WECHSELSPIEL - wenn Peter Stamm schreibt

Im Stadtkino Basel wird das Kino selbst erweitert. Bei der heutigen Vorführung des Films von "Wechselspiel - Wenn Peter Stamm schreibt" kommt es zu einer performativen Intervention und einem Gespräch mit den Filmemacher*innen. Eine Vorschau vom Fachmagazin und dem Co-Organisator des Events Filmexplorer.

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Dieser Artikel ist zuerst auf Filmexplorer erschienen. Das Magazin gehört wie Bajour zu den verlagsunabhängigen Medien der Schweiz.

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Aenne Schwarz spielt eine Filmemacherin. (Bild: Wechselspiel - Wenn Peter Stamm schreibt)

Wechselspiel – Wenn Peter Stamm schreibt von Arne Kohlweyer und Georg Isenmann ist ein überraschender Film, mit Tiefgründigkeit, Humor und zu Recht mit dem Wort «Schöngeist» zu umschreiben. Ein Film, der glücklich macht, könnte man auch sagen. Mit bewusst reduziert eingesetzten Mitteln – vor allem bei den Interviewsituationen, die dem Film Sprache verleihen, ohne ihn zuzutexten – wurde so formal eine Vielschichtigkeit geschaffen, die auf allen Ebenen funktioniert und dem Inhalt des Films zuarbeitet. Es ist spürbar, wie in jedem Moment der Filmentstehung die Entscheide in Bezug auf das, was passiert, getroffen werden müssen, auch hinsichtlich eines offenen Endes vor einem Drehstart. Dabei wurde mit der Bildebene und vor allem mit dem Ton und in der Montage sehr sorgsam umgegangen. Und natürlich sind Aenne Schwarz und Max Simonischek zusammen mit Peter Stamm das Sahnehäubchen – ein Glücksfall.

Ruth Baettig

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Peter Stamm schreibt (Bild: Wechselspiel - Wenn Peter Stamm schreibt)

Noch einmal eine «Vertextung» – und am Anfang war der Film



Die Menschheit hat Tausende von Jahren Textkultur und etwas mehr als ein Jahrhundert Filmkultur. Es ist daher gegeben, dass oft von der Verfilmung von Texten und seltener von der «Vertextung» von Filmen die Rede ist. Durch die Inszenierung eines instabilen Gleichgewichts zwischen Verfilmung und Vertextung hebt Wechselspiel – Wenn Peter Stamm schreibt schliesslich vor allem Letztere hervor. Ja, in diesem Film, in dem das Dispositiv in einer schwindelerregenden Mise en abyme widerspiegelt ist, in dem die Verfilmung eines Textautors – Peter Stamm – Anlass zu einer Vertextung des Making-of eines unvollendeten Films gibt – und diese Vertextung wiederum Anlass zu einer Verfilmung eines Romans über den Versuch, einen Textautor zu filmen, gibt, und diese Verfilmung wiederum das Drehbuch (wieder eine Vertextung) für einen Film über die gescheiterte Verfilmung des Romans (Wechselspiel) schafft – kurz, in so einem Film stellt die Vertextung eine Art filmischen Motor dar und gleichzeitig ein Gegengewicht zu jeder Priorität der Verfilmung, was deswegen auch ein Gegengewicht zu jeder Priorität des Texts wird, der der Verfilmung vorausgehen würde.

Der Film der Regisseure Arne Kohlweyer und Georg Isenmann ist weniger eine Hommage an Peter Stamm als Autor und Person – auch wenn er in diesem Film mit seiner Bühnenpräsenz, mit seiner schönen Stimme und seinem hintergründigen Humor zu glänzen weiss – als vielmehr eine Hommage an seine Fähigkeit, die Rolle des Vertexters zu spielen, als eine Art König Midas des Textes, der die Vertextung als treibende Kraft jeder Idee oder jedes Versuchs, einen Film zu machen, wiederbelebt. Es handelt sich also um eine Hommage an die Priorität der Vertextung (und an die Geschwindigkeit des Schreibens gegenüber dem Filmemachen) und damit um eine unerhörte Hommage an den Film oder, besser gesagt, an die Möglichkeit, von einem Film aus zu denken oder zu denken zu beginnen – genauso, wie ich es hier und jetzt durch die Übung einer Filmkritik tue. Nach etwas mehr als einem Jahrhundert sind die Zeiten reif, um über den Text nicht als sekundär zum Leben, zur Erinnerung oder zu einem Bild, sondern als sekundär zu dieser Mischung aus Leben, Traum und Erinnerung, die der Film ist, nachzudenken. Wenn Peter Stamm schreibt in Wechselspiel, schreibt er vielleicht nur über das Kino, als guter Filmkritiker. Wenn Peter Stamm schreibt, erinnert er uns daran, dass es an der Zeit ist, zu akzeptieren, was am Anfang war ... der Film!

Oder sein Scheitern – wegen der Geschwindigkeit des Schreibens.

Giuseppe Di Salvatore

Wechselspiel – Wann Peter Stamm schreibt | Film | Arne Kohlweyer, Georg Isenmann | CH 2023 | 52’ | Solothurner Filmtage 2023

über den Film

Watch the movie Streaming on Swiss television SRF





Performative event and projection at the Stadtkino Basel (13. April 2023) - co-organised by Filmexplorer







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