Polizist Hochuli: «Wir können doch nicht einfach zuschauen»

Nach den Ausschreitungen vom Sonntag übt Polizeivorsteherin Stephanie Eymann ungewöhnlich deutliche Kritik – an der Polizei. EVP-Grossrat Christoph Hochuli, selbst Polizist, findet das gut.

Christoph Hochuli EVP zugeschnitten
Christoph Hochuli arbeitet als Polizist und politisiert für die EVP im Grossen Rat. (Bild: zvg)

Immer, wenn Demonstrant*innen Scheiben einschlagen, fordern rechte Politiker*innen und empörte Journalist*innen ein härteres Durchgreifen vom Regierungsrat. 

Als Polizeivorsteher*in kann man damit auf zweierlei Art umgehen:

  1. Man stellt sich öffentlich vor die Einsatzleitung der Polizei und stärkt ihr den Rücken. So hat es der ehemalige Regierungsrat Baschi Dürr (FDP) jeweils gemacht.

  2. Man kritisiert die Einsatzleitung der Polizei und nimmst sich selbst aus der Schusslinie. Diesen Weg hat nun die aktuelle Justizdirektorin Stephanie Eymann (LDP) gewählt.

Die BaZ fragte Eymann, warum die Polizei das Vermummungsverbot an der 1.-Mai-Demo beim Schwarzen Block nicht durchgesetzt habe. Schwarz verhüllte Demonstrant*innen hatten Scheiben beschmiert, eingeschlagen und einen BaZ-Fotografen angegriffen.

Die Antwort von Stephanie Eymann: «Meine Meinung ist klar: Das Vermummungsverbot gehört durchgesetzt. Es stört mich, wenn das nicht geschieht.» Und holte dann zu einer direkten Kritik an der Einsatzleitung der Polizei aus: «Wenn wir Regeln haben, besteht auch der Anspruch, dass Verstösse dagegen geahndet oder verhindert werden. Weshalb dies in diesem Fall nicht geschah, ist eine Frage, die man der Polizei stellen muss. Als Vorsteherin gebe ich die strategischen Leitlinien vor.»

Und auch bei der nächsten Frage der BaZ setzt Eymann zur Kritik an der Einsatzleitung der Polizei ein. Die BaZ will wissen, weshalb die Polizei Sachbeschädigungen an der Demonstration nicht verhindert habe. Antwort Eymann: «Dass man bei Sachbeschädigungen nicht eingreift, gehört sicher nicht zu meinen Vorgaben. Ich bin nicht zufrieden, wenn der Eindruck zurückbleibt, dass die Missachtung von Regeln keine Konsequenzen hat. Und das war bei dieser Demonstration der Fall. Das Bild, das die Stadt Basel abgibt, ist nicht schön. Ich verstehe den Ärger. Ich ärgere mich auch.» 

Stephanie Eymann Demonstration
Stephanie Eymann kritisiert öffentlich ihre eigenen Angestellten. (Bild: Keystone/ Illustration: Bajour)

Ein sehr gezielter Schuss vor den Bug der Einsatzleitung der Polizei. Sie ist es, welche konkrete Einsätze am 1. Mai organisiert und etwa befiehlt, ob man Demonstrant*innen einkesselt und verhaftet oder nicht.

Die Aufgabe des Regierungsrats ist es, die strategischen Leitlinien vorzugeben. Und die sieht Eymann offenbar nicht umgesetzt.

Bei Christoph Hochuli kommen Eymanns Worte gut an. Er ist Polizist und EVP-Grossrat und kann sich daher öffentlich äussern. Er war zwar am Sonntag nicht an der Demonstration, sondern stand am FCB-Match im Einsatz. Gegenüber Bajour sagt er aber: «Ich bin der Meinung, dass die Polizei mehr eingreifen soll bei Sprayereien und Fenstern, die eingeschlagen werden bei Demos. Die Polizei hat grundsätzlich die Pflicht, Straftaten zu verhindern und zu ahnden, also das Rechtsgut der Hauseigentümer zu schützen.» 

Vermummungsverbot beim FCB?

Die Polizei hat die Demonstration begleitet, aber nicht eingegriffen. Kapo-Sprecher Stefan Schmitt sagte nach der Demonstration: «Eine Intervention wäre nicht verhältnismässig gewesen.» Natürlich wolle die Polizei nicht einfach daneben stehen, während Scheiben eingeschlagen werden, führte die Polizei gegenüber 20 Minuten aus. Allerdings wollte man auch keine weitere Eskalation riskieren, die zu einer Strassenschlacht mit mehr Schäden und Verletzten hätte führen können. Dabei hätten auch friedliche Demonstrierende und Unbeteiligte zu Schaden kommen können.

Auch Hochuli findet, die Polizei müsse natürlich immer verhältnismässig reagieren und möglichst verhindern, dass bei einer Intervention friedlich Demonstrierende und Passant*innen gefährdet werden. Aber man hätte laut Hochuli versuchen können, die randalierenden Mitglieder des schwarzen Blocks vom Rest der Demonstration zu trennen und sie dann festzunehmen. «Das hätte möglicherweise zu einem Fight, also zu Widerstand der Randalierenden, führen können. Aber die Polizei darf bei Sachbeschädigungen nicht länger nur zuschauen.»

Hochuli ist mit dieser Einstellung nicht allein, sagt er: «Viele meiner Kolleginnen und Kollegen sind derselben Meinung.» Daher findet Hochuli gut, dass Eymann angekündigt hat, den Einsatz intern aufzuarbeiten. Dasselbe bei der Linken, auch sie will die Demonstration nachbesprechen.

Bleibt nur die Frage: Möchte Eymann das Vermummungsverbot in Zukunft auch an den FCB-Spielen durchsetzen? Dann viel Spass.

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Kann nicht: es bleiben lassen

Liebt an Basel: Mit der Familie am Birsköpfli rumhängen und von rechts mit Reggaeton und von links mit Techno beschallt zu werden. Schnitzelbängg im SRF-Regionaljournal nachhören. In der Migros mit fremden Leuten quatschen. Das Bücherbrocki. Die Menschen, die von überall kommen.

Vermisst in Basel: Klartext, eine gepflegte Fluchkultur und Berge.

Interessensbindungen:

  • Vorstand Gönnerverein des Presserats
  • War während der Jugend mal für die JUSO im Churer Gemeindeparlament. Bin aber ausgetreten, als es mit dem Journalismus und mir ernst wurde.

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