskampf SP-Initiativ-Befürworter Nino Russano, der von Primenews gesichtet wurde, wie er mit dem Velo eine Kartonschachtel auf dem Lenker voll mit Gipfeli durch die Stadt balancierte. Solche Beispiele mögen provozieren. Russano aber sieht darin keinen Widerspruch und sagte: «Die Veloinfrastruktur muss so ausgestaltet sein, dass sich möglichst viele Menschen auf dem Fahrrad sicher fühlen.» Und da hat er recht.

Gleichzeitig ist nicht zu leugnen, dass manche der Unfälle selbst verschuldet sind. Weshalb sich auch Velofahrer*innen an der Nase nehmen und im Verkehr etwas weniger waghalsig unterwegs sein könnten. Ohne hier die Moralkeule schwingen zu wollen (es werfe den ersten Stein, wer frei von Schuld ist): Rücksichtsloses Fahren ist nicht nur unvernünftig, sondern schadet auch dem ohnehin angespannte Verhältnis zwischen Velo- und Autofahrer*innen.

So ist zu hoffen, dass das Rowdytum durch die geplanten Velorouten etwas gebändigt, aber gleichzeitig auch die Autofahrer*innen etwas entspannter werden, wenn der Verkehr entflechtet wird. Und am Ende zwar kein Miteinander, aber ein Nebeneinander zu mehr gegenseitiger Toleranz führt.

Der Druck auf die Strasse wird steigen.

Dass dafür auch Parkplätze weichen müssen, wie die Gegner*innen der Initiative betonten, ist ein Fakt. Insbesondere für Anwohnende mag das sehr ärgerlich sein. Doch allfällige Verluste könnten und sollten künftig stärker durch die zahlreichen Einstellparkplätze, die es in unserem Kanton gibt, kompensiert werden. Wie eine Crowd-Recherche von Bajour 2023 zeigte, würde Parkraum für rund 2000 Autos ohne Neubau bestehen.

Vielleicht ist das Ja zum Gegenvorschlag auch eine Motivation für den Kanton, die Sache mit neuem Schwung (auf dem Sattel) anzugehen. Denn so viel ist klar: Der Druck auf die Strasse wird steigen: Nach mehr Grünraum und mehr Bäumen hat die Basler Bevölkerung nun auch Ja gesagt zu mehr Velowegen. Der Fall ist also klar.

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Nach einem ersten journalistischen Praktikum bei Onlinereports hat Valerie verschiedene Stationen bei der Neuen Zürcher Zeitung durchlaufen, zuletzt als Redaktorin im Bundeshaus in Bern. Es folgten drei Jahre der Selbständigkeit in Berlin, bevor es Valerie zurück nach Basel und direkt zu Bajour zog, wo sie nun im Politikressort tätig ist.

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